Das von Mückenarten wie der Asiatischen Tigermücke und der Gelbfiebermücke übertragene Dengue-Virus tritt mittlerweile nicht mehr nur in tropischen Gebieten auf. Auch in Europa taucht es vermehrt auf, zuletzt kam es im Herbst 2023 zu einzelnen Dengue-Fällen am Gardasee.
Das Dengue-Fieber verläuft oft harmlos und ohne Symptome, viele Kranke merken gar nicht, dass sie angesteckt wurden. Doch in seltenen Fällen kann die Krankheit auch lebensgefährlich verlaufen. Das Auswärtige Amt hat die Warnung vor Dengue-Fieber deswegen in die Reise- und Sicherheitshinweise für Italien aufgenommen.
Wie viele Fälle von Dengue-Fieber gibt es jährlich weltweit?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist besorgt wegen der Ausbreitung des Dengue-Virus. Seit dem Jahr 2000 habe sich die Zahl der jährlichen Fälle verachtfacht, sagte Raman Velayudhan, Leiter der WHO-Abteilung für vernachlässigte Tropenkrankheiten im Juli 2023.
Die Organisation schätzt, dass es 2022 weltweit rund 4,2 Millionen registrierte Fälle gab. "Inzwischen ist die Hälfte der Weltbevölkerung einer Dengue-Gefahr ausgesetzt“, sagte Velayudhan. 128 Länder sind betroffen.
Neueste Zahlen gehen davon aus, dass sich jedes Jahr weltweit mindestens 100 Millionen Menschen infizieren. Wobei die WHO mit einer riesigen Dunkelziffer rechnet und insgesamt von bis zu 400 Millionen Infektionen weltweit ausgeht. Die Schätzung ist schwer, weil 80 Prozent der Betroffenen bei einer ersten Infektion kaum oder nur milde Symptome haben und nicht zum Arzt gehen.
Welche Länder sind aktuell vor allem betroffen?
Die jüngsten Meldungen über massive Probleme mit dem Dengue-Fieber kommen aus Lateinamerika und der Karibik. Seit Beginn des Jahres haben regionale Gesundheitsbehörden bereits mehr als 3,5 Millionen Fälle und tausende Tote verzeichnet. Wie ein Sprecher der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) mitteilte, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit die bislang schlimmste Dengue-Saison in der Region. Knapp 300 Menschen starben an Folgen der Krankheit. Die Fallzahlen sind dreimal so hoch wie im Vorjahr, erklärte die PAHO.
Besonders betroffen ist aktuell neben Brasilien auch Argentinien. Am 7. März informierten die Behörden über mehr als 50.000 bestätigte Fälle und 37 Tote. „Wir müssen damit rechnen, dass die Krankheit mittlerweile endemisch geworden ist“, erklärte der Staatssekretär für medizinische Grundversorgung der Hauptstadt Buenos Aires, Gabriel Battistella. Mittlerweile seien die Temperaturen aufgrund des Klimawandels so weit gestiegen, dass die Eier der Gelbfiebermücke, die die Krankheit überträgt, die milden Winter überleben.
In Brasilien riefen bereits 17 Städte den medizinischen Notstand aus. Auch in der argentinischen Provinzhauptstadt Córdoba sprechen Mediziner bereits von überfüllen Krankenhäusern.
In Bangladesch kam es Anfang Oktober 2023 zum schlimmsten Dengue-Ausbruch seit Statistikbeginn. Inzwischen sind mehr als 1.000 Menschen an der Krankheit gestorben. Die Todeszahl sei deutlich höher als in den Vorjahren, hieß es aus dem Gesundheitsministerium in Dhaka. 2022 wurden demnach 281 Todesfälle erfasst, im Jahr davor 105. Für das Jahr 2020 sind nur sieben Tote registriert. Die Statistik reicht bis ins Jahr 2000 zurück. Insgesamt habe es in diesem Jahr bereits mehr als 206 000 bestätigte Dengue-Fälle gegeben, hieß es weiter.
Anfang 2023 war in Bolivien das Dengue-Fieber ausgebrochen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums waren bis Mitte Februar des Jahres mindestens 26 Menschen an der Krankheit gestorben.
Warum wird Dengue in Deutschland und anderen europäischen Ländern zur Gefahr?
Das liegt vor allem am Klimawandel. Laut dem Robert Koch-Institut erhöht die globale Erwärmung das Risiko für Infektionskrankheiten in Deutschland. Wärmere Temperaturen hierzulande führen demnach unter anderem dazu, dass krankheitserregende Bakterien sich besser vermehren können - und sich Tiere, die Erreger von Infektionskrankheiten übertragen können, ausbreiten.
Schon jetzt wirkten sich gestiegene Temperaturen auf die Verbreitung einiger hierzulande untypischer Tiere aus, sagt der RKI-Epidemiologe Klaus Stark. Das gelte für bestimmte Zeckenarten, aber auch für die Asiatische Tigermücke – und diese kann Dengue-Fieber, Gelbfieber oder auch das Zika-Virus auf Menschen übertragen.
In Deutschland kommt die Asiatische Tigermücke mittlerweile in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, aber auch stellenweise in Fürth, Jena und Berlin vor. Sie wird zum Teil mit komplexen Methoden bekämpft.
