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Der BND und das Auskunftsrecht
Lieber in Ruhe weitermauscheln

In vertraulichen Hintergrundgesprächen sticht der BND Infos an Journalisten durch - hat aber wenig Lust, offiziell Auskunft zu geben. In seiner Glosse macht Arno Orzessek hierzu einen konstruktiven Vorschlag.

Von Arno Orzessek |
    Das Logo des Bundesnachrichtendienstes durch eine Glastür betrachtet.
    Der BND will vom Presse-Auskunftsrecht komplett ausgenommen werden. (picture alliance / dpa / Reuters Pool)
    Mal ehrlich: Könnten Sie aus dem Stand erklären, was eine "Bereichsausnahme" ist und wo die sprachlichen Lebensräume dieses Wortes liegen? Antworten Sie jetzt bitte nicht aus Prestigegründen "Klar doch", während Sie auf dem Smartphone hektisch bei Wikipedia nachschlagen. Sie würden sich blamieren! Wikipedia kennt kein Stichwort namens "Bereichsausnahme".
    Der BND will Journalisten nichts mehr sagen müssen
    Aber um Sie nicht länger zappeln zu lassen - "Bereichsausnahme" bedeutet nach unserer erschöpfenden Recherche: Irgendein Bereich im Recht, in der Wirtschaft oder im zivilen Leben wird von irgendwas ausgenommen, meistens von einer Regel, einem Gesetz oder einer Vorschrift. Das liebreizend bürokratische Wort ist also tatsächlich der reinste Klartext und nichts Verzwickt-Fachchinesisches.
    Zugegeben: Diese schöne Erkenntnis hätten wir ohne Zutun des Bundesnachrichtendienstes - das ist der Dienst, der im Ausland spioniert - niemals erbeutet. Der BND beansprucht nämlich dieser Tage vor dem Bundesverwaltungsgericht eine wirklich delikate Bereichsausnahme. Er will sein gesamtes Tun und Lassen vom Presse-Auskunftsrecht ausgenommen wissen. Ein Recht, das keineswegs journalistische Quengelköpfe erfunden haben. Nein, die Verfassung garantiert es.
    Nicht so richtig verfassungskonform
    Seinen Willen zur nicht so richtig verfassungskonformen Extrawurst begründet der BND in etwa so - wir bitten kurz um erhöhte Aufmerksamkeit: Weil das operative Geschäft des Spionage-Dienstes, für das schon bisher eine Bereichsausnahme galt, mit sonstigen Arbeitsbereichen innig verknüpft ist, soll die Ausnahme zur Regel für alle Dienstbereiche werden. Ansonsten wäre die schon bestehende Bereichsausnahme de facto für die Katz, meint der Dienst.
    Falls Sie der bestechenden Argumentation nicht folgen konnten, hier das Ganze nochmal anders: Der BND will Journalisten gar nichts mehr sagen müssen, um nicht nebenbei das auszuplaudern, worüber er bisher von Gesetzes wegen schweigen durfte.
    Hintergrundgespräche sind Schildbürgerstreiche
    Dabei ist der BND gar nicht so jungfräulich zugeknöpft, wie man immer meint. In sogenannten Hintergrundgesprächen kann seine angeborene Medien-Aversion durchaus verfliegen. Man muss dazu wissen: Solche Gespräche sind lustige kommunikative Schildbürgerstreiche. Geheimdienstler, Politiker und vergleichbare Amtsfiguren sagen geschmeichelten Journalisten in vertrauter Runde etwas, was diese - großes Indianer-Ehrenwort - nicht weitersagen dürfen. Nicht selten jedoch trotzdem weitersagen, nur halt ohne Angabe der Quellen. Und genau darauf zielen die Quellen oft genug ab. Denken Sie zum besseren Verständnis an Billard, wo man auch eine Kugel mit einer anderen ins Loch stößt, im Zweifel über Bande.
    Der BND zum Beispiel hat ausgesuchten Journalisten russlandkritische Spionage-Früchte zugesteckt, lange bevor Präsident Bruno Kahl selbige öffentlich präsentierte. Und dass die Gülen-Bewegung womöglich gar nichts mit dem 2016er-Putsch gegen Erdogan zu tun hatte, ging auch verdächtig oft durch die Presse, bevor sich Kahl in genau diesem Sinne äußerte.
    Keine Extrawürste für einzelne Journalisten
    Das neue Problem dabei: Erfahren ein paar Journalisten hinten rum Interessantes, haben laut Eilbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts, der auf Antrag eines Tagesspiegel-Redakteurs erging, alle Kollegen das Recht auf die interessante Information. Und wenn das so immer umgesetzt würde, wäre es mit der ehrwürdigen Mauschel-Institution Hintergrundgespräch natürlich ratzfatz vorbei.
    Das aber findet der BND echt uncool. Er will lieber weitermauscheln, wenn es ihm gefällt – aber zugleich die Segnungen der totalen Bereichsausnahme genießen, die es ihm erlauben, nach Gusto komplett die Klappe zu halten. Also uns kommt das alles ziemlich spooky vor. Und warum ein Dienst, der kommunikativ derart biestig drauf ist wie der BND, ausgerechnet Nachrichtendienst heißt, das bleibt uns sowieso ein Rätsel.
    Der neue "Bereichausnahmedienst"
    Falls er wirklich die Doppelportion Extrawurst bekommt, sollte der BND sofort in Bundes-Bereichsausnahmedienst umgetauft werden. Dann kapiert wenigstens jeder Bürger sofort, dass er sowieso nicht kapiert, was die da eigentlich treiben. Übrigens, Indianer-Ehrenwort: Es war nicht der BND selbst, der uns diesen konstruktiven Vorschlag souffliert hat.