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Der Berliner Bankenskandal

Sind es 3,5 Milliarden?

Anselm Weidner |
    Damit rechnet der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf von der PDS.

    Oder 35 Milliarden Euro?

    Mit Verlusten dieser Größenordnung bei der Berliner Bankgesellschaft rechnet die EU in Brüssel.

    Niemand weiß es ganz genau! Klar ist nur, dafür herhalten muss das Land Berlin, die mit 40 Milliarden Euro Schulden ohnehin schon gebeutelte Hauptstadt, sprich der Steuerzahler, und sicher ist auch: Schuld daran sind Bankmanager, Bauunternehmer und Politiker.

    Des Berliner Bankenskandals 1.Teil: Der Schuldner ist immer der Bürger.

    Es wurden notleidende Kredite verlagert, die Bilanzen damit geschönt und diese Kredite in Fonds gepackt, sie wurden versteckt...

    ... sagt Frank Zimmermann. Er ist SPD-Abgeordneter und Mitglied des Untersuchungsausschusses Bankenskandal im Berliner Abgeordnetenhaus. Und die Bankerin und Bankberaterin Mathilde Stanglmayr empört sich...,

    ...dass man einem Teil der Kunden die Risiken abgenommen hat. Kunden der Bank haben die Möglichkeit bekommen, ihre Immobilien an die Banktochter zu verkaufen. Diese Kunden waren das Risiko los. In der Tat ist es ja merkwürdig, dass etwa das Prinzip nicht befolgt wird, dass man einem schlechten Kredit nicht noch schlechtes Geld hinterher wirft...

    ... wundert sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Uwe Götze. Und der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Bankenskandal, der SPD-Abgeordnete Klaus-Uwe Benneter, klagt jene an,...

    ...die marode Immobilien in die Fonds gesteckt haben und damit versteckt haben, welches immense Risikos sich da im Bereich der Bankgesellschaft schon aufgebaut hatte.

    Mittlerweile haben sich bei der Bankgesellschaft Berlin schwergängige bis uneinbringbaren Kredite in einer Höhe von 14 Milliarden Euro angehäuft. So jedenfalls die Angaben der Beratungsfirma Consart.

    Song: Berlin ist pleite und das ist auch gut so. Die Andern werden kreidebleich, - Länderfinanzausgleich! Das ist en Grund zum Feiern, wir sind verrückt, und unsre Schulden zahl’n die Bayern.

    Wie konnte es zu diesem Finanzdesaster kommen – zur größten Pleite der deutschen Nachkriegsgeschichte?

    Am Anfang steht eine Bankenfusion: die Landesbank Berlin, die neue Berliner Hyp, die Sparkasse und zwei private, die Weber- und die Allbank, schließen sich unter dem Holdingdach der privaten Berliner Bank zur Bankgesellschaft Berlin zusammen. So war das fünftgrößte Bankinstitut in Deutschland entstanden – allerdings in einer Struktur, die die damalige finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Michaele Schreyer, inzwischen ist sie EU-Kommissarin in Brüssel, im November 1992 in heute prophetisch anmutenden Worten anprangerte:

    Wir finden es unerträglich, wie hier durch die Verquickung privater Interessen mit politischen Mandaten der Weg in die nächsten Bau- und Finanzskandale von Berlin geebnet wird, die Berlin von der CDU und der SPD aus der Vergangenheit sehr genau kennt, nur sollen die Skandale diesmal in einer anderen Dimension, der Metropolendimension betrieben werden.

    "Ein Werk geistig Gestörter", nennt dies der jetzige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin. Denn hier wurde eine Bank als private, auf Gewinnerzielung angelegte Aktiengesellschaft so mit einer öffentlich-rechtlichen Bank verbunden, dass im Zweifelsfall immer das Land Berlin als Gewährträger haftet, jenseits jeder parlamentarischen Kontrolle. Aber Berlin, Anfang der 90er Jahre im Hauptstadtfieber, wollte ganz schnell Finanzmetropole werden - wie London, Tokio, New York.

    Und wie wird man als Finanzplatz schnell ganz groß?

    Man spielt Monopoly, tut so, als lägen Baumärkte, Plattenbausiedlungen und Altersheime alle an der "Schlossallee". Man jubelt Immobilien aller Art zu Goldgruben hoch.

