Tel Aviv, 19. Dezember 2000. Israels Ministerpräsident Ehud Barak von der Arbeitspartei hat seinen Rücktritt erklärt und Neuwahlen angekündigt. Benjamin Netanjahu verzichtet auf eine Kandidatur und macht den Weg frei für Ariel Scharon. Die militanten Siedler und Großisraelfanatiker verehren den 72-jährigen Hardliner als Held, den meisten Israelis aber gilt er als Bellizist und Provokateur, vielen als Kriegsverbrecher. Mit diesem Image, das wissen Scharons Berater Reuwen Adler und Arthur Finkelstein, ist die Wahl nicht zu gewinnen.
"Basierend auf einem von Finkelstein entwickelten System platzierten Adler und seine Helfer die israelischen Politiker nach ihrer jeweiligen Position in geopolitischen Fragen auf einer Skala von eins bis fünf. Für die extreme Linke setzten sie den Wert eins und für die extreme Rechte den Wert fünf fest. Scharon stand bei 4,7. Kalman Gajer, Adlers wichtigster Demoskop, schätzte, dass die Mehrheit der israelischen Bevölkerung zwischen 2,6 und 3,2 platziert war. Finkelstein vertrat die Ansicht, dass Scharon auf der Skala bei 2,7 liege müsse, wenn er (...) die kommenden Wahlen gewinnen wolle."
In Gadi Blums und Nir Hefez' Scharon–Biografie nimmt die wundersame Verwandlung des Kriegers und Provokateurs zum "guten Hirten" der Nation bei diesem Treffen ihren Ausgangspunkt. Der Kandidat präsentierte sich im Wahlkampf als "freundlicher Großvater", "der in den reifen Jahren bereit ist, "schmerzliche Zugeständnisse" für den Frieden zu machen. Das kam an. Scharon wurde am 6. Februar 2001 mit sensationellen 62 Prozent der Stimmen zum israelischen Ministerpräsidenten gewählt. Bis zum Ende seiner Amtszeit achtete der "König der Meinungsmanipulation" darauf, die 2,7 Punkte auf der Finkelstein-Skala zu halten. Dies gelang, obwohl er nichts unterließ, was die israelische Gesellschaft hätte spalten können.
Die einen schockierte er mit der Eskalation der Gewalt gegen die Palästinenser, schickte die Todesschwadronen des Militärs so oft wie keiner seiner Vorgänger in die besetzten Gebiete, die anderen brachte er mit Rückzugsplänen und der Planierung israelischer Siedlungen im Gazastreifen gegen sich auf. Auf Protest, das hatten Scharon und seine Berater richtig kalkuliert, stießen beide Politikansätze allerdings nur an den Rändern der Gesellschaft. Die Transformation der israelischen Gesellschaft war soweit gediehen, dass die übergroße Mehrheit den gezielten Morden applaudierte und gleichzeitig Scharons Rückzugsplänen zustimmte. Der Mann, der aus ärmlichen Verhältnissen kam, dessen Familienvermögen heute auf zehn Millionen Dollar geschätzt wird, der Parteien, Fronten, Freunde und Überzeugungen wechselte, wann immer sein Machtinstinkt ihm dazu riet, dieser Mann, so seine Biografen, sei der populärste Ministerpräsident Israels geworden.
"Herr Scharon kann Gott dankbar sein, dass das Schicksal ihn nicht dazu verurteilt hat, 1953 dem Kabinett Stalins anzugehören. Wenn sich die politische Führung damals einen Minister vom Hals schaffen wollte, den jeder fürchtete und dem niemand vertraute, dann wurden ihm auf einer Kabinettssitzung seine privaten Schusswaffen abgenommen, und man schickte ihn an einen Ort, von dem niemand mehr zurückkehrte."
So beschrieb der Leitartikler der liberalen Tageszeitung "Haaretz" im Februar 1983 den tiefsten Fall des Ariel Scharon. Im ersten Libanonkrieg hatte der von Menachem Begin ernannte Verteidigungsminister im großen Maßstab jene grenzen- und rücksichtslose Gewalt exekutieren lassen, für die er seit den 50er Jahren verehrt und verachtet wurde. Der 1928 als Sohn russischer Einwanderer auf einer ärmlichen Farm geborene Aufsteiger hatte es in der israelischen Armee bis zum Aufklärungsoffizier beim Nordkommando gebracht, das damals von Mosche Dajan geführt wurde.
