Mentaler Druck im Sport
Sportpsychiater Markser: "Wir haben die mentale Gesundheit bislang verdrängt"

Leistungsdruck ist im Spitzensport allgegenwärtig und er kann Ängste und Depression auslösen. Doch anstatt den Betroffenen Hilfe anzubieten, begünstigten die Strukturen im Profisport das Schweigen, kritisiert Sportpsychiater Valentin Markser.

Sportpsychiater Valentin Markser im Gespräch mit Marina Schweizer | 05.11.2023
Ein Basketballer sitzt am Boden, er vergräbt den Kopf zwischen den Knien.
Laut Markser mache es keinen Unterschied, ob man Titel gewinne oder Niederlagen einstecken müsse: Alle Athletinnen und Athleten könnten mentale Probleme bekommen. (IMAGO / Zoonar / IMAGO / Zoonar.com / Kasper Ravlo)
"Wir haben das Problem, dass wir die Realität, die mentale Gesundheit bislang nicht sehen wollten oder verleugnet und verdrängt haben", begründet Sportpsychiater Valentin Markser im Deutschlandfunk, warum über mentale Probleme im Profisport immer noch so wenig gesprochen wird.
"Die Medien und die Öffentlichkeit, erst recht die Zuschauer wollen Helden und Weltmeister sehen", sagt Markser im Interview. Aber auch Athleten und Trainer hätten die Problematik mit psychischen Problemen im Sport bisher verdrängt. Durch Sportler und Sportlerinnen wie Turnstar Simone Biles oder Skifahrerin Lindsay Vonn, die offen über ihre Probleme sprechen, rückt die Thematik mehr ins Bewusstsein.
Dennoch: „Wir sind in allen Ländern zu spät dran. Es ist jahrzehntelang verdrängt worden, dementsprechend haben wir keine wissenschaftliche Disziplin und es haben sich Vorurteile ausgebildet, und wir haben eine mangelnde Aufklärung", kritisiert Markser.

Vorurteile bewirken Unverständnis gegenüber mentaler Probleme

Als Vorurteile zählt er zum Beispiel auf, dass Leistungssport nicht gesundheitsgefährdend ist, dass die Beschäftigung von einem Sportpsychiater dem Image schadet oder dass mentale Stärke auch mentale Gesundheit bedeutet.
Auch Fußball-Nationalspieler Robin Gosens erfährt auf Social Media Unverständnis, wenn er dort für mehr Offenheit bei psychischen Problemen wirbt und von seinen eigenen schwierigen Phasen in der Karriere spricht.

"Investitionen in mentale Gesundheit zahlen sich aus"

Markser glaubt aber, dass es die Öffentlichkeit begrüßen würde, wenn sich Vereine mehr um die psychische Gesundheit der Sportler und Sportlerinnen kümmern würden.
Er appelliert, dass Vereine und Verbände gut ausgebildete Sportpsychologen und gleichzeitig auch sportpsychiatrische Berater bräuchten:
"Und Vereine müssen auch verstehen, dass die Investition in die mentale Gesundheit sich dreifach auszahlt. Es lohnt sich in diesen Bereich zu investieren.“
Die Strukturen im Profisport begünstigen aktuell aber eher das Verschweigen psychischer Probleme. Damit sich das ändert fordert Markser zusammen mit der jährlichen sportmedizinischen Untersuchung auch ein sportpsychiatrisches Gespräch, ein Netzwerk aus Sportpsychiatern und Psychotherapeuten und auch ein informierendes Gespräch mit den Eltern von Sportlern und Sportlerinnen.