"In "Heimatland. Kindheit", wo ich über meine eigene Kindheit schreibe und meine eigenen ersten Lebenserfahrungen, war es wichtig, eine kleine Distanz herzustellen – deshalb habe ich lieber "er" geschrieben ..."
Edvard Hoem nimmt Zuflucht zur dritten Person und deklariert "Heimatland. Kindheit" als Roman – doch in Wirklichkeit handelt es sich um den ersten Teil seiner Schriftsteller-Biographie, um das Selbstporträt des Künstlers als Kind.
Dass Edvard Hoem, der in diesem Jahr 60 wird, heute zu den bekanntesten Autoren Norwegens zählt, verdankt er einer weiteren privaten Rückblende – der 2005 erschienenen "Geschichte von Mutter und Vater". Hoem unternahm darin das Wagnis, über seine eigenen Eltern und ihre nicht aus Liebe geschlossene, gleichwohl glückliche Ehe zu schreiben: Der Vater heiratete die Mutter, um sie vor Schande und Ausgrenzung zu bewahren – denn sie hatte ein Kind mit einem deutschen Besatzungssoldaten, der sie sitzenließ und nicht, wie versprochen, mit nach Deutschland nahm.
Als Edvard Hoem die Geschichte seiner Eltern öffentlich machte, brach er ein Tabu: Über die sogenannten "Deutschenkinder" und ihre Mütter wurde in Norwegen nicht gesprochen – auch nicht in seiner eigenen Familie. Edvard Hoem hat einmal gesagt, dieses lastende Geheimnis, dieses Unausgesprochene habe ihn wahrscheinlich zum Schriftsteller gemacht – damit er eines Tages diese Geschichte erzählen konnte.
Doch die Zeit schien reif zu sein für das Thema – das Buch wurde in Norwegen ein Bestseller: 70 000 verkaufte Exemplare bei gerade einmal fünf Millionen Einwohnern!
20 Jahre vor der "Geschichte von Mutter und Vater" ist "Heimatland. Kindheit" entstanden – in deutscher Sprache erscheint es also mit fast einem Vierteljahrhundert Verspätung. Der Frische, dem Mut dieser Kindheitserzählung, tut das keinen Abbruch.
1949 kommt Edvard Hoem als erstes der sechs gemeinsamen Kinder seiner Eltern auf einem abgelegenen kleinen Hof an der norwegischen Westküste zur Welt. Nach dem Willen des Großvaters und dem ungeschriebenen Bauerngesetz soll der Junge später den Hof erben – doch der kleine Edvard disqualifiziert sich bald für die ihm zugedachte Rolle: Die Arbeit auf dem Hof interessiert ihn nicht, sie erscheint ihm unschön und hart.
Dafür lernt er vor der Zeit lesen und schreiben, er schaut es sich bei seiner vier Jahre älteren Halbschwester, dem "Deutschenkind", ab. Wenn sie ihre Hausaufgaben macht, liegt der kleine Bruder bäuchlings auf dem Tisch und lernt "über Kopf" mit. In der Schule wird er zum Außenseiter, die Gemeinschaft der Dorfkinder verzeiht ihm den intellektuellen Vorsprung nicht. Es gibt auch nichts, womit er in ihren Augen für Ausgleich sorgen könnte – nicht einmal Skifahren kann er.
Das wäre nun die klassische Ausgangslage für Depression und lebenslange Minderwertigkeitsgefühle. Doch der Junge bleibt heiter – und er bleibt bei sich: Er lebt in seinen Träumen und liest, was er finden kann. Wie viele phantasiebegabte Kinder macht er eine Phase religiöser Schwärmerei durch. Eine Zeitlang will er sogar Missionar werden. Aber ...
