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Der Atomuhr schlägt die Stunde

Physik. - Den Zeittakt der Welt geben zurzeit Atomuhren vor, mit einer Abweichung von einer Sekunde alle zehn Millionen Jahre. Bald jedoch könnten sie von optischen Uhren abgelöst werden, die 1000 Mal genauer gehen. Erste Versuche, so wurde auf der Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft berichtet, waren bereits erfolgreich.

Von Frank Grotelüschen |
    Omas alte Standuhr ging am Tag um eine Minute falsch und musste immer wieder neu gestellt werden. Eine gute mechanische Armbanduhr weicht pro Tag nur um eine Sekunde ab. Eine Quarzuhr schafft eine Genauigkeit von ein paar Sekunden im Jahr. Doch eine Atomuhr, wie sie an der PTB, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig steht, schlägt sie alle: In 10 Millionen Jahren würde sie gerade mal um eine Sekunde falsch gehen. Das Prinzip:

    "Im Grunde genommen ist das ganz einfach. Sie kennen das von einer Stimmgabel und einer Orgel, die Sie stimmen wollen: Wenn Sie die Frequenz nicht exakt treffen, hören Sie eine Schwebung zwischen den beiden", "

    sagt PTB-Forscher Harald Schnatz. Die Schwebung, von der er spricht, entsteht durch den Frequenzunterschied zwischen Stimmgabel und Orgel. Nur wenn die Schwebung komplett verschwindet, stimmen beide Frequenzen überein. Das Instrument ist gestimmt. Ähnlich ist es bei der Atomuhr: Bei ihr entspricht die Stimmgabel einer Wolke von Cäsiumatomen. Das Cäsium schwingt bei einer bestimmten Mikrowellen-Frequenz. Diese Schwingungen werden mit den Signalen eines Mikrowellengenerators abgeglichen. Ist der Abgleich beendet, stimmt die Frequenz des Generators mit der des Cäsiums überein. Diese Frequenz lässt sich dann in eine Uhrzeit umrechnen – die Atomuhrzeit. Obwohl so eine Atomuhr extrem genau geht, wissen die Forscher: Es geht noch besser – und zwar mit einer so genannten optischen Uhr. Sie schwingt nicht im Mikrowellenbereich, sondern bei sichtbarem Licht – das heißt bei viel höheren Frequenzen. Und da sich höhere Frequenzen präziser abgleichen lassen als niedrige, könnte eine optische Uhr deutlich genauer gehen als eine Atomuhr – rund 1000 Mal genauer. Prototypen gibt es bereits. Schnatz:

    ""Es gibt ganz unterschiedliche Ansätze: Uhren, die wir in der PTB haben, basieren entweder auf Calciumatomen, Strontium – oder aber eine ganz andere Methode: Anstatt eine Vielzahl von Atomen zu nehmen, kann man ein einzelnes Ion in der Ionenfalle benutzen. Es gibt also eine ganze Reihe von unterschiedlichen Atomen oder Ionen. Alle haben ihre Stärken, ihre Schwächen."

    Doch da wäre noch ein zweites Problem: Heute ist es nicht nur eine Atomuhr, die den Takt auf dem Globus vorgibt. Stattdessen sind es viele Atomuhren in verschiedenen Ländern, die gemeinsam die Weltzeit festlegen. Damit das klappt, müssen all diese Uhren miteinander abgeglichen werden, und zwar möglichst präzise. Bei den heutigen Atomuhren läuft dieser Zeitabgleich über Satellit. Für optische Uhren aber wäre das zu ungenau. Deshalb arbeiten Harald Schnatz und seine Leute an einer Alternative – dem Zeitabgleich über Glasfaser. Allerdings muss die Signalübertragung in der Glasfaser extrem präzise sein, mindestens genauso präzise wie die optische Uhr. Nur, so Schnatz:

    "Es gibt viele Effekte auf dieser Glasfaser, die dafür sorgen, dass die Frequenz hinten nicht so ankommt wie wir sie vorne reinstecken. Im Sommer wird’s warm. Eine Glasfaser dehnt sich aus, ähnlich wie eine Eisenbahnschiene sich ausdehnt."

    Zum Glück lässt sich die Wärmeausdehnung ausgleichen, und zwar durch eine Art elektronischen Korrekturregler. Ende letzten Jahres wagten die PTB-Forscher einen ersten Test: Sie glichen ihre optische Uhr in Braunschweig ab mit einer Uhr in Hannover, 73 Kilometer entfernt. Schnatz:

    "Und das hat gut geklappt. Das heißt: Dieser Teil – eine Strecke bis 100 Kilometer – ist erledigt. Das nächste Ziel ist, eine Verbindung aufzubauen bis nach München."

    Der Zeitabgleich per Glasfaser scheint zu funktionieren, meint Schnatz.
    Unklar ist jedoch, welches der Konzepte für eine optische Uhr sich letztlich durchsetzen wird – ob zum Beispiel die Calciumuhr oder die Ionenfalle. Deshalb wird es wohl noch ein Weilchen dauern, bis Stunde der Atomuhr als internationaler Zeitstandard geschlagen hat.

    "Na ja, wir hatten mal mit 2011 geliebäugelt. Aber für eine wirkliche Neudefinition der Sekunde müssten sich ja international alle Staatsinstitute auf eine Uhr einigen. Mein Gefühl ist: Es dauert noch ein paar Jahre, bis sich ein eindeutiger Favorit ergeben hat."

    Doch irgendwann wird sie wohl kommen – die Uhr, die 1000 Mal genauer geht als eine Atomuhr. Und das hätte dann auch technologische Vorteile: So könnten Raumsonden deutlich präziser angepeilt und Radioteleskope für die Astronomie viel genauer verschaltet werden als heute. Und wer weiß: Eines Tages könnten optische Uhren sogar die GPS-Technik genauer machen – auch wenn sie momentan noch zu groß und zu schwer sind, um an Bord eines GPS-Satelliten in den Orbit geschossen zu werden.