    Kurz: Der neue Bankkonzern setzte ganz aufs Immobiliengeschäft – obwohl für jedermann schnell sichtbar wurde, dass der Immobilienmarkt in Berlin und in den neuen Bundesländern viel weniger hergab, als er nach der Wende zu versprechen schien. Hilfreich waren die berühmt-berüchtigt guten Berliner Beziehungen zwischen Politikern, Bauunternehmern und Bankern - der alte Berliner Frontstadt-Subventionsfilz. Wie kein anderer steht dafür ein Mann: Klaus-Rüdiger Landowsky, über viele Jahre CDU-Fraktionsführer im Abgeordnetenhaus und als Vorstand der neuen Hypobank gleichzeitig Vorstandsmitglied der neugegründeten Holding Bankgesellschaft Berlin. Er gilt für viele als Hauptstrippenzieher und Schlüsselfigur im Berliner Bankenskandal.

    Das Verschleierungs- und Verwirrspiel beginnt: Die Berliner Bankgesellschaft gründete flugs eigene Immobilientöchter und Fondsgesellschaften für Immobilien-, Baumanagement und Vertrieb, ein Riesen-Schachtelimperium, mit dem einzigen Zweck, über die Auflage von immer neuen Immobilienfonds, - am Ende sollten es 54 sein- , die Nr.1 auf dem europäischen Immobilienmarkt zu werden.

    Da wurde eingekauft, was das Zeug hielt, quer durch die Republik und im Ausland. Ein Beispiel - aus dem Hochglanzprospekt für den LBB-Fonds 8: Wohnanlage in Berlin Pankow, Wohnanlage der AWO-Bau in Berlin Mitte, Wohnheim in Mainz, Kinocenter in Cottbus, Baumarkt in Bielefeld - insgesamt 12 sehr unterschiedliche Immobilien, und - wie sich bald herausstellen sollte - großteils wenig lukrativ.

    Soweit alles normal, aber Mathilde Stanglmayer wundert sich:

    Diese Immobilienfonds hat man mit marktunüblichen Garantien ausgestattet. Im wesentlichen sind zu nennen 25 Jahre Mietgarantie, marktüblich sind 5 Jahr. Und eine sog. Rücknahmegarantie, das Andienungsrecht: In 25 oder 30 Jahren bekommt der Anleger 100 Prozent bzw.115 Prozent des Nominalkapitals zurück, wenn er das möchte.


    Die Bankerin ist Mitglied der Fachgruppe der Initiative Berliner Bankenskandal. Eine Bürgerinitiative, die sich vorgenommen hat, nicht locker zu lassen. Sie will die Verantwortlichen des beispiellosen Berliner Finanzdesasters benennen und nach Auswegen suchen. Sie arbeitet mit Wissenschaftlern und Bankfachleuten an praktischen Vorschlägen zur Haftungsminimierung, mit IT-Leuten, die Websites zur kritischen Information über den Bankenskandal betreuen, und sie organisiert spektakuläre Aktionen.

    Zusätzlich zu den langen Laufzeiten und den Rücknahmegarantien garantierte die Bank den Fondsanlegern auch noch Mieteinnahmen, die nie und nimmer auch nur annähernd auf dem Immobilienmarkt hätten erzielt werden können. Gleichzeitig bot die Bankgesellschaft Fondszeichnern mit hoher Steuerprogression bis zu 87 Prozent Steuerersparnisse aus Verlustzuweisungen. Dies erscheint etwas merkwürdig, wo doch den Fondszeichnern wegen der außergewöhnlichen Garantien eigentlich gar keine Verluste entstehen konnten.

    Seit 1996/97 war in der deutschen Finanzwelt bekannt, dass die Berliner Bankgesellschaft Fonds zu Konditionen auflegte, die sie über kurz oder lang in den Ruin treiben mussten. – Und keiner hat Halt geschrieen: Die Banker nicht, die Bankenaufsicht nicht, die Politiker nicht.

    Spätestens 1999, als die Bankenholding ihrer Immobilientochter IBG einen Kredit über 7 Milliarden gewährte - doppelt so viel wie nach dem Kreditrecht zulässig -, hätte die Politik oder zumindest das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen einschreiten müssen. Doch auch diese neuerliche Krönung des ganzen Finanzdesasters blieb unter der Decke - bis zum April 2001.

