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Der besondere Fall
Morbus Wegener: Heilung auf Umwegen

Morbus Wegener ist eine Autoimmunerkrankung. Sie tritt selten auf und verursacht verschiedenste Symptome. Darum ist es schwierig, sie zu diagnostizieren. Den Leidensweg von den ersten unspezifischen Symptomen bis zur Diagnose und erfolgreichen Behandlung mit Kortison und Anti-Krebsmitteln hat ein 32-Jähriger durchlitten.

Von Mirko Smiljanic | 19.07.2016
    Ein Artzt im weissen Kittel erläutert einem Patienten, den man nur von hinten sieht, das, was auf einer medizinischen Tafel erläutert ist.
    Solange Morbus Wegener nicht korrekt behandelt wird, kann es gefährlich werden. (Andrea Castillo-Sohre)
    "Die ersten Symptome fingen damit an, dass ich morgens aufgestanden bin und leichte Schmerzen im Schulterbereich hatte, da dachte ich als erstes, das wäre falsch gelegen im Bett," erinnert sich dieser 32-jährige. Seit einigen Jahren arbeitet der Sohn eines indonesischen Vaters und einer deutschen Mutter in der Sicherheitsbranche. Kein aufreibender Job, der die Gesundheit angreift.
    "Das hat sich dann Tag für Tag aber immer mehr verschlimmert, und die Schmerzen sind dann auch immer weiter gewandert, das heißt in die Füße sind die Schmerzen gewandert, das heißt, dass ich morgens aufgestanden bin und konnte mich erst mal zehn Minuten nicht bewegen."
    Unangenehm sind die Symptome, respekt- und furchteinflößend, ein Arzt soll Klarheit schaffen. Er konsultiert einen Orthopäden, der ein Blutbild erstellen lässt, sich seine Vorgeschichte anhört und dabei unter anderem erfährt, dass sein neuer Patient an einer Schuppenflechte leidet. Mit dieser Information verdichtet sich für den behandelnden Arzt die Diagnose: Der junge Mann ist an einer Psoriasis-Arthritis erkrankt, einer Schuppenflechten-Arthritis, bei der sich Gelenke vorwiegend an den Händen und Füßen entzünden.
    Ein paar Wochen helfen die Medikamente, länger nicht
    Der Orthopäde verordnet Ibuprofen, ein Schmerzmittel und Entzündungshemmer, sowie Metex-Spritzen, die das Immunsystem schwächen und so die körpereigene Abwehr unterbinden. Ein paar Wochen helfen die Medikamente, leider nicht länger.
    "Die Schmerzen wurden immer schlimmer und die Abstände der Schmerzen wurden immer weniger."
    Der Zustand des Hamburgers verschlimmert sich dramatisch: Er verliert innerhalb von vier Wochen sechs Kilogramm Gewicht, im Mund bilden sich Geschwüre, die Schleimhäute verfärben sich dunkel, seine Augen entzünden sich, die Schmerzen wandern mittlerweile in alle Körperregionen. Panik macht sich breit beim Patienten und seiner Familie, zumal eine neu hinzugezogene Ärztin ebenfalls nicht helfen kann.
    "Die Ärztin meinte nur, ja, das ist normal, das sind Nebenwirkungen, wir meinten, wir brauchen eine Einweisung ins Krankenhaus, die sie uns dann nicht ausgestellt hat. Nur auf Nachfrage meiner Mutter noch mal hatte dann die Arzthelferin gesagt wegen meiner Augen, dass in Eilbek wegen meiner Augen noch mal untersucht werden muss."
    Er bekommt Kortisontropfen für die entzündeten Augen, die aber nur wenige Tage helfen. Die Symptome kehren mit voller Wucht zurück.
    "Dann haben wir wieder die Ärztin angerufen, haben dann gebeten um einen neuen Termin, wo uns dann nur gesagt worden ist, kommen Sie bitte in einer Woche, dann habe ich Zeit für Sie, obwohl ich gesagt habe, hallo, ich bin Ihr Patient, Sie müssen doch jetzt mal meine Symptome behandeln, Sie müssen doch mal gucken, was das jetzt ist, die Ärztin hat so gut wie gar nichts gemacht, auf Deutsch gesagt im Stich gelassen."