"Im November 1952 bestellte ihn Dajan in sein Büro in Nazareth. Er überlegte laut, ob es wohl möglich sei, zwei jordanische Soldaten zu entführen. Vielleicht, meinte er, könne man sie dann gegen zwei israelische Soldaten austauschen, die bei einer Übung in der Nähe der jordanischen Stadt Kalkilja in Gefangenschaft geraten waren."
Scharon erledigte den unausgesprochenen Auftrag, der der heutigen Hisbollah-Taktik entsprach, die Israel im Frühsommer als Anlass für den zweiten Libanonkrieg diente. Auf solche Parallelen weist die Biografie zwar nicht explizit hin, aber der Subtext des Buches macht deutlich, dass die eigene Affinität zum Terrorismus, Scharons Brutalität und Gnadenlosigkeit gegen alle, die er als Feinde Israels ausmachte, mitbegründet. Jedenfalls, das belegen die Autoren, war er ganz in seinem Element, als er zum Kommandeur einer Spezialeinheit ernannt wurde, die bei ihren Vergeltungsschlägen keinerlei Rücksicht auf Zivilisten nahm. Diese Brutalität, die sich weder um Völker- noch um Kriegsrecht, im Zweifellsfall auch nicht um Befehle scherte, blieb die Konstante in Scharons Politik. Im Libanonkrieg von 1982 sollte die Armee einen 40 Kilometer tiefen Korridor besetzen und damit Raketenangriffe der Palästinenser beenden. So hatte es die Regierung beschlossen, doch Scharon führte seine Truppen eigenmächtig bis Beirut.
"Zu einem sehr peinlichen Moment kam es am 13. Juni (1982) als Ministerpräsident Begin im Fernsehen mit der Aussage zitiert wurde, die israelische Armee befinde sich nicht in Beirut, worauf unmittelbar ein Live–Bericht aus einem Außenbezirk der Stadt folgte, in dem vorüberfahrende Armeefahrzeuge zu sehen waren."
Die Kapitel über den Libanonkrieg gehören zu den schwächsten der Biografie. Die Autoren rekonstruieren akribisch die Potemkinsche Kommunikation zwischen der Armee und den Kabinettsmitgliedern, deuten aber nur an, mit welcher Rücksichtslosigkeit Scharon diesen Krieg führen ließ. Dass die israelische Armee den Libanon mit Phosphorbomben terrorisierte, wird verschwiegen, dass sie Streubomben einsetzte, verharmlost, die Zahl der zivilen Opfer nicht genannt. So bleibt unverständlich, warum so viele Soldaten sich gegen ihren obersten Befehlshaber wendeten, warum Offiziere mit Befehlsverweigerung drohten und warum US-Präsident Ronald Reagan ultimativ die "sofortige Einstellung aller Luftangriffe auf zivile Ziele" verlangte.
Ausführlicher gehen die Autoren auf das Massaker von Sabra und Schatila ein. Nach dem Abzug der PLO hatten die mit Israel verbündeten christlichen Milizionäre Hunderte von palästinensischen Zivilisten in den Beiruter Flüchtlingslagern abgeschlachtet. Scharon hatte den Marodeuren Zugang verschafft, die israelische Armee dafür gesorgt, dass niemand entfliehen konnte. In Tel Aviv erzwangen daraufhin 400.000 Demonstranten einen Untersuchungsausschuss, der dem Ministerpräsidenten die Entlassung des Verteidigungsministers empfahl. Es schien, als sei damit die politische Karriere des Ariel Scharon beendet, doch Begin behielt ihn als Minister ohne Geschäftsbereich in seiner Regierung und Scharon kämpfte um die Macht.
"(Er absolvierte…) Auftritte vor Likud-Aktivisten und entdeckte dabei jene Kraft, die künftig, die Grundlage für seinen Einfluss innerhalb der Partei bilden sollte: die Ortsgruppen des Likud. Scharons Ansehen begann vor allem unter den Fußtruppen der Partei in den verschlafenen Entwicklungsstädten im entlegenen Süden und im Norden zu wachsen."
Ausführlich beschreiben seine Biografen den unaufhaltsamen Wiederaufstieg des Ariel Scharon, seinen bizarren Kampf um den Vorsitz in der Likud-Partei, bei dem die Matadore auch schon mal mit Stuhlbeinen aufeinander losgingen. Scharon profilierte sich vor allem als Gegner jeglichen Friedensprozesses. Als Minister forcierte er die Siedlungspolitik, schuf damit Fakten, die den Tausch von Land gegen Frieden erschwerten. Mit dem Kauf eines Hauses im muslimischen Teil der Jerusalemer Altstadt heizte er die Stimmung an, die wenig später zur ersten Intifada führte. Im Jahre 2000 trug er mit seinem demonstrativen Besuch auf dem Jerusalemer Tempelberg wesentlich zum Ausbruch der zweiten Intifada bei.
