
Sie haben es im Herbst 2019 getan und im Januar dieses Jahres wieder: Tausende Landwirte aus ganz Deutschland zogen auf Landstraßen und Autobahnen Richtung Regierungsviertel in Berlin. Lautstark und friedlich demonstrierten sie gegen die jeweiligen Entwürfe der Bundesregierung zum Insektenschutzgesetz.
Genutzt hat ihnen der Protest in einem Punkt. Vogelschutzgebiete, die allein in Mecklenburg-Vorpommern mehrere hunderttausend Hektar umfassen – etliche davon bewirtschaftete Agrarflächen –, sind nun doch nicht betroffen. Dietmar Brauer ist erkennbar erleichtert darüber, denn ein großer Teil seines Familienbetriebes „Norddeutsche Pflanzenzucht KG“ befindet sich in Malchow auf der mecklenburgischen Ostseeinsel Poel.
„Die Insel Poel und die gesamten Anliegergemeinden in der Wismar Bucht sind ein europäisches Vogelschutzgebiet, und das hätte unweigerlich dazu geführt, dass ich diesen Standort Malchow (Poel) hätte schließen müssen. Das hätte fatale Auswirkungen auf unser Gesamtunternehmen gehabt, denn ein gutes Drittel unserer gesamten Züchtungsarbeit können Sie nicht einfach irgendwohin umziehen. Das wäre für uns eine Katastrophe gewesen.“
Umstellung auf ökologische Landwirtschaft nötig
Der Grund: In den Insektenschutzzonen ist nicht nur bereits ab diesem Sommer das Ausbringen des Unkrautvernichters Glyphosat verboten. Auch Insektizide gegen die gefräßigen Schädlinge der Kulturpflanzen sind dort tabu.
„Landwirte, die in diese Schutzgebietskulissen fallen, können dann eigentlich nur noch auf ökologische Landwirtschaft umstellen und müssen auf Pflanzenschutzmitteleinsatz eben verzichten. Das geht in der Pflanzenzüchtung gar nicht. Wir müssen mit Pflanzenschutzmitteln für alle Kandidaten – Tausende, die wir jedes Jahr ins Feld stellen – gleiche Voraussetzungen schaffen, um dann auch eine gute Selektion durchführen zu können.“
Der verschärfte Insektenschutz gilt nun für sämtliche Naturschutzgebiete in Deutschland, für Streuobstwiesen und Trockenmauern sowie in den Flora-Fauna-Habitat-Gebieten. Betroffene Betriebe dürfen dort ihre Böden auf einer verdoppelten Schutzbreite von zehn Metern neben Wasserläufen nicht bewirtschaften. Für den Rest der Flächen sind Pflanzenschutzmittel tabu – mit Folgen nicht nur für die künftige Raps-, Getreide- und Rübenernte, so Dietmar Brauer:
„Obst- und Gemüsebau ist ohne Pflanzenschutz nicht machbar oder mit einem so hohen Risiko behaftet, dass die Importquote für Obst und Gemüse noch viel größer sein wird als ohnehin schon. Und großes Handicap: Wir haben keine Basis, auf der jetzt ein Status fixiert wird: Was ist bei uns draußen los? Wie viele Marienkäfer sind denn da? Um dann in drei oder dreieinhalb Jahren festzustellen: Ist es nun mehr geworden oder weniger?“
Dass der Gesetzgeber ohne messbaren Ist-Zustand vorgeht und es deshalb nahezu unmöglich sein wird, Erfolg oder Unsinn der jüngsten Insektenschutzbestimmungen zu überprüfen – das ärgert auch Daniel Bohl von der Pflanzenbau AG Warnin. Dabei hätten die zuständigen Behörden die Bestände der schützenswerten Tiere und Pflanzen erhoben, als vor rund 20 Jahren auch in Mecklenburg-Vorpommern etliche Gebiete als Flora- Fauna-Habitate ausgewiesen worden seien, erzählt der Agraringenieur.
Deutliche Wertminderung der Flächen
„Da hätte ich dann schon erwartet, dass man mal schaut: Wie war der Zustand damals? Wie sieht er heute aus? Und das ist jetzt im Rahmen der Gesetzgebung zum Aktionsprogramm Insektenschutz nicht erfolgt, sondern man hat sich die FFH-Gebiete, wie sie waren, einfach genommen und gesagt: Weil wir das damals als Schutzgebiet ausgewiesen haben, untersagen wir jetzt den Einsatz von Herbiziden und Insektiziden.“
Der Warniner Pflanzenbaubetrieb mit seinen 2.800 Hektar Ackerboden ist glimpflich davongekommen. Deutlich schwerer werden es jene Betriebe mit dem Überleben haben, bei denen 20 oder gar 30 Prozent der bewirtschafteten Flächen unter die neuen Insektenschutzbestimmungen fallen. „Sowas gibt´s auch in Nordwestmecklenburg. Da ist es ein ganz erheblicher Einschnitt, wenn man da richtig sein Betriebskonzept umstellen muss. Auf der anderen Seite ist es ja auch eine deutliche Wertminderung der Flächen. Von daher hat das ganz schöne Auswirkungen.“
Ein wenig tröstlich: Es soll Entschädigungen vom Staat geben. Außerdem haben die Bundesländer die Möglichkeit bekommen, begründete Ausnahmen zuzulassen, wenn Bauern- und Naturfachverbände zusammenarbeiten – wie beispielhaft in Niedersachsen und Baden-Württemberg geschehen. Rapszüchter Dietmar Brauer aus Malchow/Poel erhofft sich das auch für Mecklenburg-Vorpommern, prophezeit aber für die betroffenen Acker- und Wiesenflächen in den Schutzgebieten auch: „Ein Großteil wird sicherlich Solarfläche werden. Das ist viel attraktiver dann, als Ökolandbau zu betreiben. Das ist natürlich auch eine Horrorvorstellung, eine Ferieninsel Poel mit so fruchtbaren Böden – eine Gunstregion – nicht landwirtschaftlich zu nutzen.“