    Da wurde bekannt, dass Klaus-Rüdiger Landowsky eine Parteispende von 40.000 DM von der Aubis-Gruppe erhalten und diese verschwiegen hatte. Aubis war mit Krediten von der Bankgesellschaft über 600 Millionen Mark groß ins Geschäft mit Plattenbauwohnungen eingestiegen. 40 000 war da ein lächerlicher Betrag im Verhältnis zu den Kredit- und Verlustsummen.

    Aber nun kam eine Lawine ins Rollen. Jetzt kommt u.a. heraus, dass die Aubis-Manager 5000 weitgehend unwirtschaftliche Plattenbauwohnungen in einen Fonds der Bankgesellschaft verschoben - und damit die Risiken auf das Land Berlin abgewälzt haben. - Eine, wie sich jetzt herausstellt, übliche Praxis des Bankenkonzerns. Das Ausmaß der Finanzmisere fängt an sichtbar und öffentlich zu werden. Darüber stürzt die Große Koalition in Berlin unter Eberhard Diepgen am 16.Juni 2001.

    Des Berliner Bankenskandals 2. Teil: Der Schuldner bleibt immer der Bürger.

    Den ganzen Tag über wurde noch um die Zustimmung gerungen. Doch mit dem nun verabschiedeten Risikoabschirmungsgesetz ist die schwer angeschlagene Bankgesellschaft Berlin vorerst gerettet.

    Aus einem Radiobericht vom 9.April dieses Jahres.

    Risikoabschirmung heißt: Das Land Berlin übernimmt bis zum Jahr 2032 eine Bürgschaft in Höhe von 21,6 Milliarden Euro für die bis dahin bekannt gewordenen möglichen Verluste der Berliner Bankgesellschaft. - Obwohl Berlin eigentlich selbst schon pleite ist, verpfändet sich die Stadt in der Höhe eines gesamten Jahreshaushalts an eine private Bank, die ihr zu 4/5 gehört. Wirtschaftlich ein Unding und sozial eine Katastrophe, meinen die Kritiker.

    Für 2003 sind in den Berliner Haushalt für die Abschirmung der Bankrisiken 300 Millionen Euro eingestellt. Die 70.000 Fondszeichner können also davon ausgehen, dass ihnen ihre garantierten Fondsgewinne ausgezahlt werden. In den Folgejahren muss mit deutlich höheren Beträgen gerechnet werden.

    Öffentliche Bäder und Theater müssen in Berlin geschlossen werden, für dringend nötige Sanierungsmaßnahmen von Schulen, Kliniken, Bibliotheken ist kein Geld mehr da. Alltäglich erleben die Berliner, was Sanierung des Haushalts auf dem Rücken der Bürger bedeutet. Zusätzlich zu den Kosten für die Wiedervereinigung und für die neue Rolle als Bundeshauptstadt nun noch diese gigantische Sozialisierung von Bankverlusten, die durch Missmanagement und nicht selten auch mit krimineller Energie zustande gekommen sind. Erzürnte Bürger:


    Wir haben die Nase voll von der Korruption. Es kann ja so nicht weitergehen, dass die eingenommenen Steuergelder für Spekulationsgewinne verwendet werden oder den Abschreibern zugeschrieben werden, das kann hier unmöglich so weitergehen. Die Leute müssen bis an die Pfändungsgrenze zur Rechenschaft gezogen werden. Ganz hart durchgreifen.

    Der Ärger wächst und Proteste werden lauter:

    Etwa 1500 Berliner hatten sich am ersten Septembersamstag zu einem Grunewaldspaziergang der besonderen Art auf den Weg gemacht. Ihr Ausflugsziel: die Villen ehemaliger Bankvorstände der Bankgesellschaft Berlin, u.a. Klaus-Rüdiger Landowsky.

    Ich finde, dieser Politiker ist sozusagen die Personifizierung der Komplizenschaft zwischen Politik und Ökonomie. Wir enthüllen das Denkmal für Klaus Rüdiger Landowsky für hervorragende Verdienste für Filz, Korruption und Plünderung der Bevölkerung. Mit Respekt wir Berlinerinnen und Berliner.

