Wenn mal wieder auf der Titelseite einer britischen Tageszeitung in großen schwarzen Lettern eine "Brexit"-Schlagzeile prangt, dann ist das auch Rohstoffeinfuhren aus der Europäischen Union zu verdanken. Das Zeitungspapier kommt aus Schweden oder Finnland, die Druckfarbe aus einem Chemiewerk in den Niederlanden oder Belgien. Der britische Printmarkt ist abhängig von Importen aus der EU. Vor dem drohenden Brexit zittert auch jene Branche, welche die "Druckerschwärze" für Zeitungen, Magazine und Bücher produziert.
"Die Unternehmen bereiten sich seit Monaten auf ein No-Deal-Szenario vor", sagt Ellen Daniels vom Branchenverband BCF. 95 Prozent der Farbhersteller würden Handel mit der EU betreiben. Mehr als die Hälfte der Rohstoffe kämen aus der Europäischen Union. Sollte Großbritannien Ende März ohne Deal austreten, fielen sofort Einfuhrzölle von 6,5 Prozent an. Laut Ellen Daniels von der BCF stelle man sich allerdings nicht nur auf höhere Kosten, sondern auch auf Lieferengpässe bei einem No-Deal-Szenario ein:
"Viele Unternehmen haben Produkte für zwei bis vier Wochen länger als sonst eingelagert. Einige haben auch ihren Mitarbeiterstab aufgestockt, für den Fall, dass zum Beispiel Lastwagenfahrer nicht rechtzeitig zurückkehren. Es gibt Bedenken wegen drohender Verzögerungen an der Grenze. Wir sind eine Industrie, die just-in-time produziert. Einige haben ihre Lieferwege schon auf Häfen umgelenkt, wo es im Moment noch etwas mehr Kapazitäten gibt."
Auf der Suche nach mehr Lagermöglichkeiten
Dass die Zeitungsleser von diesen Vorbereitungen erfahren, ist eher selten: Die Wochenzeitung "The Economist" ließ seine Leser wissen, dass bereits 30 Tonnen des speziellen Druckpapiers aus den Niederlanden für das Cover seiner britischen Ausgabe eingelagert seien.
Die Schwierigkeit besteht im Moment darin, sich auf eine Situation Ende März vorzubereiten, von der noch niemand weiß, wie sie genau aussehen wird. Diese Unsicherheit setze der gesamten Branche zu, sagt Charles Jarrold vom Printverband BPIF. "Es gibt eine große Verunsicherung über den gesamten Ablauf. Das ist sehr frustrierend für alle, aber keiner weiß, wie es ausgehen wird."
Wer kann, hortet Druckfarbe und Zeitungspapier auf Vorrat. Fast die Hälfte der Unternehmen habe schon die Regale aufgefüllt oder schaue sich nach Lagermöglichkeiten um, sagt Charles Jarrold. "Die Lagerbestände werden, wo möglich, um ein bis zwei Monate aufgestockt. Die britische Printbranche ist zwar insgesamt 14 Milliarden Pfund wert und damit ein ziemliches Schwergewicht. Sie besteht aber vor allem aus kleinen und mittelständischen Betrieben. Bei denen gibt es nicht die finanziellen Möglichkeiten, so erheblich das Lager aufzustocken."
Drucken in Niedersachsen statt Cornwall
Beim Hochglanz-Magazin "Monocle" will man das Risiko, dass es zu Lieferengpässen kommt, gar nicht erst eingehen. Magazinchef Tyler Brûlé hat das Heft vor zwölf Jahren auf den Markt gebracht: "Monocle ist insofern besonders, als dass die Hauptredaktion zwar in London sitzt, es aber vor allem eine internationale Zeitschrift ist. 80 Prozent unserer Hefte verlassen jeden Monat das Land. Sie werden mit Flugzeugen, auf Lastern und Schiffen um die Welt geschickt. Da war es notwendig, sicherzustellen, dass die Lieferkette nicht unterbrochen wird. Das schulden wir unseren Lesern und unseren Werbekunden. Dieser Umstand hat uns dazu gezwungen, uns anderswo nach einer Druckerei umzusehen."
Tyler Brûlé ist schließlich in Deutschland fündig geworden: Das Monocle-Magazin kommt jetzt aus einer niedersächsischen Druckerpresse, statt aus dem englischen Cornwall. Das Brexit-Referendum zeigt bereits Auswirkungen: Es wird befürchtet, dass mit dem EU-Austritt der britischen Printbranche die tiefen Einschnitte erst noch bevorstehen.