    Welche Ursache haben die vielen Symptome?
    "Und am Ende war es so schlimm, dass seine Familie und er den Notarzt geholte haben und er dann zu uns in Krankenhaus, ins AK-Altona, in die Notaufnahme gekommen ist und es war am Anfang ja gar nicht klar, was er überhaupt hat."
    Dr. Martin Krusche, Assistenzarzt in der Asklepios Klinik Altona:
    "Ihm ging es wirklich sehr, sehr schlecht, er hatte hohes Fieber gehabt, war in einem desolaten Zustand, dass man Sorge gehabt hat, wo geht das hin. Er ist dann zunächst stationär aufgenommen worden und ich habe ihn dann erstmals an einem Sonntagsdienst gesehen, da lag er auf einer anderen Station, weil wir gar keine Betten hatten, und dann ging das ganz los, das Suchen der Nadel im Heuhaufen so ein bisschen."
    Welche Ursache haben die vielen Symptome? Ist es ein schwerer bakterieller Infekt? Ein Tumor? Probleme mit dem Immunsystem? Die Diagnostik wird breit angelegt:
    Das Labor ermittelt alle relevanten Blut- und Urinwerte, Nieren und Leber untersucht Martin Krusche mit dem Ultraschall, zusätzliche veranlasst er eine Nierenbiopsie sowie Röntgen- und CT-Aufnahmen der Lunge und Bronchien. Ein erster Verdacht keimt.
    "Es ist eine Erkrankung, die den Atemtrakt mit betrifft, häufig haben die Patienten Husten, vor allem Nasenbluten, borkigen Auswurf, die Erkrankung kann die Gelenke schwer mit betreffen, sie kann aber auch die Niere wie bei ihm auch mit betreffen, es kann dazu kommen, dass man Blut im Urin hat, Eiweiß im Urin hat, das merkt man vor allem daran, dass der Urin sehr stark schäumt, und das sind alles Symptome, die in der Zusammenschau auf einen Morbus Wegener hindeuten können."
    Ein Ende der Behandlung ist nicht in Sicht
    Morbus Wegener oder die Wegener Granulomatose ist Krusches Verdachtsdiagnose. Sie zählt zu den chronisch verlaufenden, entzündlichen Erkrankungen der kleinen Blutgefäße. Knotenartige Verdickungen, Granulome, bilden sich vor allem in der Lunge und im Nasen-Rachenraum.
    Das Immunsystem bildet aufgrund falscher Signale Antikörper gegen körpereigene Zellen. Ursache könnten Inhalationsstoffe sein, die im Körper eine Hypersensibilisierung auslösen. Infektionen der Nasenschleimhaut mit Bakterien wie Staphylococcus aureus gelten ebenfalls als Auslöser. Teile der Bakterien aktivieren Immunzellen und führen zu einer überschießenden Immunreaktion.
    "Zum einen ist das keine sehr häufige Erkrankung, und zum anderen ist das eine Erkrankung, die sehr, sehr viele unterschiedliche Symptome macht, sodass man zunächst mal an sehr viele andere Erkrankungen denken muss. Und weil es eine seltene Erkrankung ist, die mit vielen anderen Dingen verwechseln kann, am Anfang lief das ja noch unter Psoriasis-Arthritis ..."
    Glücklicherweise lässt sich Morbus Wegener mit Medikamenten gut kontrollieren. Der Patient bekommt Kortison und Cyclophosphamid, ein Mittel zur Krebstherapie und schweren Verläufen von Autoimmunerkrankungen. Binnen weniger Wochen geht es ihm besser.
    Heute erhält der 32-jährige noch alle sechs Monate eine Infusion, allerdings muss er regelmäßig zum Rheumatologen, der den Zustand von Nieren und anderen Organe untersucht. Ein Ende der Behandlung ist nicht in Sicht.
    "Das hat sich dann von den Schmerzen her relativ gut entwickelt, die Schmerzen gingen relativ schnell weg dann, ich fühlte mich auch sehr gut informiert und behandelt, muss ich sagen!"