    Mit diesen Worten wurde feierlich eine Gipsbüste enthüllt, wie man sie vom Alten Fritz kennt, im Dreispitz, aber mit den deutlich erkennbaren Zügen von Klaus-Rüdiger Landowsky. Munter-ironisch ging es auf diesem Protestmarsch zu, organisiert von der Initiative Berliner Bankenskandal.

    Die Bank und der Senat prüfen nicht gründlich genug, wie die Lasten aus dem Bankenskandal verteilt, wie die Verluste verringert werden können, kritisiert die Initiative. Aber muss das so bleiben? Man müsse überall schauen, wo das Land, sprich der Steuerzahler, entlastet werden könne, mahnt auch der Wirtschaftsrechtler an der Berliner Humboldtuniversität Hans-Peter Schwintowski:

    Sind alle Verträge, die vorne mit den Fondszeichner gemacht worden sind, sind die alle wirksam? Diese überlangen Garantien, das bezahlt der Steuerzahler. Muss man da nicht mal über die Frage nachdenken, ob man zu Lasten des Steuerzahler wirklich unbegrenzt Anlagegeschäfte machen darf? Da gibt es Rechtsprechung des BGH, die immerhin zeigt, dass solche Geschäfte auch nichtig sein können.

    Man brauche endlich unbelastete Kontrolleure, fordert die wohnungspolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen und Mitglied im Untersuchungsausschuss Bankenskandal Barbara Österheld:

    Erstens einen ganz neuen Prüfer reinzuschicken, der mit allen Sachen nicht involviert ist, dass diese Bereitschaft offensichtlich nicht da ist. Das finde ich, ist fatal. Der zweite Punkt ist Aufsichtsräte, Regress und Schadensersatz. Das Land Berlin verweist immer noch darauf, ach die Bankgesellschaft macht doch und macht selber nichts, sowohl bei den Aufsichtsräten als auch, was die Risikoabschirmung betrifft.

    Wenn auch - bis auf zwei - alle Vorstandsmitglieder der Berliner Bankgesellschaft inzwischen entlassen sind, da ist immer noch ein gewisser Norbert Pawlowski, Chefcontroller und im Vorstand. Von ihm ist bekannt, dass er noch 1999 ein im letzten Augenblick geplatztes Insichgeschäft in der Karibik-Steueroase Cayman-Islands abschloss, das die Bankgesellschaft Berlin mit 800 Millionen Mark schädigte. Solche personelle Kontinuität macht misstrauisch, auch den Untersuchungsausschussvorsitzenden Klaus-Uwe Benneter. Er beklagt auch, dass das Risikoabschirmungsgesetz und die dazugehörige Detailvereinbarung unter großem Zeitdruck und ohne die nötige Sorgfalt zustande gekommen seien:

    Wenn das in dieser Schnelligkeit getan werden musste, muss jetzt natürlich alles daran gesetzt werden, dass diese Risikoabschirmung auch nur für Altgeschäfte gilt und sich nicht noch irgendwo ausdehnen darf auf neue Geschäfte, zumal also beispielsweise der Controller noch immer da am Werke ist im Vorstand der Bankgesellschaft; ein Vorgang der mir bis heute nicht erklärlich ist.

    Nur, die entstandenen Milliarden-Schäden zu begrenzen, betont Klaus-Uwe Benneter immer wieder, ist so einfach nicht, wie das etwa Prof. Schwintowski oder die Initiative Berliner Bankenskandal meinen, wenn sie die Fondsverträge einfach für sittenwidrig erklären, an die Fondszeichner und die Bankgesellschaft appellieren, die Verträge neu zu verhandeln oder Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die falsch testiert haben, meinen in Regress nehmen zu können:

    Es gibt für uns leider keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Verträge sittenwidrig sein könnten. Die Fondszeichner haben hier in keiner Weise mit den Sparkassenbediensteten vorsätzlich zum Schaden des Landes Berlin gehandelt, als sie diese Verträge geschlossen haben. Ich hab überhaupt nichts dagegen, wenn sich so Viele wie möglich darum kümmern, dass hier die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und dass wir all das aufdecken, was es hier an Missständen gegeben hat und auch an kriminellem Unrecht. Aber wogegen ich etwas habe ist, dass man hier mit Beschwörungsformeln kommt, und meint es müsste doch irgendetwas zu machen sein, man müsste doch irgendwas tun, und dann kommt man mit sehr naiven Überlegungen, sehr naiven Appellen. Da haben wir eben als Untersuchungsausschuss uns etwas realer zu verhalten, und uns wirklich auf die Verantwortlichen zu konzentrieren.