Wer Missionar werden wollte, musste fremde Sprachen lernen, um zu wissen, wie andere Brot des Lebens und Baum des Lebens sagten. ... Der verlorene Hoferbe begriff, dass er sich ans Sprachenlernen machen musste und dass es eilte. ... Er fand ein Lehrbuch für Deutsch, das der Vater noch aus jenen Tagen aufbewahrte, als er den Realschulabschluss hatte machen wollen. Abends saß er in einer Ecke der Küche und lernte. Immer wieder paukte er die langen Hilfsverbregeln, die über viele Seiten gingen. Der Vater und die Mutter freuten sich über seinen Wissensdurst. Der Großvater aber, der nie die geringste Berührung mit Fremdsprachen gehabt hatte, ärgerte sich über dieses Kauderwelsch und Gestammel. Als es kein Ende damit nahm, dass der Junge sinnlose Laute hervorstieß, wurde er richtig böse:
"Der Bub muss sofort mit diesem Hatte-Quatsch aufhören!" rief er. "Nehmt ihm das Buch weg, sage ich! Das schadet seinem Verstand! Jetzt war ich draußen und habe die Axt geschärft, und er sitzt immer noch auf dem Boden und lallt 'Hattegehabt'!"
"Na, das kann nicht so schlimm sein", sagte der Vater, "das ist doch nur Deutsch!"
"Ich verlange, dass du ihm das Buch wegnimmst!" unterbrach ihn der Großvater heftig. "Ich sehe nicht ruhig mit an, wie er den Verstand verliert!"
Trotz des erschwerten Fremdsprachenerwerbs kann man die Umgebung des Jungen nicht "bildungsfern" nennen. Denn sein Großvater und sein Vater prägen das Familienleben mit ihrer tiefen, unorthodoxen, ja geradezu urprotestantischen Frömmigkeit.
"Die Bibel war in meiner Kindheit sehr wichtig. Mein Vater war ja auch Laienprediger, und wenn er zu Hause war, hat er fast täglich aus der Bibel vorgelesen. Wir waren eine religiöse Familie, aber nicht sehr streng, ... es war eine gute Stimmung bei uns, eine leichte Stimmung, muss ich sagen. Mein Vater war auch ein sehr humoristischer Kerl. Aber meistens war er nicht zu Hause, sondern auf langen Reisen durch Norwegen, um Gottes Wort zu predigen. Später, als ich erwachsen wurde, habe ich den Glauben verlassen und für 15 Jahre überhaupt keine Kirchen und religiösen Gemeinden aufgesucht. Aber wenn ich jetzt lese, was ich damals geschrieben habe, hatte die biblische Sprache einen großen Einfluss auf meine Bücher. Ich glaube, das steckt sehr tief."
Mit 14 schlägt Edvard Hoem das Hoferbe endgültig aus und zieht allein in die Stadt. Er will die höhere Schule besuchen und Lesen und Schreiben zu seinem Beruf machen. Am Ende des Buches betritt der Junge das Zimmer, in dem er die nächsten Jahr wohnen wird. Er tritt buchstäblich in das ersehnte neue Leben ein – und ihn befällt schwindelerregend die Ahnung, wie schwer der Weg sein wird, den er sich ausgesucht hat.
Er stellte die Koffer ab. Da passierte es. Die Welt drehte sich. Er hatte überhaupt keinen Halt. Jetzt hatte er es getan. Er schwebte in einem leeren Universum und niemand konnte hören, dass er rief. Er war ein normaler, tüchtiger, ängstlicher Junge, der allein zurechtkommen wollte, aber nichts hatte, um sich zu beweisen. Ihm musste etwas einfallen, er sah sich verzweifelt um. ... Er musste etwas schreiben, irgendetwas, mit Worten auf Papier würde er die Schatten vertreiben, die durch ihn hindurchjagten.
Er findet nichts, worüber er schreiben könnte und läuft in Panik auf die Straße hinaus. Er glaubt, dass er nichts zu schreiben habe, weil er aus einer so rückständigen Gegend, weil er vom Dorf kommt. So beschließt der angehende Dichter als erstes, seine Heimat gründlich zu vergessen. Jahrzehnte später erweist sich die ländliche Herkunft für den Schriftsteller, der aus ihm geworden ist, als schier unerschöpflicher Schatz.
