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Depression als Stillleben

Rebecca hat einen Sohn zur Welt gebracht, doch das Mutterglück will sich nicht einstellen, das Verhältnis zu ihrem Kind bleibt kühl. - Die Regisseurin Emily Atef greift in ihrem Film "Das Fremde in mir" das auf, was in der Medizin postnatale Depression genannt wird. - Ein starkes Debüt.

Von Christoph Schmitz |
    Noch ist Rebecca glücklich. Das Kind in ihrem Bauch strampelt kräftig, während die junge Frau in ihrem Blumenladen einen Strauß bindet. Damit gleich zu Beginn klar wird, dass die Idylle nicht von Dauer ist, hat Emily Atef Szenen der durch einen Wald irrenden und strauchelnden Protagonisten eingebaut. Denn eigentlich erzählt Atef ohne viele Worte und Musik zu machen sehr ruhig. Die Bilder, die Szenerie, das Licht sollen sprechen und Stimmungen schaffen, was ihr außerordentlich gut gelingt. Eine gelassene und sehr reife Rhetorik, die bei einer noch so jungen Regisseurin aufhorchen lässt. Am Anfang aber setzt sie mit der zeitlichen Verschachtelung einen dramatischen Akzent, der der einzige bleiben wird. Später entwickelt sich die Geschichte in ruhiger Chronologie.

    Das Glück endet mit der Geburt des Sohnes Luka. Rebecca kann zu ihrer eigenen Verwunderung mit diesem nackten und klebrigen Wesen nichts anfangen. Jede Berührung lässt sie kalt, im Gegensatz zur Familie, wo das Neugeborene Ausbrüche des Entzückens hervorruft. Rebeccas Befremden kommt fast ohne Worte aus. Die wunderbare Schauspielerin Susanne Wolff lässt Rebeccas Distanz, ihr Gefühl der Fremdheit, der Verwirrung und schließlich ihren Ekel und ihren Hass auf diese Geburt in stummer Mimik aufscheinen. In dicht komponierten Stillleben wird die Vereinsamung und Verhärtung erzählt, etwa wenn Rebecca mit faltigem Bauch halbnackt beim Anziehen erstarrt zu sein scheint und ihr leicht nach vorn geneigter Körper im dunklen Raum nur leicht von vorn beleuchtet wird.
    Die anderen verstehen ihre Freudlosigkeit nicht. Julian, der Vater des Kindes, fragt nicht lange, sondern poltert.

    Julian: "Reiß dich doch mal zusammen!"

    Bevor Rebecca dem Kind ans Leben geht, meint sie den Sohn nur durch den eigenen Tod retten zu können. Der Suizid wird jedoch vereitelt. Den Mann, Julian, wirft es aus der Bahn, er schmeißt die Karriere, arbeitet halbtags und kümmert sich um den Sohn. Johann von Bülow spielt den gefallenen Erfolgsmenschen mit leisen und deutlichen Zeichen. Der Krankheitsbefund in der Klinik ist schnell klar.

    Der mühsame Weg der Heilung, einer allmähliche Annäherung an den Sohn und zwischen den Eltern beginnt.

    Therapiesitzung: "Alle waren begeistert von seinem Geruch. Ich habe da nichts gerochen. Ich wollte, dass es wieder weg ist."

    Mit wenigen kurzen und prägnanten Dialogen kommt der Film aus. Und Emily Atef arbeitet nicht nur gekonnt mit den bereits erwähnten Stillleben, sondern auch mit dem Licht. Wie eine Offenbarung bricht in die schattige Therapiewelt das leuchtende Blau eines Schwimmbades, wo Rebecca ihren Sohn beim Babyschwimmen mit dem Vater zusieht.

    In die Heilungsgeschichte hat die Regisseurin zwei weitere Geschichten behutsam eingeflochten, zum einen den Weg aus der Krise der Eltern, zum anderen den zunehmenden Widerstand von Julians Familie gegen die vermeintliche Rabenmutter. Julians Vater:

    "Es ist mir peinlich, dass mein Sohn so schwach ist."

    So schwach ist dieser Sohn dann doch nicht, jedenfalls ist er stark genug, sich von seinem alten Herrn abzusetzen. Emily Atefs Film "Das Fremde in mir" ist ein starkes Debüt. Von dieser Regisseurin wird man sicherlich noch mehr zu sehen bekommen.