Dennis wie? Das kommt ja oft vor: Ein Foto hat seinen festen Platz im kollektiven Gedächtnis, aber der Fotograf? Dennis Stock hatte lange keinen großen Namen, aber jeder kannte seinen James Dean auf dem verregneten Times Square: hochgezogene Schultern, den Kopf in den Trenchcoat geduckt, Zigarette im Mund. Dieses Foto ist nur die Spitze eines Eisbergs: Keiner hat den früh verunglückten und daher legendär gewordenen Jungstar so ausgiebig abgelichtet wie Dennis Stock. Eine Freundschaft verband diese beiden schwierigen Charaktere, Stock, 1928 geboren, fuhr mit dem drei Jahre jüngeren Dean sogar nach Indiana und ließ ihn auf der elterlichen Farm seine Jugend re-inszenieren. Da sieht man einen enorm sympathisch und rührend wirkenden Jungen den Hund streicheln oder im Schweinekoben Banjo spielen - und doch ist alles Pose. Der grundsätzliche Zwiespalt zwischen dem wirklichen Menschen und dem Bild, das er von sich gibt, macht den Reiz dieser Serie aus. Sie verschaffte Dennis Stock wenig später Vermögen und Unabhängigkeit, als nach James Deans Tod die Nachfrage nach Fotos von ihm sich vervielfachte.
Von Magnum bis nach Hollywood
Stock, ein Junge aus der Bronx in New York, ging früh weg von zuhause und zur Marine, lernte fotografieren, fand einen Lehrmeister im Life-Fotografen Gjon Milli und gewann 1951 seinen ersten Wettbewerb: mit einer Reportage über die Ankunft von Flüchtlingen aus Europa in New York. Diese Fotos eröffnen die Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum, sie sind herzzerreißend und nüchtern zugleich. Schon hier übt Stock, selbst ein Kind von Einwanderern, die Wirkung von Spiegelungen und Verkehrungen; ein Kleinkind schaut über die Schulter der Mutter, die es hält, hinweg in die Kamera. Die Mutter ist nur von rückwärts zu sehen, aber ihren angstvollen Blick übers Wasser, in die Ungewissheit, spürt man förmlich im ernsten Gesicht des Kindes.
Der erste Preis für diese Reportage brachte Stock in die Fotoagentur Magnum und auf die Auftragslisten der großen Illustrierten von Life bis Esquire, die damals noch viel Geld für aufwendige Bildgeschichten ausgaben. Er ging nach Hollywood, begleitete Dreharbeiten und die Stars. Seine Audrey Hepburn, auch dieses Bild ein Welterfolg, träumt im Autofenster vor sich hin, geistig anwesend sind nur die Beobachter, die sich im Blech ihres Wagens spiegeln. Marylin Monroe liegt ziemlich unbequem im Gras und lernt ihren Text, als brauchte sie Hilfe dabei. John Wayne schlurt mit hängenden Schultern durch die Wüste, hinterdrein trägt ein Studioarbeiter ein Papp-Pferd. Unter Star-Fotos hatte man bis dahin was anderes verstanden.
Choreografie von Licht und Schatten
Seine Liebe zum Jazz konnte Dennis Stock unter Beweis stellen, als der deutsche Verleger Gerd Hatje ihn bat, für ein Jazzbuch zu fotografieren. Über zwei Jahre lang tauchte Stock in die meist nächtliche Welt der großen Musiker ein: Louis Armstrong im Relax-Modus mit Kopftuch, Benny Goodman, zigarettenrauch-vernebelt, eine ungeheuer einsame Billie Holiday auf der Bühne - die einzige, die ohne Bezug zu Gegenständen oder anderen Personen auftaucht. Stock porträtierte nicht, er komponierte Bildelemente mit immenser Sorgfalt, choreografierte Licht und Schatten, achtete auf Symmetrien. Das künstlerische Kalkül ist sichtbar, und doch atmet alles Beiläufigkeit. Ein ebenfalls populäres Bild zeigt fünf Musiker, der Pianist, Earl Hines, biegt den Oberkörper weit nach hinten und singt aus vollem Hals - seine Band-Kollegen stehen exakt positioniert hinter ihm und machen ihre Arbeit.
Die Ausstellung folgt seinen Themen in überschaubaren Clustern: vom Flüchtlingsschiff über James Dean und Hollywood zu den Schauspielern, Künstlern und Musikern, schließlich zu den selbst gewählten Projekten, für die er viel Zeit aufwenden konnte. Ende der 60er-Jahre tat er sich in Kalifornien um. Das lag in der Luft, ihn faszinierte die Gleichzeitigkeit der technologischen und spirituellen Erwartungen. Dem Californian Dream gewann er ausgesprochen surreale, den vielen Hippiekommunen romantische Momente ab. Mehr und mehr an einer fotografischen Soziologie des American way of life interessiert, wandte er sich auch den Bikern und Wohnmobil-Nomaden zu. Mit ihnen endet die Ausstellung und schließt sich der Kreis zur ersten Station mit den Einwanderern von 1951. Von denen vielleicht der eine oder andere sich in so einem Wohnmobil unterwegs nach Florida wiederfand. Wer weiß.