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Departementswahlen in Frankreich
"Dieser Wahlkampf ist ungeheuer kompliziert"

Vor den Departementswahlen Ende März kämpfen Frankreichs Sozialisten um jede Stimme. Vor allem in vielen ländlichen Regionen macht ihnen der Front National Konkurrenz und vielerorts werden die Kandidaten für die nationale Politik der Partei abgestraft.

Von Suzanne Krause | 13.03.2015
    Eine französische Flagge weht im Wind.
    Am 22. und 29. März werden in Frankreich die Departements-Räte gewählt. (imago / Rainer Unkel)
    Chenoise, ein Dorf nahe Provins, der Kreisstadt. Im Gemeinderatssaal, altrosa getünchte Wände, und ein immenser ovaler Holztisch, sind ein Dutzend Personen erschienen, die meisten sind Mitglieder des Gemeinderats. Jean-Claude Cackaert ist der Bürgermeister:
    "Chenoise zählt 1.500 Einwohner. Und die Bevölkerung wächst. Unser Alltag ist genauso schwierig wie in vielen anderen ländlichen Gemeinden rund um Paris: Was die medizinische Versorgung anbelangt, herrscht Wüste, es gibt kaum noch ein Geschäft und so weiter und so fort."
    An diesem Abend werden Marie-Caroline Delvaux und Emmanuel Marcadet ihre politischen Ideen vorstellen. Ihre Wahlkampfbroschüre liegt für jeden aus: DIN-A-5-Format, 20 Seiten, biografische Angaben, das Programm thematisch geordnet. Das Ganze in schwarz-weiß und überaus dezent. Ein Endfünfziger blättert darin und meldet sich empört zu Wort: aus der Broschüre gehe nicht hervor, welcher politischen Couleur die Kandidaten seien. Ganz unten auf der Titelseite findet sich ein Indiz: der Hinweis, dass Delvaux und Marcadet unterstützt werden von der politischen Mehrheit im Departementsrat - den Sozialisten.
    Wortreich erklärt Emmanuel Marcadet, dass weder seine Mitstreiterin noch die beiden Stellvertreter im Team Parteimitglieder seien oder dies wünschten. Deshalb fehle in der Broschüre die rote Faust mit der Rose - das Emblem der Sozialisten. Obgleich Marcadet selbst der Parti socialiste angehört. Bei den Kommunalwahlen vor einem Jahr hat er den Konservativen das Rathaus von Bray-sur-Seine abgejagt. In seiner Gemeinde erzielt die rechtsextreme Front National seit Jahren regelmäßig 30 bis 40 Prozent. Mag auch kürzlich Premierminister Manuel Valls dazu aufgerufen haben, Marine Le Pen und die Ihren hart zu bekämpfen - Emmanuel Marcadet zieht es vor, die FN-Wähler mit Samthandschuhen anzufassen:
    "Bei den Leuten bei uns, die Front National wählen, handelt es sich nicht um Nazis oder um Menschen, die eine tief greifende Angst vor Fremden hätten. Es sind eher Leute, die darauf hoffen, dass der Staat, der Öffentliche Dienst vor ihrer Haustür besser funktioniert. In vielerlei Hinsicht und zu Recht haben sie den Eindruck, Entrechtete zu sein. Vergessen und verlassen."
    "Dieser Wahlkampf ist ungeheuer kompliziert"
    Zweieinhalb Stunden lang leistet vor allem Marcadet Überzeugungsarbeit. Immer wieder webt er Schlagworte wie Begegnung, Austausch, Bürgernähe, Netzwerke knüpfen in seine Rede ein. Zumindest einen Wähler dürfte er an diesem Abend gewonnen haben.
    "Ich bin schon halb überzeugt hergekommen. Ich habe keine Lust auf parteipolitischen Zirkus. Ich finde das absurd. Und ich hoffe, dass Marcadet und sein Team weiter dabei bleiben, keine Parteizugehörigkeit hervorzukehren."
    Marie-Caroline Delvaux hat sich bei dem Treffen sehr zurückgehalten: Es ist ihre erste politische Kampagne, sagt die junge Kandidatin:
    "Wir sind viel unterwegs und verteilen Flugblätter. Im Allgemeinen werden wir freundlich empfangen. Nur einmal sagte jemand: Ach, die Politiker, denen geht es doch nur um die Macht."
    Bei einer Zigarette vor dem Rathaus lässt Emmanuel Marcadet den bisherigen Wahlkampf Revue passieren. Er ist mit Leib und Seele Sozialist. Dass hingegen im Departement-Rat der Seine et Marne die Sozialisten die Mehrheit verlieren werden, ist ziemlich absehbar. Die grüne Partei EEVL tritt mit eigenen Kandidaten auch gegen den ehemaligen Bündnispartner Parti Socialiste an. Und mancher Wähler wird bei den regionalen Wahlen die nationale Politik der Sozialisten abstrafen, sagt Emmanuel Marcadet:
    "Bei unseren Veranstaltungen treffen wir rechte Wähler, die ihre Stimme dem Front National geben wollen, weil ihnen der konservative Kandidat nicht gefällt. Oder die uns wählen. In der linken Wählerschaft sagt uns manch einer: Eigentlich würden wir für Sie stimmen, aber wir werden nicht zur Urne gehen. Dieser Wahlkampf ist ungeheuer kompliziert, die Wähler blicken nicht mehr durch."