Doch wie passt die Politik der Abkopplung, die Räumung des Gazastreifens, die Zustimmung zur road map, an deren Ende ein palästinensischer Staat stehen soll, in die Biografie des Ariel Scharon? Blum und Hefez zitieren aus einer Rede, in der der Ministerpräsident im Mai 2003 vor der Likud-Fraktion seine Politik erläutert.
"Ich werde jede erdenkliche Anstrengung unternehmen, um ein Abkommen zu erreichen, weil es unbedingt erforderlich ist. Außerdem glaube ich, dass die Idee, man könne 3,5 Millionen Palästinenser unter Besatzung halten (...) schlecht für Israel, die Palästinenser und die israelische Volkswirtschaft ist. Wir müssen uns befreien von der Herrschaft über 3,5 Millionen Palästinenser, deren Zahl nicht abnimmt, und ein diplomatisches Abkommen erreichen."
Die aktuelle Eskalation der Gewalt in Palästina bestätigt die Richtigkeit dieser programmatischen Einschätzung. Die Biografie von Blum und Hefez macht deutlich, in welchem Maße Scharon mit seiner bellizistisch-nationalistischen Großisraelpolitik den Boden für diese Eskalation bereitet hat, bevor ihn die Realität einholte. Die Autoren beschreiben, dass die Einsicht in die Notwendigkeit eines Politikwechsels durch US-amerikanischen Druck und die anhaltende Rezession in Israel befördert wurde und spekulieren, dass auch die Korruptionsverfahren gegen Scharon und seine Söhne den nie seine persönlichen Interessen vernachlässigenden Ministerpräsidenten veranlasst haben könnten, andere Schlagzeilen zu machen.
Blum und Hefez sind allzu wortkarg, wenn es darum geht, die Schattenseiten in Scharons Biografie auszuleuchten, sie vernachlässigen die Veränderungen in der politischen Kultur Israels, die Scharons Aufstieg erst möglich machten, sie pflegen mitunter einen nur schwer erträglichen Kolportagestil und schrecken nicht einmal vor Landsergeschichten zurück. Dennoch ist ihr Buch ein gewichtiger Beitrag zum Verständnis des Ariel Scharon und des politischen Umfelds, das die Karriere des ewigen Kriegers möglich gemacht hat.
Gadi Blum/Nir Hefez: Ariel Scharon. Die Biographie
Hoffmann & Campe. Hamburg 2006.
591 Seiten, 25 Euro
"Basierend auf einem von Finkelstein entwickelten System platzierten Adler und seine Helfer die israelischen Politiker nach ihrer jeweiligen Position in geopolitischen Fragen auf einer Skala von eins bis fünf. Für die extreme Linke setzten sie den Wert eins und für die extreme Rechte den Wert fünf fest. Scharon stand bei 4,7. Kalman Gajer, Adlers wichtigster Demoskop, schätzte, dass die Mehrheit der israelischen Bevölkerung zwischen 2,6 und 3,2 platziert war. Finkelstein vertrat die Ansicht, dass Scharon auf der Skala bei 2,7 liege müsse, wenn er (...) die kommenden Wahlen gewinnen wolle."
In Gadi Blums und Nir Hefez' Scharon–Biografie nimmt die wundersame Verwandlung des Kriegers und Provokateurs zum "guten Hirten" der Nation bei diesem Treffen ihren Ausgangspunkt. Der Kandidat präsentierte sich im Wahlkampf als "freundlicher Großvater", "der in den reifen Jahren bereit ist, "schmerzliche Zugeständnisse" für den Frieden zu machen. Das kam an. Scharon wurde am 6. Februar 2001 mit sensationellen 62 Prozent der Stimmen zum israelischen Ministerpräsidenten gewählt. Bis zum Ende seiner Amtszeit achtete der "König der Meinungsmanipulation" darauf, die 2,7 Punkte auf der Finkelstein-Skala zu halten. Dies gelang, obwohl er nichts unterließ, was die israelische Gesellschaft hätte spalten können.
