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Der Bendler-Block als Bühne

Es ist ein selten aufgeführtes Stück, das am Vormittag auf der sogenannten "Politischen Bühne" zu sehen war. Es zeigte ein Ein-Personen-Stück mit dem Titel "Der Rücktritt". In der Hauptrolle: Karl Theodor zu Guttenberg. Wer hinter der Bühne im Bendlerblock Regie führte, ist noch nicht klar.

Von Christian Gampert |
    Noch die Abschiedsvorstellung war kalkuliertes Theater: Ausgerechnet im Berliner Bendlerblock, wo Stauffenberg und einige andere Widerständler erschossen wurden, gab Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Rücktritt bekannt. Mit den hehrsten Absichten wollte er unser Verteidigungsminister sein, mindestens so reinen Herzens wie Stauffenberg - das ist der Subtext des Auftritts, der ärgerlich macht.

    Aber in den Ärger mischt sich Mitleid. Warum, so fragt man sich, hat diese eigentlich intelligente Figur sich derart ins Schlamassel geritten? Die Antwort ist einfach: Weil er sich für etwas Besseres hielt. Während der normale Hochstapler oder Tunichtgut, also etwa der Tartuffe oder der Dorfrichter Adam, in Komödie und bürgerlichem Trauerspiel angesiedelt ist, wähnte sich Guttenberg im Königsdrama, mindestens. Dass auch der König nicht alles kann und darf, dass man sich mit einer abgekupferten Doktorarbeit mindestens so lächerlich macht wie, bei Shakespeare, der sinnlos aufgedonnerte Malvolio mit seinen gelben Strümpfen, das hat der schneidige Selbstdarsteller ebenso wenig verstanden wie die traurige Wahrheit, dass in der Mediengesellschaft sehr schnell die Genres wechseln: vom Berliner Technokratenolymp geht es dann direkt in Volksstück, Lachtheater und Burleske, und etwas weiter warten schon Talkshow, TeleNovela und die Textflächen des World Wide Web.

    Der falsche Doktor, und mit ihm die gesamte christdemokratische Kamarilla um die Kanzlerin Merkel, haben tatsächlich geglaubt, man könne ein ganzes Land mithilfe einer einzigen Zeitung beherrschen, deren Namen wir nicht nennen, weil man sich mit ihr nicht einlassen darf. Fast hatten sie damit ja auch Erfolg: das Volk, so sagen die Umfragen, ist für Guttenberg. Aber das Volk, und das boulevardeske Volksstück, haben ihre Rechnung diesmal ohne die Intellektuellen gemacht.

    Der Doktor Faust mag ein verquälter Stubenhocker sein, kein besonders feuriger Liebhaber, überhaupt kein Tatmensch (wie Guttenberg). Aber man darf ihn nicht auf den Arm nehmen. Die versammelte Universität, das ist das Unglaubliche, hat dem hochfahrenden Guttenberg die Faust gezeigt, und gegen die geballte Verachtung der gesamten Wissenselite kann man nicht Minister sein, nicht bei Shakespeare, nicht bei Horváth, und erst recht nicht bei einer mediokren Gestalt wie dem Chefredakteur Diekmann, dessen mediales Geschöpf Guttenberg zuletzt war.

    Es wird schwer sein für die gefallene Hauptfigur, wieder so etwas wie Selbstachtung zu gewinnen. Er braucht Therapie, möge er gesunden. Viel schwieriger ist die Lage für die heimliche Regisseurin dieses Stücks, die ihren Protagonisten nicht per Machtwort entließ, als dessen Verfehlungen ruchbar wurden.

    Frau Merkel, die sie in Berlin Mutti nennen, wird möglicherweise nicht mehr lange auf dem Regiestuhl hocken. Wer eine Schmierenkomödie anrichtet, wer pure Schmiere an der Rampe duldet, der muss sich nicht wundern, wenn er dann selber ausrutscht. Und das sieht möglicherweise nicht mehr so zackig aus wie Guttenbergs Offiziersabgang, die Treppe hoch, im Bendler-Block.