Wie in der "Geschichte von Mutter und Vater" geht Edvard Hoem auch in "Heimatland. Kindheit" über Persönliches und Familiäres hinaus. Mit der Geschichte seiner Eltern holte er ein Stück verdrängter, totgeschwiegener Vergangenheit ins Bewusstsein seiner Landsleute zurück. In seinen Kindheitserinnerungen ist er der Chronist einer noch archaisch-einfachen bäuerlichen Lebensweise und des radikalen Umbruchs, den sie Mitte/Ende der 50er-Jahre erfährt: Die Dörfer werden ans Stromnetz angeschlossen, Maschinen und Traktoren halten Einzug, bald stehen die ersten Autos auf dem Hof.
"Es gibt erstaunlich viele Menschen meines Alters, die das erlebt haben. Wir stammen in gewisser Weise aus dem 19. Jahrhundert. Wir haben eine große Zeitenwende erlebt ... von der prä-modernen zu modernen und postmodernen Welt. In meiner frühen Kindheit kamen die Menschen nie aus dieser Gegend heraus, sie kamen nie nach Oslo. Die meisten gingen nicht zur Schule, sie waren Seeleute oder Fischer. Manche von ihnen kannten Shanghai besser als Oslo."
Edvard Hoems "Heimatland. Kindheit" ist auch eine Verneigung vor der Lebensleistung seiner Eltern und Großeltern, besonders vor der seiner unermüdlich und klaglos arbeitenden Mutter. Kristine Hoem versorgte das Vieh, backte Brot für den Elf-Personen-Haushalt, pflegte viele Jahre ihren gelähmten Schwiegervater, strickte ihren Kindern auf der Maschine warme Pullover, die sie ihnen nie hätte kaufen können. Sie bewirtete Gäste mit
Kaffee und Kuchen und überflutete regelmäßig das Haus mit Wogen grüner Seife, denn es sollte immer alles sauber sein. Ihre größte Leistung aber war, den Ältesten, der nicht zum Hoferben taugte, ziehen zu lassen und ihm kein schlechtes Gewissen zu machen. Dafür hat er ihr in "Heimtland. Kindheit" ein Denkmal gesetzt.
Edvard Hoem, Heimatland. Kindheit. Roman.
Aus dem Norwegischen von Ebba D. Drolshagen. Insel Verlag. 215 Seiten
Edvard Hoem nimmt Zuflucht zur dritten Person und deklariert "Heimatland. Kindheit" als Roman – doch in Wirklichkeit handelt es sich um den ersten Teil seiner Schriftsteller-Biographie, um das Selbstporträt des Künstlers als Kind.
Dass Edvard Hoem, der in diesem Jahr 60 wird, heute zu den bekanntesten Autoren Norwegens zählt, verdankt er einer weiteren privaten Rückblende – der 2005 erschienenen "Geschichte von Mutter und Vater". Hoem unternahm darin das Wagnis, über seine eigenen Eltern und ihre nicht aus Liebe geschlossene, gleichwohl glückliche Ehe zu schreiben: Der Vater heiratete die Mutter, um sie vor Schande und Ausgrenzung zu bewahren – denn sie hatte ein Kind mit einem deutschen Besatzungssoldaten, der sie sitzenließ und nicht, wie versprochen, mit nach Deutschland nahm.
Als Edvard Hoem die Geschichte seiner Eltern öffentlich machte, brach er ein Tabu: Über die sogenannten "Deutschenkinder" und ihre Mütter wurde in Norwegen nicht gesprochen – auch nicht in seiner eigenen Familie. Edvard Hoem hat einmal gesagt, dieses lastende Geheimnis, dieses Unausgesprochene habe ihn wahrscheinlich zum Schriftsteller gemacht – damit er eines Tages diese Geschichte erzählen konnte.
Doch die Zeit schien reif zu sein für das Thema – das Buch wurde in Norwegen ein Bestseller: 70 000 verkaufte Exemplare bei gerade einmal fünf Millionen Einwohnern!
20 Jahre vor der "Geschichte von Mutter und Vater" ist "Heimatland. Kindheit" entstanden – in deutscher Sprache erscheint es also mit fast einem Vierteljahrhundert Verspätung. Der Frische, dem Mut dieser Kindheitserzählung, tut das keinen Abbruch.
