Die Südhessin Barbara Bremer ist mit einer Freundin aus Dresden in das moderne Besucherzentrum an den Rand der alten Schiefergrube Messel gekommen. Dass die Grabungen nach den Millionen Jahre alten Fossilien in der Grube in diesem Sommer vom Hessischen Denkmalschutz gestoppt wurden, kann sie nicht verstehen.
"Also, ich meine, es könnte weiter gegraben werden. Ich bin vor acht Jahren hier gewesen, als das Ausstellungsgebäude ein winziges Häuschen gewesen ist. Da konnte man durch das ganze Gelände gehen und die Leute beim Graben beobachten, und das fand ich so faszinierend. Warum eigentlich sollte man mit dem Graben aufhören?"
Diese Frage stellt sich auch die renommierte Naturforschervereinigung Senckenberg in Frankfurt am Main. Sie ist seit Jahrzehnten für die Fossiliengrabungen in der Grube Messel zuständig. Jedes Jahr wird in den Sommermonaten gegraben, rund 100 Wissenschaftler weltweit werten die Funde anschließend im Winter aus. Auch in diesem Jahr war alles für die Grabungen vorbereitet - 20 Geologie-Studenten waren teilweise weltweit für die Arbeit aufgesucht worden.
Doch dann blieb völlig überraschend die Genehmigung der Hessischen Denkmalschutzbehörde in Wiesbaden aus. Stephan Schaal, Leiter der Abteilung "Messel-Forschung" der Senckenberg-Gesellschaft:
"In diesem Jahr haben wir keine positive Antwort bekommen für eine Grabung, sodass wir gezwungen waren, die Studenten abzubestellen."
Genug Fossilien für viele Generationen
Bis zu eine Million Euro Steuermittel gibt die Senckenberg-Gesellschaft jährlich dafür aus, das UNESCO-Welterbe Grube Messel zu sichern. Wasser wird abgepumpt, Zäune repariert, die Zufahrtswege ins Grubeninnere gesichert. Das Ziel dieser Maßnahmen ist jedoch nicht die pure Pflege der Fossiliengrube, die vor Jahrzehnten noch zur Mülldeponie werden sollte. Das Ziel der Sicherungsmaßnahmen ist für die Naturforscher, Skelette von Urpferdchen, Krokodilen oder Insekten in den Schieferplatten zu entdecken und wissenschaftlich zu bewerten.
Auch wenn die UNESCO streng darauf achtet, das ihre Welterbestätten nicht zu sehr verändert werden, müsse doch die wissenschaftliche Arbeit möglich sein, durch die die Weltbedeutung der Grube Messel erst sichtbar werde, fordert Stephan Schaal. Es werde nicht zu viel ausgegraben, betont der leitende Senckenberg-Wissenschaftler:
"Ich denke, die Geschwindigkeit, mit der wir graben und auch die Menge ist eine sehr vernünftige. Also, das Tempo ergibt sich eigentlich daraus: Wie viel berge ich im Sommer, wie viel bin ich im Stande, im Winter zu präparieren? Wie lagere ich auch die Funde, die lange Präparationszeit benötigen? Gleichzeitig müssen wir auch Wissenschaftler haben, die an diesen Funden interessiert sind und sie auch bearbeiten."
Noch zehntausend Jahre Schichten für nachgeborene Forscher
Für mindestens zehntausend Jahre sei beim jetzigen Grabungstempo noch Schiefer mit Fossilien für spätere Wissenschaftlergenerationen vorhanden, glaubt Stephan Schaal.
Die zuständige Landesdenkmalbehörde will nicht selbst Stellung nehmen, sondern verweist auf das hessische Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Ingmar Jung ist dort der zuständige Staatssekretär. Er ist an einer schnellen Beilegung des Konflikts interessiert:
"Weil natürlich diese Grube nicht nur als Grube, nicht nur als Präsentationszweck besteht, sondern gerade ihren besonderen Reiz durch die Forschungserkenntnisse hat, die auch immer wieder neu dort eintreten. Und deswegen hat Senckenberg dort auch eine absolute Sonderstellung und ganz besondere Bedeutung für uns."
Um den Streit zu den Ausgrabungen in der UNESCO-Weltnaturerbe-Stätte Grube Messel beizulegen, soll nun im Herbst ein Symposium stattfinden. Dort sollen sich Landesdenkmalpflege und die Senckenberg-Naturforscher auf ein neues Ausgrabungskonzept für die Grube Messel einigen.
Nächstes Jahr könnten Grabungen wieder möglich sein
Noch ein weiteres Jahr ohne Grabungen schadet der internationalen Messel-Forschung nachhaltig, betont Senckenberg-Abteilungsleiter Stephan Schaal. Das sieht auch das hessische Ministerium für Wissenschaft und Kultur ähnlich. Staatssekretär Ingmar Jung:
"Ich sehe im Moment keinen Grund, warum ich daran zweifeln sollte, dass wir nicht in dem Kolloquium und in der Folge danach zu dem Ergebnis kommen, dass im nächsten Jahr wieder gegraben werden kann. Das ist das klare Ziel, das ist auch das, was gemeinsam vereinbart worden ist. Wir müssen für das nächste Jahr einen Weg finden, wie wir auch wieder gemeinsam dort Forschungstätigkeit und Welterbe-Präsentation schaffen. Und da bin ich sehr zuversichtlich, dass das gelingen wird."
Das würde auch die Besucher am Rand der Grube Messel freuen. Auch sie erwarten einen schnellen Kompromiss zwischen Naturforschern und Denkmalschützern:
"Da wird es schon einem Mittelweg geben."
"Ohne Forschung gibt es keine Chemie, ohne Chemie gibt es keine Tablette, ohne Forschung hier, findet man auch nix. Forschung ist das Wichtigste überhaupt, was es gibt."
"Es ist ja sicher so viel da, dass es für die nächsten Generationen noch reicht."