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Der Anti-Protz-Bischof

Rainer Maria Woelki entspricht so gar nicht dem Bild eines protzigen Erzbischofs: Er wohnt zur Miete im Berliner Problembezirk Wedding, ist Fan des 1. FC Köln und fährt nur dann mit dem Auto, wenn er sein Ornat mitnimmt. Sonst bevorzugt er die S-Bahn.

Von Claudia von Laak |
    Berlin-Wedding, Osloer Straße 11, sanierter Altbau. Auf einem der 28 Klingelschilder steht: "Woelki". Für den gesamten Titel wäre kein Platz: "Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Berlin". Der 57-Jährige wohnt in einer Fünfzimmermietwohnung unterm Dach.

    "Es ist eine Wohnung, die eine katholische Wohnungsbaugesellschaft gekauft hat beziehungsweise ein Haus, was dort von denen renoviert worden ist, was Eigentum dieser katholischen Wohnungsbaugesellschaft ist. Es sind sehr viele Migranten dort und die Brötchen, Entschuldigung Schrippen, von einem türkischen Bäcker."

    Die Imbissbude "Curry und Chili", der afrikanische Kulturverein, das Kindermuseum Labyrinth - das ist die Nachbarschaft des Erzbischofs. Der Wedding ist ein Berliner Arbeiter- und Migrantenbezirk. Einige Glaubensbrüder und -schwestern hatten Woelki abgeraten, dorthin zu ziehen, als er vor gut zwei Jahren von Köln nach Berlin wechselte. Doch: Es gab keine Alternative. Über eine bischöfliche Residenz verfügt das Berliner Erzbistum nicht, die Wohnung des verstorbenen Woelki-Vorgängers hinter der Hedwigskathedrale war dringend sanierungsbedürftig. Die Dachwohnung im Wedding passt zu dem 57-jährigen Fußballfan - Woelki ist Mitglied des 1. FC Köln - der auch sonst nicht das Bedürfnis hat, sich von der harten Berliner Realität abzugrenzen.

    "Also ich fahre viel Zug und S-Bahn und U-Bahn, auch aus Umweltgründen. Und teilweise ist es im Zug auch bequemer, ich kann da leichter arbeiten."

    Rainer Maria Woelki könnte den Anti-Tebartz-van-Elst geben. Schon schreiben Journalisten über den asketischen Bischof, der in einer Mietskaserne wohnt. Doch Woelki will sich nicht in diese Rolle drängen lassen, äußert sich nur ganz allgemein zu dem Limburger Bischof, der gestern vom Papst zu einer Auszeit gedrängt wurde. Es sind andere, die den Berliner Erzbischof als bescheiden loben - Hans-Jürgen van Schewick zum Beispiel, Mitglied im Vermögensverwaltungsrat des Erzbistums Berlin.

    "Beim Katholikentag im letzten Jahr fiel auf, da war ein Empfang vom Ministerpräsenten Kretschmann, die anderen hohen geistlichen Herren kamen im vollen Ornat, und Woelki stand ganz bescheiden in seinem normalen Anzug da, das ist sehr positiv aufgefallen."

    Hans-Jürgen van Schewick ist pensionierter Bundesverwaltungsrichter, er kennt sich aus mit den Finanzen des Erzbistums, das neben Berlin auch weite Teile Brandenburgs und Vorpommerns umfasst. Die Kirchensteuereinnahmen des Erzbistums sind vergleichsweise gering - nur jeder zehnte Berliner ist Mitglied der katholischen Kirche. Außerdem wurde das Erzbistum erst 1930 gegründet, die deutsche Teilung verhinderte größere wirtschaftliche Aktivitäten:

    "Wenn Sie die bayerischen Bistümer nehmen oder Köln oder auch Münster, da sind wir im Zweifel die armen Verwandten."

    Die eigene Wohnungsbaugesellschaft, das Petrus-Werk, musste das Erzbistum Berlin vor zehn Jahren verkaufen. Die Hauptstadtkatholiken waren tief verschuldet, pumpten sich von den reichen Bistümern im Westen 30 Millionen Euro. Niemand wollte die Schuld für die damalige Finanzkrise übernehmen, Verantwortung wurde hin- und hergeschoben - so wie jetzt im Bistum Limburg. Unterstützt von einer Unternehmensberatung reformierten die Berliner Katholiken dann ihre Finanzen. Wir haben unsere Schattenhaushalte aufgelöst, erläutert der frühere Bundesrichter van Schewick:

    "So was ist immer schlecht, wenn man verschiedene Töpfe hat, wo die Sachen hin- und hergeschoben werden können. Das führt letztlich zu Unklarheiten, zu undeutlichen Verantwortungsverhältnissen. Das, meine ich, haben wir in Berlin wirklich optimal gelöst."

    Doch in puncto Transparenz sind die Berliner noch nicht so weit wie andere Bistümer. Sie veröffentlichen zwar ihren jährlichen Haushalt, doch welche Vermögenswerte in Form von Immobilien oder Wertpapieren dahinterstecken, das verschweigt das Erzbistum bislang. Wie alle anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sollten auch die Kirchen ordentliche Bilanzen vorlegen müssen, fordert der Politologe und Kirchenkritiker Carsten Frerk:

    "Rundfunkanstalten, Handwerkskammern, die müssen alle korrekt bilanzieren, das korrekt veröffentlichen und innerhalb der Bilanz ihre Vermögen beziffern und eben bewerten. Nichts anderes sollten die Kirchen auch tun. Sonst ist es ein feudaler Restbestand aus dem 19. Jahrhundert in einem demokratischen Gemeinwesen."

    Die öffentliche Debatte über den Limburger Bischof Tebartz-van Elst und den Reichtum der katholischen Kirche hat auch den Druck auf das Erzbistum Berlin erhöht. Im nächsten Jahr werden wir eine Bilanz veröffentlichen, verspricht der Finanzdezernent. Unterstützung vom Erzbischof hat er. Rainer Maria Kardinal Woelki dürfte in puncto Finanzen wenig zu verbergen haben. Er besitzt eine Bahncard 100 für die 1. Klasse und beschäftigt eine Putzfrau auf Honorarbasis, teilt das Erzbischöfliche Ordinariat freigiebig mit.