Eine Übertragung von Dengue-Viren ist in Deutschland bislang noch nicht festgestellt worden. Laut dem RKI handelt es sich bei den über 1.000 Erkrankungen jährlich um eingeschleppte Infektionen, meist aus Südostasien.
In anderen europäischen Ländern sind hingegen bereits Ansteckungsfälle festgestellt worden, zuletzt im Spätsommer 2023 in Italien am Gardasee. Auch in Frankreich, Spanien, Portugal und Kroatien habe es diese bereits gegeben, sagt Carsten Köhler, Leiter des Kompetenzzentrums Tropenmedizin für Baden-Württemberg am Uniklinikum in Tübingen.
"Seit 2010 werden in südeuropäischen Ländern regelmäßig einzelne Übertragungen des Dengue-Virus registriert", berichtet der Mediziner Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des Centrums für Reisemedizin in Düsseldorf. Auf der vor Marokkos Küste liegenden portugiesischen Insel Madeira sei das Virus mittlerweile sogar dauerhaft heimisch.
Welche Symptome deuten auf eine Dengue-Infektion hin?
Die Inkubationszeit ist eher kurz und beträgt vier bis sieben Tage. Dengue-Fieber wurde früher Knochenbrecher-Fieber genannt, weil es starke Gliederschmerzen verursachen kann. Weitere häufige Anzeichen einer Dengue-Infektion sind hohes Fieber, Kopfschmerzen sowie Hautausschlag.
In seltenen Fällen kann die Krankheit auch zu schweren Blutungen, Organversagen und sogar zum Tod führen. Doch tödliche Verläufe seien sehr selten, betont der Tropenmediziner Carsten Köhler. In einer Vielzahl der Fälle verlaufe die Erkrankung ohne Symptome: Rund 80 Prozent der Betroffenen wissen dementsprechend gar nicht, dass sie krank sind.
Wer die Krankheit mit Symptomen hat, muss mit drei bis sieben Tagen Unwohlsein rechnen. Köhler empfiehlt Ruhe, viel trinken und gegebenenfalls die Einnahme von Schmerzmitteln.
Wem es allerdings sehr schlecht geht, der sollte unbedingt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen: Warnsignale sind vor allem anhaltendes Erbrechen, Luftnot, Schleimhautblutungen, eine vergrößerte Leber, aber auch Verhaltensänderungen wie Lethargie oder Unruhe, sagt der Reisemediziner Tomas Jelinek.
„Dengue ist keine harmlose Virusinfektion“, betont Sebastian Ulbert, Abteilungsleiter Impfstoffe und Infektionsmodelle am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie Leipzig. „Es gibt keine wirksame antivirale Therapie.“ Besonders kleine Kinder seien gefährdet.
„Natürlich kann man Patienten in guten Gesundheitssystemen wie bei uns besser stabilisieren“, so Ulbert: „Doch insbesondere bei den seltenen schweren Fällen von Dengue-Fieber kann man wenig machen. Deswegen ist Dengue auch für uns eine sehr gefährliche Krankheit.“
Wie kann man sich gegen das Dengue-Virus schützen?
Gegen Dengue gibt es zwei zugelassene Impfstoffe, von denen aber nur einer für die breitere Anwendung taugt, wie Carsten Köhler vom Kompetenzzentrum Tropenmedizin für Baden-Württemberg sagt.
Der erste - Dengvaxia von Sanofi - ist aufgrund von Komplikationen bei Gesunden, die noch nicht infiziert waren, mittlerweile auf Personen im Alter von 9 bis 45 Jahren beschränkt, die in einem Endemiegebiet leben und zuvor bereits eine Dengue-Infektion durchgemacht haben. Der zweite - Qdenga von Takeda - wurde erst im Dezember 2022 durch die EU-Kommission zugelassen; er hat weniger Nebenwirkungen.
Eine neue Methode der Bekämpfung des Virus verläuft über das natürlich vorkommende Wolbachia-Bakterium. Australische Forscher konnten nachweisen, dass Wolbachia die Dengue-Viren blockiert. Bei den befallenen Mücken sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie Viren auf den Menschen übertragen.
In Brasilien wird aktuell verstärkt in diesem Bereich geforscht. Im kommenden Jahr wird dort eine neue Mückenfarm eröffnet, die größte der Welt. 70 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer sollen in den kommenden zehn Jahren durch die Wolbachia-Methode geschützt werden. In der Stadt Niterói konnten die Dengue-Fälle um 70 Prozent reduziert werden. Derzeit vermelden sie hier viermal weniger Dengue-Fälle als die Nachbarstadt Rio de Janeiro. Allerdings gibt es auch Kritik. Einige Forschende glauben, das Virus werde früher oder später einen Weg finden, den Wolbachia-Effekt zu überwinden.
Ansonsten empfehlen Tropenmediziner, wachsam zu sein und sich möglichst nicht von Mücken in Risikogebieten stechen zu lassen. Die übertragenden Mücken sind vor allem tagaktiv – hier helfen Anti-Mückensprays, Fliegengitter an Fenstern und lange Hosen sowie langärmelige Oberbeleidung.
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