Vor Ort-Begehung im Sportzentrum Blumengarten in Ingelheim am Rhein. Bürgermeisterin Eveline Breyer überlegt zusammen mit Erkan Kilic, Leiter Abteilung Soziales und Sport, und Noah Schönel, Projektreferent Sport- und Freizeitpark Ingelheim, wie das Gelände attraktiver werden kann.
Viele Sportmöglichkeiten gibt es hier schon: einen Sportplatz, einen Kunstrasenplatz, Beachvolleyball-Felder, Minigolf, Boule. Und Bürgermeisterin Breyer ist wichtig, dass die Sportanlagen auch für alle zugänglich sind. Deswegen sind die Sportanlagen nicht abgeschlossen:
„Dieses Einzäunen von allem und Aussperren, das war die Rückmeldung von allen Altersgruppen, dass sie gesagt haben, wir wollen die Räume nutzen. Und wenn ihr sie zumacht, wegen der paar Leute, die randalieren, können wir das nicht so nutzen, wie wir es gerne würden. Und seitdem versuchen wir, so viel wie möglich wieder zu öffnen.“
Sport machen soll niederschwellig und für jeden einfach zugänglich sein
Aber die Stadt hat größere Pläne. Sie hat eine Studie in Auftrag gegeben, unter anderem wurden die Bevölkerung und die Sportvereine nach ihren Wünschen gefragt. Das Gelände am Blumengarten soll zu einem großen Sportpark werden, u.a. mit einer neuen modernen Halle und mit weiteren Möglichkeiten, im Freien Sport zu treiben.
Darüber hinaus möchte CDU-Politikerin Breyer ganz Ingelheim in eine bewegte Stadt umbauen. Dafür soll es miteinander verbundene Bewegungsangebote geben, die für jeden einfach zugänglich sind. Zum Beispiel ein Verleih von Bällen und Sportequipment direkt vor Ort.
„So, das lässt hier rausziehen. Und dann hast du hier alles Mögliche zum Fitnessmachen. Wir haben sogar eine Musikbox, mit der man sein Handy verbinden kann…“
Auf der großen Sportanlage in Ingelheim steht auch eine Sportbox des DOSB. Mit einer App lässt sie sich öffnen. 150 solcher Sportboxen gibt es in Deutschland.
Bundesweiter Masterplan für Bewegung fehlt
Einen flächendeckenden Masterplan für mehr Bewegungsstädte bundesweit gibt es aber nicht. „Das gab's mal, und zwar in den 70er-Jahren mit der Trimm-dich-Bewegung“, erinnert sich Christian Siegel. Er ist beim DOSB für die Politische Interessenvertretung im Bereich Stadt- und Freiraumentwicklung zuständig.
„Und unsere Aufgabe ist es immer wieder, dafür Sorge zu tragen, dass es bei den Kommunalverantwortlichen eine Berücksichtigung findet. Das ist in der Tat dickes Holz, und wir versuchen, das sozusagen in die jeweiligen Förderprogramme und Förderlinien - weil es läuft auch oft vieles über Geld - zu installieren.“
Schon Wiesen können zur Bewegung einladen
Eine bewegungsfreundliche Stadt muss aber gar nicht viel kosten: „Das Problem sind eher kleine Dinge wie: Sind da Bänke, sind da Abfalleimer, ist da vielleicht auch eine sanitäre Anlage dabei?", sagt Robin Kähler, Experte für Sportentwicklungs- und Sportstättenplanung. Mit einer einfachen Infrastruktur könne schon eine Wiese zur Bewegung einladen.
Außerdem müsse man die vorhandenen Räume besser nutzen:
„Wir haben genug, wir müssen nicht mehr haben als das. Aber wir nutzen es falsch. Und die Nutzung muss letztlich wirklich auch stärker nach den Bedürfnissen der Menschen sein. Das heißt, wir müssen inhaltlich auch darangehen. Das bedeutet zum Beispiel, die Schulhöfe auch wirklich zu öffnen, aber sie erst einmal so zu ertüchtigen, dass sie auch für Bewegung sinnvoll sind.“
Bewegungsangebote müssen weder teuer noch aufwendig sein
Zum Beispiel, indem man auf einen für Skateboards und Rollen geeigneten Bodenbelag achtet. Oft sind solche Maßnahmen weder teuer noch aufwändig. Es brauche auch keine hochmodernen Anlagen und schon gar keine neugebauten Dreifachhallen, sagt Kähler.
Denn die Bewegungswelt habe sich verändert. Sie ist weniger sportartspezifisch, mehr selbstorganisiert und vielfältiger geworden. Alte, gut erhaltene Anlagen kann man für Trendsportarten aufwerten und ergänzen.
Mehrgenerationenspielplatz in Ingelheim
In Ingelheim entsteht gerade ein Mehrgenerationenspielplatz:
„Er ist zum einen barrierefrei, das heißt, es können ihn mit Rollatoren und Rollstühlen und Kinderwagen alle benutzen. In diesem Bereich wird ja dieses Outdoor-Fitnessstudio entstehen, was sich vor allem die Jugendliche und Erwachsene gewünscht haben. Es gibt einen Kleinkinderbereich. Und in dem hinteren Bereich da wird eine Wiese entstehen, wo man einfach machen kann, was man möchte. Vom Bolzen bis Yoga ist alles möglich.“
Bürgermeisterin Breyer nennt das soziale Nachhaltigkeit: alle relevanten Zielgruppen einbinden, vielfältig und inklusiv denken, über Generationen hinweg, sodass neben der Bewegung auch ein sozialer Kontakt entsteht.
Sportpark Styrum - ein Sportpark für alle
Vorbilder gibt es dafür schon – zum Beispiel den Sportpark Styrum in Mülheim an der Ruhr. „Wir wollten halt eine Fläche entstehen lassen, die wirklich für alle ist.“
Johannes Michels vom Mülheimer SportService ist Initiator des Sportpark Styrum. Früher war hier ein Bolzplatz, kaum genutzt und in schlechtem Zustand. Jetzt sind hier eine Sandfläche für Beachvolleyball, Weitsprung und Bouldern. Es gibt Fitnessgeräte, Tischtennisplatten und Kickertische, Klettergerüste, Wiesen, integrierte Leichtathletikanlagen und in der Mitte eine große Freilufthalle. Um das Gelände läuft eine 500 m Bahn.
Fehlertoleranz und Bürgerbeteiligung wichtig
Vormittags nutzen Schulen und Kitas die Anlage, nachmittags Freizeitsportler und der Vereinssport. Der Sportpark wurde mit den Zielgruppen gemeinsam gestaltet. Das Geld kam aus vielen verschiedenen Töpfe: Von den knapp 4 Millionen Euro hat die Stadt nur zehn Prozent selbst gezahlt.
Vieles könne man nicht von Beginn an vorausplanen, so Michels. Der Sportpark ist in Etappen entstanden und immer weiter verbessert worden:
„Ich würde gerne Mut aussprechen. Grundsätzlich finde ich es gut, offene kostenfreie Angebote für die Bürgerschaft zu haben, wo jetzt nicht Geld beispielsweise eine Barriere ist. Das sind halt auch alle Steuerzahler und warum sollen die nicht auch ihren Sport ausüben können?“