Es ist der erste Weihnachtstag 2016 als die türkische Zeitung Sabah erstmals von einem Haftbefehl gegen Deniz Yücel berichtet. Der Korrespondent hatte zuvor Artikel über eine Hackergruppe geschrieben, die brisante Mails des türkischen Energieministers Berat Albayrak öffentlich gemacht hatte, ein Schwiegersohn Erdogans. Yücel taucht unter. Wie sich später herausstellte, hatte er für etwa einen Monat Zuflucht auf dem Gelände der Sommerresidenz der deutschen Botschaft am Ufer des Bosporus gefunden.
Am 14. Februar stellt sich Yücel der Polizei, die daraufhin seine Istanbuler Wohnung durchsucht. Zunächst bleibt er in Polizeigewahrsam. Die Bundesregierung appelliert an die Türkei, rechtsstaatliche Regeln einzuhalten.
Erdogan bezeichnet Deniz Yücel als deutschen Agenten und PKK-Vertreter
Am 27. Februar ordnet ein Richter Untersuchungshaft an. Begründung: Aufwiegelung der Bevölkerung und Propaganda für eine terroristische Vereinigung. Vor allem durch ein Interview mit dem amtierenden Chef der als Terrororganisation verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Yücel wird in das Hochsicherheitsgefängnis Silvri außerhalb Istanbuls verlegt - Einzelhaft. Nahe Angehörige und Anwälte darf er nur für wenige Stunden in der Woche sehen, Kontakt zu anderen Gefangenen ist nicht möglich. Anfang März bezeichnet der türkische Staatspräsident Erdogan Yücel als Vertreter der PKK und deutschen Agenten. Am 4. April darf ihn erstmals der Deutsche Generalkonsul in Istanbul, Georg Birgelen, in Silviri besuchen. Dessen Eindruck: Dem Häftling geht es den Umständen entsprechend gut.
Denzi Yücel freut sich über öffentliche Anteilnahme
Kurz darauf heiratet Deniz Yücel im Gefängnis die Filmproduzentin Dilek Mayatürk. Als Ehefrau darf sie ihn nun häufiger sehen, immer montags - wenn auch meist durch eine Glasscheibe getrennt. Der 44-Jährige liest und schreibt viel im Gefängnis, freut sich über Solidaritätsbekundungen aus der Türkei und Deutschland. Yücels Anwälte legen Beschwerde gegen seine Haft beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein und beim türkischen Verfassungsgericht. Anfang Dezember, nach fast zehn Monaten, wird die Einzelhaft gelockert. Yücel darf jetzt tagsüber einen anderen Gefangenen treffen.
Ende November reicht das türkische Justizministerium seine Stellungnahme zum Fall Yücel beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Anfang Januar beim türkischen Verfassungsgericht ein. Worauf Deniz Yücel auch nach einem Jahr hinter Gittern noch immer warten muss, ist eine Anklageschrift.