Bei seiner Ansprache während der Trauerfeier im Stadion von Hannover fand der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger eine Reihe von angemessenen Worten. Zum Beispiel diese: Der Suizid von Robert Enke und das Wissen um seine jahrelange Depressionserkrankung gäbe allen Fußballanhängern die Möglichkeit, "das Kartell der Tabuisierer und Verschweiger einer Gesellschaft, die in soweit nicht menschlich sein kann, zu brechen."
Und er forderte bei dieser Gelegenheit "ein Stück mehr Menschlichkeit, ein Stück mehr Zivilcourage, ein Stück mehr Bekenntnis zur Würde des Menschen, des Nächsten, des Anderen, das wird Robert Enke gerecht."
Das Establishment ist noch nicht wachgerüttelt
Man wird unweigerlich daran erinnert, wenn man erfährt, dass solche Worte dem Ex-Profi Andreas Biermann am Ende nicht geholfen haben. Jemandem, der sich sogar offen in einem Buch zu seiner Krankheit bekannte. Er sah irgendwann keinen anderen Ausweg mehr.
Das Kartell, von dem Zwanziger sprach, mag zwar nicht mehr existieren. Aber richtig wachgerüttelt ist das Fußball-Establishment noch immer nicht. So ging die Nachricht über die Ergebnisse einer ersten weitreichende Studie der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro im April schlichtweg unter. Und das Medienecho im Umgang mit dem Thema wirkt gewöhnlich so, als ginge es im Prinzip nur um Einzelfälle und nicht um ein ganzes System, das die betroffenen Spieler zunächst stresst und dann, einmal erkrankt, massiv weiter belastet.
Was fehlt, ist ganz offensichtlich das Verständnis sowohl vom Ausmaß als auch den Ursachen. Dr. Vincent Gouttebarge, der aus Frankreich stammende Chefmediziner der Spielervereinigung FIFPro, der die fragliche Studie durchgeführt hat: "Rund 26 Prozent der aktiven Spieler berichteten von Symptomen, die in die Kategorie Angst und Depression eingeordnet werden müssen. In Behandlung waren, glaube ich die meisten nicht."
Dunkelziffer bei den Ehemaligen
Bei den Ehemaligen lag die Zahl sogar noch höher. Alarmierend hoch: bei 39 Prozent. Diese Dunkelziffer ist eines der Warnsignale. Ein anderes hätte man seit einiger Zeit in den USA auffangen können. Den Zusammenhang zwischen den vielen kleinen und großen Gehirnerschütterungen, die Profis zum Beispiel in einem so brutalen Spiel wie American Football erleiden, und einer ganzen Kaskade von gesundheitlichen Langzeitschäden.
Die Münchner Radiologin Dr. Inga Körte, die zuletzt eine Studie über den Zusammenhang zwischen Kopfballspiel und möglichen Langzeit-Hirnschädigungen vorgelegt hatte, nennt einen Effekt degenerativer Veränderungen in den Gehirnen von Footballprofis: "Ein Symptom der Erkrankung ist auch Depression und damit die erhöhte Gefahr für eine Suizidalität. Der Verlust der Impulskontrolle und damit auch das Zerstören von Sozialkontakten, Familie, Ehe. Das ist zum Glück eine kleine Untergruppe."
Die Münchner Radiologin Dr. Inga Körte, die zuletzt eine Studie über den Zusammenhang zwischen Kopfballspiel und möglichen Langzeit-Hirnschädigungen vorgelegt hatte, nennt einen Effekt degenerativer Veränderungen in den Gehirnen von Footballprofis: "Ein Symptom der Erkrankung ist auch Depression und damit die erhöhte Gefahr für eine Suizidalität. Der Verlust der Impulskontrolle und damit auch das Zerstören von Sozialkontakten, Familie, Ehe. Das ist zum Glück eine kleine Untergruppe."
Dass es einen Zusammenhang zwischen Gehirnerschütterung und Depression gibt - davon ist Briana Scurry überzeugt. Die ehemalige Torhüterin der amerikanischen Fußballnationalmannschaft und zweifache Olympiasiegerin bekam bei einer Abwehraktion 2010 einen Schlag mit dem Knie gegen den Kopf ab. Seitdem leidet sie unter Depressionen.
Die Forschung ist noch nicht am Ende
"Ich fühlte mich wie in einem Loch und hatte mit all den emotionalen Dingen sehr zu kämpfen. Es war mehr als ein Jahr vergangen und ich befand mich noch immer in derselben Situation, mental und emotional. Ich kam nicht vom Fleck. Ich saß förmlich fest. Da wusste ich, ganz klar, die Gehirnerschütterung war für diese Schwierigkeiten verantwortlich."
Für Dr. Gouttebarge bedeuten solche Fälle: Es muss weitergeforscht werden. "Als nächstes geht es darum, mögliche Ursachen zu finden. Der dritte Schritt ist, ein System zu entwickeln, dass Betroffenen helfen kann und eingreift, um Probleme zu verhindern. Natürlich gehört das zu den Aufgaben der Spielergewerkschaft. Aber auch zu denen der anderen, die am Profi-Fußball interessiert sind - die Vereine und die Verbände."