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Der besondere Fall
Atemnot und Herzrasen durch Lungenhochdruck

Katharina Osholaja war 31 und kam die Treppen kaum hinauf. Sie hat den seltenen idiopathischen Lungenhochdruck. Heute gehört sie zu den wenigen Betroffenen, die durch Medikamente ein normales Leben führen können. Doch bis dahin war es für die behandelnden Ärzte eine ziemliche Detektivarbeit.

Von Christina Sartori |
    Illustration der Lunge eines Kindes
    Illustration der Lunge eines Kindes (imago stock&people)
    Beim Treppensteigen fiel es Katharina Osholaja zum ersten Mal auf: Nur einige Stufen und die 31-Jährige Slowakin war am Rande ihrer Kräfte:
    "Ich musste halt die Treppen nach oben steigen. Und da habe ich schon gemerkt, dass ich Probleme mit meinem Atmen habe, und mein Herz ist auch schneller geschlagen. Ich dachte mir zuerst, dass ich vielleicht zu wenig Sport gemacht habe und vielleicht meine Lungen sind schon ein bisschen kaputt oder ... Und dann dachte ich mir vielleicht Sport, ich hab Sport versucht – ach nee, war echt schlimm."
    Bald sind es nicht nur Treppenstufen und Sport, die sie nach Luft ringen lassen. Schon kleinste Bewegungen im Alltag bereiten ihr Probleme, erinnert sich Katharina Osholaja:
    "Aber dann, wenn das schon so schlimm war, dass ich von Sofa nicht aufstehen könnte, dann ich wusste, dass etwas hier schlimm ist, etwas nicht richtig ist."
    Ihr Hausarzt stellt per Ultraschall eine Veränderung am Herzen fest.
    "Ich bin zu meinem Arzt gegangen und er hat bestätigt, dass meine rechte Seite von mein Herz großer als die andere, die linke ist."
    Ihr Arzt vermutet: Die Ursache für die Veränderungen an ihrem Herzen liegen in der Lunge: Lungenhochdruck. Das Blut fließt mit zu hohem Druck durch die Lunge und belastet dadurch auch die rechte Herzhälfte. Die versucht anfangs dem hohen Blutdruck standzuhalten, arbeitet dagegen an, wird dicker – und wird dadurch auf Dauer immer schwächer.
    Ärzte gehen von Blutgerinnsel in der Lunge aus
    Katharina Osholaja wird zu einem Spezialisten für Lungenhochdruck überwiesen: Dr. Hans Klose am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Mit einem Hinweis von ihrem Hausarzt: Vor sechs Jahren, noch in der Slowakei, entdeckte man eine Lungenembolie bei ihr, gegen die sie blutverdünnende Medikamente bekam.
    Fünf Jahre lang nahm die junge Frau diese Mittel und verspürte auch keine Probleme. Dann, inzwischen in Deutschland, setzt sie nach Rücksprache mit ihrem Arzt das Medikament ab.
    "Das ist auch tatsächlich richtig so, dass man nach einer Zeit das absetzen kann, dieses Medikament."
    Aber als Katharina Osholaja dann ein Jahr später nicht mehr tanzen kann, nicht mehr joggen, nicht mehr Treppensteigen, ohne dass sie nach Luft schnappt und ihr Herz rast - Da scheint es sehr einleuchtend, dass ein neues Blutgerinnsel in der Lunge dafür verantwortlich ist, erklärt Hans Klose:
    "Tatsächlich sind wir dieser Fährte aufgesetzt, weil sie so klassisch war. Wir sind davon ausgegangen, dass tatsächlich eine Lungenembolie vorliegt und wiederholte Lungenembolien können tatsächlich dazu führen, dass es zu einer Belastung des Herzens kommt."
    Um diesen Verdacht zu bestätigen, macht man genaue Bilder von Katharina Osholajas Lunge, beschreibt der Leiter der Abteilung für Lungenheilkunde:
    "Da haben wir ehrlicherweise nichts gesehen – das spricht aber nicht dagegen das kleinere Lungenembolien vorliegen, weil man die mit dieser Technik nicht immer sauber sehen kann."