1949 kommt Edvard Hoem als erstes der sechs gemeinsamen Kinder seiner Eltern auf einem abgelegenen kleinen Hof an der norwegischen Westküste zur Welt. Nach dem Willen des Großvaters und dem ungeschriebenen Bauerngesetz soll der Junge später den Hof erben – doch der kleine Edvard disqualifiziert sich bald für die ihm zugedachte Rolle: Die Arbeit auf dem Hof interessiert ihn nicht, sie erscheint ihm unschön und hart.
Dafür lernt er vor der Zeit lesen und schreiben, er schaut es sich bei seiner vier Jahre älteren Halbschwester, dem "Deutschenkind", ab. Wenn sie ihre Hausaufgaben macht, liegt der kleine Bruder bäuchlings auf dem Tisch und lernt "über Kopf" mit. In der Schule wird er zum Außenseiter, die Gemeinschaft der Dorfkinder verzeiht ihm den intellektuellen Vorsprung nicht. Es gibt auch nichts, womit er in ihren Augen für Ausgleich sorgen könnte – nicht einmal Skifahren kann er.
Das wäre nun die klassische Ausgangslage für Depression und lebenslange Minderwertigkeitsgefühle. Doch der Junge bleibt heiter – und er bleibt bei sich: Er lebt in seinen Träumen und liest, was er finden kann. Wie viele phantasiebegabte Kinder macht er eine Phase religiöser Schwärmerei durch. Eine Zeitlang will er sogar Missionar werden. Aber ...
Wer Missionar werden wollte, musste fremde Sprachen lernen, um zu wissen, wie andere Brot des Lebens und Baum des Lebens sagten. ... Der verlorene Hoferbe begriff, dass er sich ans Sprachenlernen machen musste und dass es eilte. ... Er fand ein Lehrbuch für Deutsch, das der Vater noch aus jenen Tagen aufbewahrte, als er den Realschulabschluss hatte machen wollen. Abends saß er in einer Ecke der Küche und lernte. Immer wieder paukte er die langen Hilfsverbregeln, die über viele Seiten gingen. Der Vater und die Mutter freuten sich über seinen Wissensdurst. Der Großvater aber, der nie die geringste Berührung mit Fremdsprachen gehabt hatte, ärgerte sich über dieses Kauderwelsch und Gestammel. Als es kein Ende damit nahm, dass der Junge sinnlose Laute hervorstieß, wurde er richtig böse:
"Der Bub muss sofort mit diesem Hatte-Quatsch aufhören!" rief er. "Nehmt ihm das Buch weg, sage ich! Das schadet seinem Verstand! Jetzt war ich draußen und habe die Axt geschärft, und er sitzt immer noch auf dem Boden und lallt 'Hattegehabt'!"
"Na, das kann nicht so schlimm sein", sagte der Vater, "das ist doch nur Deutsch!"
"Ich verlange, dass du ihm das Buch wegnimmst!" unterbrach ihn der Großvater heftig. "Ich sehe nicht ruhig mit an, wie er den Verstand verliert!"
Trotz des erschwerten Fremdsprachenerwerbs kann man die Umgebung des Jungen nicht "bildungsfern" nennen. Denn sein Großvater und sein Vater prägen das Familienleben mit ihrer tiefen, unorthodoxen, ja geradezu urprotestantischen Frömmigkeit.
"Die Bibel war in meiner Kindheit sehr wichtig. Mein Vater war ja auch Laienprediger, und wenn er zu Hause war, hat er fast täglich aus der Bibel vorgelesen. Wir waren eine religiöse Familie, aber nicht sehr streng, ... es war eine gute Stimmung bei uns, eine leichte Stimmung, muss ich sagen. Mein Vater war auch ein sehr humoristischer Kerl. Aber meistens war er nicht zu Hause, sondern auf langen Reisen durch Norwegen, um Gottes Wort zu predigen. Später, als ich erwachsen wurde, habe ich den Glauben verlassen und für 15 Jahre überhaupt keine Kirchen und religiösen Gemeinden aufgesucht. Aber wenn ich jetzt lese, was ich damals geschrieben habe, hatte die biblische Sprache einen großen Einfluss auf meine Bücher. Ich glaube, das steckt sehr tief."
