Archiv

Denkmalplanung in Köln
Gedenkstätte für NSU-Opfer

Groß, modern, mit WLAN ausgestattet: Gestern wurde der Entwurf für ein Mahnmal für die Kölner NSU-Opfer vorgestellt. Auf einer Grundplatte aus Beton können die Besucher mit ihren Smartphones ein virtuelles Haus entstehen lassen, so die Idee des Künstlers. Der Stadtrat muss dem Entwurf nun zustimmen.

Von Moritz Küpper | 08.11.2016
    Das Repro einer Computergrafik vom Studio Ulf Aminde zeigt am 07.11.2016 in Köln (Nordrhein-Westfalen) den Entwurf für ein Denkmal für die Opfer der NSU-Anschläge in der Kölner Keupstrasse.
    Besucher des Denkmals für die NSU-Opfer in der Kölner Keupstraße werden ein Smartphone benötigen. (dpa/picture-alliance/Oliver Berg)
    Ulf Aminde blickt auf seinen Entwurf.
    "Die Grundidee ist eben das Haus, das mit dieser Nagelbombe angegriffen wurde, die Grundplatte von diesem Haus zu nehmen und es an einem zweiten, anderen, neuen Ort eben diese Grundplatte neu aufzubauen."
    Der im Jahr 1969 geborene Künstler aus Berlin, steht im NS-Dokumentationszentrum in der Kölner Innenstadt. Hier, im zweiten Stock, wurde gerade sein Entwurf präsentiert, der sich gegen acht andere Ideen durchgesetzt hat. Aminde blickt auf den Ausdruck vor ihm:
    "Es sind dann hier so, 6x26 Meter. Das ist relativ viel."
    Denkmal mit mehreren Ebenen
    Aminde ist ein Künstler, der sich mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen beschäftigt. Im Jahr 2006 präsentierte er auf der Biennale eine Filminstallation, bei der er Aufnahmen von verschiedenen Straßenmusikern, die jeweils nur einen einzigen Ton spielen, auf zwölf Monitoren zu einem lärmenden Orchester zusammenbrachte. Titel: "Das Leben ist kein Wunschkonzert". Und auch bei seinem Entwurf beim Denkmal für die Opfer der NSU-Anschläge in Köln hat er in mehreren Ebenen gedacht. Denn: Das massige Betonfundament soll mehr sein, als eben nur ein Fundament:
    "Das wird dann mal plötzlich zu so etwas wie einer Bühne und einem Versammlungsort und einem Treffpunkt und so weiter. Der zweite Teil aber dieses Denkmals besteht eben darin, dass es eben dazu eine App gibt. Es gibt dann eben auch ein WLAN-Netz auch an dieser Betonbodenplatte. In dieser App kann man entlang der Geo-Daten dieser Bodenplatte auf dem Bildschirm virtuelle Wände sehen."
    Die Idee: Das Haus entsteht in den Smartphones der Besucher und bietet damit die Möglichkeit, das Denkmal mit weiteren Inhalten zu füllen. Ein virtuelles Haus eben, so Aminde.
    "Bei dem aber die Wände eben, wie man jetzt hier sieht, aus Filmen bestehen. Und diese Filme wiederrum, die sind kuratiert und entstehen vor allem auch im Kontext der Keupstraße in Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern und den Schulen."
    "Ein Denkmal, was sich selbst erneuert"
    Oder auch mit anderen Interessensgruppen. Erinnerung an die NSU-Mordserie, Filmprojekte über Alltagsrassismus. Es bleibe ein Ort des Wandels, was auch Werner Jung überzeugt hat:
    "Das ist das Tollste, was man finden kann, nämlich ein Denkmal, was sich selbst erneuert."
    Jung ist Direktor des NS-Dokumentationszentrums, das als städtische Dienststelle mit dem Verfahren für ein NSU-Denkmal beauftragt war. Kein leichtes Unterfangen, denn anfänglich waren auch die Bewohner der Keupstraße gegen ein solches Projekt. Für Jung eine besondere Herausforderung:
    "Ein Denkmal muss errungen werden. Jetzt hat man noch die besondere Form, NS-Zeit ist lange her und die Denkmäler, die wir errichten, sind natürlich für Denkmäler, wo Leute schon lange tot sind. Und hier sind die Wunden offen, die Menschen leben und deswegen ist es klar, dass es von vorneherein richtig war, diesen dialogischen Weg zu gehen mit den Menschen."
    Denn: Nachdem zehn Künstler von einer Jury eingeladen wurden, sich an dem Wettbewerb zu beteiligen, begann erst der eigentliche Prozess: Die Künstler wurden auf die Keupstraße eingeladen, diskutierten mit Anwohnern und Opfern des Anschlages, was auch die einst skeptische Meral Sahin, Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Keupstraße, von dem Projekt überzeugte. Denn:
    "Wir uns selber erzählen können, worum es uns geht, was für Vorstellungen die Straße hat. Das war ein bewegender Moment. Zu denken: Mensch, es könnte vielleicht doch etwas werden. Wir sagen es einfach, was wir alles haben wollen und wenn die meinen, die können das realisieren, dann soll es das sein."
    Hohe Resonanz, hohe Ansprüche
    Und die Resonanz, aber auch die Ansprüche waren hoch, so Sahin:
    "Es sollte nicht nur nach hinten gucken und immer wieder auf diese Tat zeigen und den Schmerz wieder hochfahren, sondern es sollte daran arbeiten, es sollte zukunftsweisend sein. Sehr wichtig, dass man einfach das gesellschaftlich verarbeitet, dass man das so nicht lässt, wie es einfach passiert ist, sondern wie machen wir gemeinsam das besser."
    Nun muss sich der Kölner Stadtrat damit auseinandersetzen. Zwar sind die Kosten mit 50.000 Euro für Material und Konzeption relativ gering, doch die Standortfrage ist noch offen, zumal das Projekt mit mindestens 26x6 Metern einen gewissen Raum braucht. Möglichst nahe an der Keupstraße selbst, solle das Denkmal stehen, so alle Beteiligten, das sei ja schließlich der Sinn des Projektes, so Künstler Aminde:
    "Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, die IG Keupstraße haben ihre Hausaufgaben gemacht und jetzt ist die Stadt dran."