    Und immerhin seien in der Bankgesellschaft fünf Anwaltskanzleien tätig, die zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften und gegen Mitarbeiter der Bankgesellschaft prüfen. Aber dieses über 10 Jahre aufgebaute Geflecht von Bankern, Managern und Politikern zu durchdringen braucht Zeit. Zudem, so ist in den letzten Monaten gegenüber den Kritikern immer wieder eingewandt worden, gelte es, wieder Vertrauen in die Bank aufzubauen. Man spreche besser nicht so viel über die gewiss dunklen vergangenen Zeiten, tönt es unisono von der Bankgesellschaft und aus dem Roten Rathaus.

    Und last but not least geht es ja auch um die strafrechtliche Verfolgung derer, die für die Milliardenverluste verantwortlich sind. Und da bietet der Berliner Bankenskandal alles, was ein Lehrbuch über Wirtschaftskriminalität hergibt: Untreue und Betrug, Täuschung der Kontrollorgane, Bilanzfälschung, Konkursverschleppung, Risikoverschleierung, Wettbewerbsverstöße, - in bisher in Deutschland beispiellosen Dimensionen.

    Ich bin ja nun im Bereich der Bekämpfung von Wirtschaftsstrafsachen seit mehr als 30 Jahren tätig. Ich muss sagen, ein Sachverhalt, den ich aufzuklären hatte in einer solchen Größenordnung, von solch einer Dimension von Beteiligten oder potentiellen Mitbeschuldigten habe ich bisher noch nicht erlebt. Wir haben alleine für zwei Fonds aus dem Bereich Nürnberg etwas über 3000 Leitz-Ordner Material avisiert bekommen.

    Nur: Die Staatsanwaltschaft darf gar nicht mehr im vollen Umfang ermitteln: die möglichen Straftatbestände sind in den meisten Fällen verjährt. Sie ermittelt mit Oberstaatsanwalt Klaus-Peter Wulff, Leiter der Sonderermittlungsgruppe Bankengesellschaft, mit neun weiteren Staatsanwälten und zur Zeit drei und demnächst sechs Wirtschaftsreferenten gegen ca. 140 Personen - meist ungewöhnlich aufwendig zu recherchierende Fälle - und ist damit hoffnungslos unterbesetzt.

    Ermittelt wird jetzt ganz überwiegend wegen des Verdachts der Untreue, in Einzelfällen auch wegen vollendeten und versuchten Betruges. 58 Verfahren sind offen, 13 wurden schon wieder eingestellt und in bisher nur 2 Fällen wurde Anklage erhoben. Optimistisch geht der Leitende Staatsanwalt davon aus, in 5-7 Jahren könnten alle Verfahren abgeschlossen sein.

    Die Möglichkeiten der strafrechtlichen Aufarbeitung des Berliner Bankenskandals sind also sehr begrenzt und außerdem, so ist von der Sonderermittlungsgruppe zu hören, seien die betroffenen Banker und Politiker ja mit gesellschaftlicher Missachtung und Isolation schon gestraft genug.

    Und die unendliche Geschichte Berliner Bankenskandal geht weiter, ihr 3.Kapitel hat längst begonnen. Der Schuldner wird immer der Bürger bleiben. Kritische Beobachter der derzeitigen Verhandlungen des Senats mit drei Investoren über den Verkauf der Berliner Bankgesellschaft, einschließlich der lukrativen Berliner Sparkasse, wittern weitere Finanzakrobatik zu Lasten des Steuerzahlers.

    Vielleicht wäre es ja an der Zeit, den wiederholt vorgeschlagenen Bundeskommissar nach Artikel 37 des Grundgesetzes zwangsweise einzusetzen, um zu erledigen, was bisher kein Berliner Senat, egal welcher politischer Couleur, geschafft hat, die Berliner Finanzen in Ordnung zu bringen.