Mit 14 schlägt Edvard Hoem das Hoferbe endgültig aus und zieht allein in die Stadt. Er will die höhere Schule besuchen und Lesen und Schreiben zu seinem Beruf machen. Am Ende des Buches betritt der Junge das Zimmer, in dem er die nächsten Jahr wohnen wird. Er tritt buchstäblich in das ersehnte neue Leben ein – und ihn befällt schwindelerregend die Ahnung, wie schwer der Weg sein wird, den er sich ausgesucht hat.
Er stellte die Koffer ab. Da passierte es. Die Welt drehte sich. Er hatte überhaupt keinen Halt. Jetzt hatte er es getan. Er schwebte in einem leeren Universum und niemand konnte hören, dass er rief. Er war ein normaler, tüchtiger, ängstlicher Junge, der allein zurechtkommen wollte, aber nichts hatte, um sich zu beweisen. Ihm musste etwas einfallen, er sah sich verzweifelt um. ... Er musste etwas schreiben, irgendetwas, mit Worten auf Papier würde er die Schatten vertreiben, die durch ihn hindurchjagten.
Er findet nichts, worüber er schreiben könnte und läuft in Panik auf die Straße hinaus. Er glaubt, dass er nichts zu schreiben habe, weil er aus einer so rückständigen Gegend, weil er vom Dorf kommt. So beschließt der angehende Dichter als erstes, seine Heimat gründlich zu vergessen. Jahrzehnte später erweist sich die ländliche Herkunft für den Schriftsteller, der aus ihm geworden ist, als schier unerschöpflicher Schatz.
Wie in der "Geschichte von Mutter und Vater" geht Edvard Hoem auch in "Heimatland. Kindheit" über Persönliches und Familiäres hinaus. Mit der Geschichte seiner Eltern holte er ein Stück verdrängter, totgeschwiegener Vergangenheit ins Bewusstsein seiner Landsleute zurück. In seinen Kindheitserinnerungen ist er der Chronist einer noch archaisch-einfachen bäuerlichen Lebensweise und des radikalen Umbruchs, den sie Mitte/Ende der 50er-Jahre erfährt: Die Dörfer werden ans Stromnetz angeschlossen, Maschinen und Traktoren halten Einzug, bald stehen die ersten Autos auf dem Hof.
"Es gibt erstaunlich viele Menschen meines Alters, die das erlebt haben. Wir stammen in gewisser Weise aus dem 19. Jahrhundert. Wir haben eine große Zeitenwende erlebt ... von der prä-modernen zu modernen und postmodernen Welt. In meiner frühen Kindheit kamen die Menschen nie aus dieser Gegend heraus, sie kamen nie nach Oslo. Die meisten gingen nicht zur Schule, sie waren Seeleute oder Fischer. Manche von ihnen kannten Shanghai besser als Oslo."
Edvard Hoems "Heimatland. Kindheit" ist auch eine Verneigung vor der Lebensleistung seiner Eltern und Großeltern, besonders vor der seiner unermüdlich und klaglos arbeitenden Mutter. Kristine Hoem versorgte das Vieh, backte Brot für den Elf-Personen-Haushalt, pflegte viele Jahre ihren gelähmten Schwiegervater, strickte ihren Kindern auf der Maschine warme Pullover, die sie ihnen nie hätte kaufen können. Sie bewirtete Gäste mit
Kaffee und Kuchen und überflutete regelmäßig das Haus mit Wogen grüner Seife, denn es sollte immer alles sauber sein. Ihre größte Leistung aber war, den Ältesten, der nicht zum Hoferben taugte, ziehen zu lassen und ihm kein schlechtes Gewissen zu machen. Dafür hat er ihr in "Heimtland. Kindheit" ein Denkmal gesetzt.
Edvard Hoem, Heimatland. Kindheit. Roman.
Aus dem Norwegischen von Ebba D. Drolshagen. Insel Verlag. 215 Seiten