Die einen schockierte er mit der Eskalation der Gewalt gegen die Palästinenser, schickte die Todesschwadronen des Militärs so oft wie keiner seiner Vorgänger in die besetzten Gebiete, die anderen brachte er mit Rückzugsplänen und der Planierung israelischer Siedlungen im Gazastreifen gegen sich auf. Auf Protest, das hatten Scharon und seine Berater richtig kalkuliert, stießen beide Politikansätze allerdings nur an den Rändern der Gesellschaft. Die Transformation der israelischen Gesellschaft war soweit gediehen, dass die übergroße Mehrheit den gezielten Morden applaudierte und gleichzeitig Scharons Rückzugsplänen zustimmte. Der Mann, der aus ärmlichen Verhältnissen kam, dessen Familienvermögen heute auf zehn Millionen Dollar geschätzt wird, der Parteien, Fronten, Freunde und Überzeugungen wechselte, wann immer sein Machtinstinkt ihm dazu riet, dieser Mann, so seine Biografen, sei der populärste Ministerpräsident Israels geworden.
"Herr Scharon kann Gott dankbar sein, dass das Schicksal ihn nicht dazu verurteilt hat, 1953 dem Kabinett Stalins anzugehören. Wenn sich die politische Führung damals einen Minister vom Hals schaffen wollte, den jeder fürchtete und dem niemand vertraute, dann wurden ihm auf einer Kabinettssitzung seine privaten Schusswaffen abgenommen, und man schickte ihn an einen Ort, von dem niemand mehr zurückkehrte."
So beschrieb der Leitartikler der liberalen Tageszeitung "Haaretz" im Februar 1983 den tiefsten Fall des Ariel Scharon. Im ersten Libanonkrieg hatte der von Menachem Begin ernannte Verteidigungsminister im großen Maßstab jene grenzen- und rücksichtslose Gewalt exekutieren lassen, für die er seit den 50er Jahren verehrt und verachtet wurde. Der 1928 als Sohn russischer Einwanderer auf einer ärmlichen Farm geborene Aufsteiger hatte es in der israelischen Armee bis zum Aufklärungsoffizier beim Nordkommando gebracht, das damals von Mosche Dajan geführt wurde.
"Im November 1952 bestellte ihn Dajan in sein Büro in Nazareth. Er überlegte laut, ob es wohl möglich sei, zwei jordanische Soldaten zu entführen. Vielleicht, meinte er, könne man sie dann gegen zwei israelische Soldaten austauschen, die bei einer Übung in der Nähe der jordanischen Stadt Kalkilja in Gefangenschaft geraten waren."
Scharon erledigte den unausgesprochenen Auftrag, der der heutigen Hisbollah-Taktik entsprach, die Israel im Frühsommer als Anlass für den zweiten Libanonkrieg diente. Auf solche Parallelen weist die Biografie zwar nicht explizit hin, aber der Subtext des Buches macht deutlich, dass die eigene Affinität zum Terrorismus, Scharons Brutalität und Gnadenlosigkeit gegen alle, die er als Feinde Israels ausmachte, mitbegründet. Jedenfalls, das belegen die Autoren, war er ganz in seinem Element, als er zum Kommandeur einer Spezialeinheit ernannt wurde, die bei ihren Vergeltungsschlägen keinerlei Rücksicht auf Zivilisten nahm. Diese Brutalität, die sich weder um Völker- noch um Kriegsrecht, im Zweifellsfall auch nicht um Befehle scherte, blieb die Konstante in Scharons Politik. Im Libanonkrieg von 1982 sollte die Armee einen 40 Kilometer tiefen Korridor besetzen und damit Raketenangriffe der Palästinenser beenden. So hatte es die Regierung beschlossen, doch Scharon führte seine Truppen eigenmächtig bis Beirut.
"Zu einem sehr peinlichen Moment kam es am 13. Juni (1982) als Ministerpräsident Begin im Fernsehen mit der Aussage zitiert wurde, die israelische Armee befinde sich nicht in Beirut, worauf unmittelbar ein Live–Bericht aus einem Außenbezirk der Stadt folgte, in dem vorüberfahrende Armeefahrzeuge zu sehen waren."
Die Kapitel über den Libanonkrieg gehören zu den schwächsten der Biografie. Die Autoren rekonstruieren akribisch die Potemkinsche Kommunikation zwischen der Armee und den Kabinettsmitgliedern, deuten aber nur an, mit welcher Rücksichtslosigkeit Scharon diesen Krieg führen ließ. Dass die israelische Armee den Libanon mit Phosphorbomben terrorisierte, wird verschwiegen, dass sie Streubomben einsetzte, verharmlost, die Zahl der zivilen Opfer nicht genannt. So bleibt unverständlich, warum so viele Soldaten sich gegen ihren obersten Befehlshaber wendeten, warum Offiziere mit Befehlsverweigerung drohten und warum US-Präsident Ronald Reagan ultimativ die "sofortige Einstellung aller Luftangriffe auf zivile Ziele" verlangte.
