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Denkende Maschinen

Bei den Arbeiten im havarierten japanischen Kernkraftwerk Fukushima kamen Roboter zum Einsatz. Allerdings drang nur wenig darüber nach außen, wie effektiv und autonom diese Maschinen funktionieren. Darüber wurde nun umso mehr auf der Wiener Messe "CogSys" diskutiert.

Von Mariann Unterluggauer |
    Was Wissenschaftler der Robotik mit Kognitionswissenschaftlern und Computerlinguisten gemeinsam haben, das zeigte die Tagung CogSys in Wien auf: Robotiker setzen sich damit auseinander, wie Roboter mechanisch funktionieren, Kognitionswissenschaftler bringen ihnen Emotionen und Verhalten bei und Computerlinguisten die Sprache. Bis in die 1990er-Jahre fasste man diese Bereiche unter dem Begriff "künstliche Intelligenz" zusammen. Heute redet Geert-Jan Kruijff lieber über "akzeptable Intelligenz", und das, obwohl sein Arbeitgeber in Saarbrücken die alte Bezeichnung beibehalten hat und sich "Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz GmbH" nennt.
    "Wir müssen nicht nur erforschen, wie ein Roboter für sich alleine funktioniert, sondern wie er sich in einer komplexen, sozialen Umgebung verhält. Die Umwelt stellt an eine Maschine eine ganz andere Herausforderung und zeigt uns, was die Maschine kann oder lieber bleiben lassen soll."

    Dieser Ansatz gilt als europäischer Ansatz. Wer auf der CogSys den neuesten Hype der Robotik erwartet hat, war fehl am Platz. Die Wissenschaftler präsentierten keine Produkte für morgen, sondern zeigten den langsamen Prozess einer mühsamen Entwicklung auf.

    "Dieser Ansatz hat dazu beigetragen, dass sich dieses Forschungsfeld in Europa etablieren konnte. Es hat uns als Europa bis zur Weltspitze gebracht. Wir dienen jetzt als Vorbild für die Amerikaner. Vielleicht auch für die Japaner, aber für die Amerikaner jedenfalls. In Europa sind wir jetzt so weit, dass wir uns Folgendes überlegen können: Wie entwickelt man Roboter, die in der Wirklichkeit nutzbar sind?"

    Forschungslabors sind eine Sache, der Einsatz im Alltag eine andere. Das mussten die Wissenschaftler letztes Jahr in Fukushima erkennen. Beim Einsatz der Roboter zur Erkundung der Situation in den zerstörten Reaktorblöcken herrschten laut Kruijff schlechte Sichtverhältnisse. Erst als ein Team mit Robotern unterschiedlicher Bauart zusammengestellt worden war, konnten die Verluste in den Reihen der maschinellen Späher reduziert werden.

    "Wir versuchen jetzt ein ähnliches Setup zu verwirklichen. Das funktioniert auch schon, aber wir wollen es so weit bringen, dass die einzelnen Umgebungsdarstellungen, die jeder Roboter für sich selbst macht, sinnvoll miteinander verknüpft werden können."

    Der Einsatz von autonom handelnden Robotern ist eine Frage des Vertrauens. Die Herausforderungen sind vergleichbar mit den Problemen, denen Menschen bei der Teambildung ausgesetzt sind.

    "Man muss eben wissen, dass jeder, ob Mensch oder Roboter, die Realität aus seiner eigenen Perspektive erfährt. Darüber muss man erst einmal hinwegkommen. "

    Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Roboter bei ihren Erkundungsmissionen in Tunneln und Reaktoren in einem schwierigen Gelände bewähren müssen. Das verändere die Wahrnehmung, meint der niederländische Kognitionswissenschaftler. Deshalb sei man dazu übergegangen, Roboter nicht nur mit einem Kompass auszustatten, sondern auch mit einem Kreiselinstrument, einem Gyroskop. Damit lässt sich besser beurteilen, in welcher Position sich ein Roboter befindet und aus welchem Blickwinkel die Maschine gerade ihre Umgebung wahrnimmt."

    Das ist so ein Ding, das man auch in einem Smartphone vorfindet.

    An die 200 Personen besuchten die Tagung CogSys an der Technischen Universität Wien. Es war kein einziger Roboter zu sehen, aber viel über die Interaktionen zwischen Robotern untereinander und zwischen Robotern und Menschen zu erfahren. Oft zitierte Beispiele für den Einsatz von Robotern sind die Alten-, Kranken- und Kinderbetreuung. Der Roboter als Pfleger und Spielgefährte. Davon hielt das Gros der Wissenschaftler hier in Wien aus zwei Gründen wenig: Erstens sind Roboter hoch spezialisierte Wesen und nicht für eine so breite, flexible Anwendung geeignet. Zweitens ist die Haftungsfrage ungeklärt. In einem sowieso schon demolierten Reaktor können Roboter keine Kollateralschäden mehr anrichten.