    Die Ärzte untersuchen auch, wie gut die Lunge durchblutet und durchlüftet ist. Das Ergebnis scheint den Verdacht zu bestätigen: Blutgerinnsel in der Lunge führen zu einem Lungenhochdruck, der wiederum das Herz belastet.
    Doch keine Gerinnsel in der Lunge
    Die Lösung: Die Blutgerinnsel herausschneiden. Ein großer Eingriff, betont Hans Klose:
    "Das ist mit Abstand meines Erachtens eine der größten und bizarrsten Operationen, die man so machen kann, weil: Man muss wissen, man kann ja nicht am schlagenden Herzen Lungengefäße öffnen. da würde man relativ schnell verbluten. D.h. man muss das Ganze im Herzkreislauf-Stillstand machen."
    Dafür wird der Patient in eine Art Winterschlaf versetzt: Er wird runter gekühlt, bis der Kopf 18 Grad kalt ist.
    "Dann ist man auf der sicheren Seite, den Kreislauf für im Mittel pro Seite 20 Minuten auszustellen. Das heißt, 20 Minuten lang ist der Patient eigentlich, nach formaler Sichtweise tot und hat keinen Herz-Kreislauf mehr, keinen Herzschlag mehr."
    Diese Operation ist so schwierig und komplex, dass Hans Klose seine Patientin in ein Zentrum in Bad Nauheim schickt, wo man viel Erfahrung damit hat. Aber dort gibt es eine Überraschung: Eine weitere Untersuchung der Lunge zur Vorbereitung der Operation zeigt: Es liegt doch keine Lungenembolie vor. Die Operation wird abgesagt, Katharina Osholaja kehrt zurück nach Hamburg.
    "Es hat sich nicht bestätigt, die haben gedacht dass ich vielleicht Blut in meine Lunge noch habe und die können das mit OP rausbringen, aber: Hat nicht geklappt. Hab kein Blut in meine Lunge, nur Hochdruck, und sie wissen nicht, woher das kommt."
    Sie finden zwar keine Lungenembolie, doch die Ärzte in Bad Nauheim erkennen, dass man jetzt keine Zeit verlieren darf, denn der jungen Frau geht es schlecht. Und so bekommt Hans Klose sofort einen Anruf aus Bad Nauheim mit der klaren Information:
    "Pass auf, die ist wirklich krank, die hat einen riesigen Druck im kleinen Kreislauf, die hat eine unglaubliche Herzbelastung – kümmer dich! Wir schicken sie morgen zurück und dann guck' sie bitte übermorgen an."
    Seltene Krankheit – aber manche sprechen auf Tabletten an
    Das tut er. Und nachdem alle anderen Ursachen ausgeschlossen wurden, stellt Hans Klose schließlich fest: Katharina Osholaja leidet an einer sehr seltenen Form des Lungenhochdrucks, dem sogenannten idiopathischen pulmonalen Lungenhochdruck. Nur etwa 4.000 Menschen in Deutschland sind davon betroffen. In der Regel kann er nicht spezifisch behandelt oder geheilt werden.
    "Dann hat das mir Dr. Klose erzählt, was das genau ist, dann hatte ich Angst bekommen natürlich, weil ich nur 31 Jahre alt bin, und ich hab einen Sohn zu Hause und ich war mir nicht sicher, was in Zukunft passiert."
    Aber eine Chance gibt es noch: Eine weitere Herzkatheter-Untersuchung soll zeigen, ob bestimmte Medikamente ihr helfen können, den Druck in der Lunge zu normalisieren. Und Katharina Osholaja hat Glück im Unglück:
    "Wir haben dann noch mal einen Katheter gemacht und tatsächlich, in dem Katheter hat sich der Druck komplett normalisiert."
    Nur etwa fünf Prozent aller Patienten mit dieser besonderen Form des Lungenhochdrucks sprechen auf diese Medikamente an, die nicht nur billig, sondern auch gut verträglich sind.
    Bei Katharina Osholaja haben die Tabletten schon nach einigen Tagen gewirkt – und tun das auch weiterhin:
    "Es ist viel besser jetzt, ich kann auch Sport machen und ich kann auch mehr Arbeit machen. Früher ich war meistens zu Hause, weil mir schlecht war und jetzt kann ich endlich normal leben haben. Ich kann echt so viel Sachen so machen, auch mit meinem Junge."