Ausführlicher gehen die Autoren auf das Massaker von Sabra und Schatila ein. Nach dem Abzug der PLO hatten die mit Israel verbündeten christlichen Milizionäre Hunderte von palästinensischen Zivilisten in den Beiruter Flüchtlingslagern abgeschlachtet. Scharon hatte den Marodeuren Zugang verschafft, die israelische Armee dafür gesorgt, dass niemand entfliehen konnte. In Tel Aviv erzwangen daraufhin 400.000 Demonstranten einen Untersuchungsausschuss, der dem Ministerpräsidenten die Entlassung des Verteidigungsministers empfahl. Es schien, als sei damit die politische Karriere des Ariel Scharon beendet, doch Begin behielt ihn als Minister ohne Geschäftsbereich in seiner Regierung und Scharon kämpfte um die Macht.
"(Er absolvierte…) Auftritte vor Likud-Aktivisten und entdeckte dabei jene Kraft, die künftig, die Grundlage für seinen Einfluss innerhalb der Partei bilden sollte: die Ortsgruppen des Likud. Scharons Ansehen begann vor allem unter den Fußtruppen der Partei in den verschlafenen Entwicklungsstädten im entlegenen Süden und im Norden zu wachsen."
Ausführlich beschreiben seine Biografen den unaufhaltsamen Wiederaufstieg des Ariel Scharon, seinen bizarren Kampf um den Vorsitz in der Likud-Partei, bei dem die Matadore auch schon mal mit Stuhlbeinen aufeinander losgingen. Scharon profilierte sich vor allem als Gegner jeglichen Friedensprozesses. Als Minister forcierte er die Siedlungspolitik, schuf damit Fakten, die den Tausch von Land gegen Frieden erschwerten. Mit dem Kauf eines Hauses im muslimischen Teil der Jerusalemer Altstadt heizte er die Stimmung an, die wenig später zur ersten Intifada führte. Im Jahre 2000 trug er mit seinem demonstrativen Besuch auf dem Jerusalemer Tempelberg wesentlich zum Ausbruch der zweiten Intifada bei.
Doch wie passt die Politik der Abkopplung, die Räumung des Gazastreifens, die Zustimmung zur road map, an deren Ende ein palästinensischer Staat stehen soll, in die Biografie des Ariel Scharon? Blum und Hefez zitieren aus einer Rede, in der der Ministerpräsident im Mai 2003 vor der Likud-Fraktion seine Politik erläutert.
"Ich werde jede erdenkliche Anstrengung unternehmen, um ein Abkommen zu erreichen, weil es unbedingt erforderlich ist. Außerdem glaube ich, dass die Idee, man könne 3,5 Millionen Palästinenser unter Besatzung halten (...) schlecht für Israel, die Palästinenser und die israelische Volkswirtschaft ist. Wir müssen uns befreien von der Herrschaft über 3,5 Millionen Palästinenser, deren Zahl nicht abnimmt, und ein diplomatisches Abkommen erreichen."
Die aktuelle Eskalation der Gewalt in Palästina bestätigt die Richtigkeit dieser programmatischen Einschätzung. Die Biografie von Blum und Hefez macht deutlich, in welchem Maße Scharon mit seiner bellizistisch-nationalistischen Großisraelpolitik den Boden für diese Eskalation bereitet hat, bevor ihn die Realität einholte. Die Autoren beschreiben, dass die Einsicht in die Notwendigkeit eines Politikwechsels durch US-amerikanischen Druck und die anhaltende Rezession in Israel befördert wurde und spekulieren, dass auch die Korruptionsverfahren gegen Scharon und seine Söhne den nie seine persönlichen Interessen vernachlässigenden Ministerpräsidenten veranlasst haben könnten, andere Schlagzeilen zu machen.
Blum und Hefez sind allzu wortkarg, wenn es darum geht, die Schattenseiten in Scharons Biografie auszuleuchten, sie vernachlässigen die Veränderungen in der politischen Kultur Israels, die Scharons Aufstieg erst möglich machten, sie pflegen mitunter einen nur schwer erträglichen Kolportagestil und schrecken nicht einmal vor Landsergeschichten zurück. Dennoch ist ihr Buch ein gewichtiger Beitrag zum Verständnis des Ariel Scharon und des politischen Umfelds, das die Karriere des ewigen Kriegers möglich gemacht hat.
Gadi Blum/Nir Hefez: Ariel Scharon. Die Biographie
Hoffmann & Campe. Hamburg 2006.
591 Seiten, 25 Euro