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Der Daimler und das Ländle

„Wenn Daimler hustet, ist das ganze Land krank“, dieser Satz fällt in diesen Tagen in Baden-Württemberg immer wieder. Das Musterländle ist durch die Krise bei den Autobauern schwer angeschlagen und eine Heilung ist nicht in Sicht. Jeder siebte Arbeitsplatz im Land hängt direkt von der Automobilindustrie ab. In guten Zeiten war das ein Segen, in schlechten Zeiten wird dieser Umstand zum Fluch.

Von Uschi Götz |
    Ankommen als wäre man nie weg gewesen – Die neue E-Klasse. Willkommen zuhause.

    Ein etwa 20 Meter langes Werbeplakat wirbt direkt vor den Toren des Daimler Motorenwerks in Untertürkheim für das neue Modell. Es muss Geld in die Kassen bringen, und den Bandarbeitern wieder Arbeit. Alles soll so sein wie früher, vor der Krise, als der Daimler noch ein florierendes Unternehmen und einer der zuverlässigsten Arbeitgeber Deutschlands war: Ankommen als wäre man nie weg gewesen. Doch so groß der Wunsch, die Lage ist prekär. Nächste Woche, ab 1. April, werden mehr als ein Drittel der Beschäftigten in Kurzarbeit gehen. Das kündigte Konzernchef Dieter Zetsche Mitte der Woche in Berlin an. Er sprach gar von einer Jahrhundertkrise. Bis Ende 2011 haben Mitarbeiter des Autobauers Daimler eine vertraglich gesicherte Arbeitsplatzgarantie.

    „Da würde ich keinen Cent drauf legen. Es ist zwar vertraglich festgelegt, aber Verträge sind dazu da, um sie zu brechen.“
    Er ist nicht der einzige Mitarbeiter von Daimler, der Angst um seinen Arbeitsplatz hat. Der Südwesten und das Auto, eine nicht zu trennende Einheit – bis vor kurzem noch. Das Automobil wurde in Württemberg und Baden erfunden. Keine andere Region ist historisch so eng mit Daimler verbunden wie Baden-Württemberg. „Wenn der Daimler hustet“, heißt es im Volksmund, „ist das Land krank“. Daimler ist seit Monaten schwerstkrank und es bedarf wohl eines Wunderheilers, um die Marke zu kurieren.
    Am 17. März, an seinem 175. Geburtstag, wurde im schwäbischen Schorndorf des Auto-Pioniers Gottlieb Daimler gedacht. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG sagte in Schorndorf, aus dem „Pioniergeist“ und „Fleiß“ Gottlieb Daimlers könne die Nachwelt und der gleichnamige Autobauer heute lernen. Die Zukunft verlange „nicht weniger als eine zweite Erfindung des Automobils“, so Zetsche. Die Unternehmen könnten gerade jetzt viel von Gottlieb Daimler lernen, denn dieser habe sich nie mit dem „Status quo“ zufriedengegeben. Die spritsparenden Autos, die bislang auf dem Markt seien, genügten noch nicht. „Daimler hätte sicher gesagt: Es muss in einigen Jahren noch besser gehen. Also forscht noch ä biss'le!“
    Vielleicht hätte er auch gesagt: „Sucht euch einen, der den Karren aus dem Dreck zieht“. Denn das haben die Vorstände jetzt getan. Zu Beginn der Woche hat Daimler einen zweiten arabischen Investor als Großaktionär ins Unternehmen geholt. Die Investmentgesellschaft des Emirats Abu Dhabi stieg mit 9,1 Prozent bei Daimler ein. Mit Kuwait ist Abu Dhabi der zweite arabische Großaktionär. Zwei Milliarden Euro kommen so in die Kassen von Daimler. Dieter Zetsche auf einer Pressekonferenz mit dem neuen Investor:

    „Wir bekommen so einen Schlüsselinvestor, der sich langfristig engagiert und wir verbessern unsere Kapitalposition und schaffen eine starke Partnerschaft für zukünftige Projekte.“
    Die Partnerschaft sieht unter anderem vor, Elektroautos zu entwickeln. Gerade jetzt erhöhe der Geldzufluss die Schlagkraft des Unternehmens, in die Zukunft zu investieren, sagte Zetsche. Er könne sich zum Beispiel ähnlich wie in Berlin auch in der Golfregion vorstellen, Elektrofahrzeuge zu testen. Das Geld aus Abu Dhabi sei bereits überwiesen worden, so Daimler-Chef Dieter Zetsche

    „Und wenn jetzt hier ein ganz wichtiger Teilnehmer im Kapitalmarkt eine solche grundlegende Entscheidung trifft, dann ist es sicherlich ein positives Signal, ganz bestimmt für Daimler, aber ich glaube darüber hinausgehend für die ganze Automobilindustrie.“
    Und für das ganze Land Baden-Württemberg. Jeder siebte Arbeitsplatz im Land hängt direkt von der Automobilindustrie ab. In guten Zeiten war das ein Segen, in schlechten Zeiten wird dieser Umstand zum Fluch. Gleichzeitig ist Baden- Württemberg wie kein anderes Bundesland vom Export abhängig. Fast jeder zweite Euro wird im Ausland verdient.
    Was dazu führt, dass die Weltwirtschaftskrise Baden-Württemberg härter trifft als alle anderen Bundesländer. Stuttgart ist mittlerweile die Hauptstadt der Kurzarbeit. Auftragseinbrüche in der Industrie lassen die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal nach ersten Schätzungen um vier Prozent sinken. Der größte Rückschlag seit 13 Jahren. Im Februar sagte Südwestmetallchef Dr. Jan Stefan:

    „Die Lage in der Metall- und Elektroindustrie spitzt sich zu. Wir haben deutlich weniger Aufträge. 80 Prozent der Unternehmen klagen über weniger Aufträge. Wir haben viele viele Stornierungen, der Umsatz geht runter und jetzt müssen unbedingt die Kosten gesenkt werden.“

    Kosten senken? Die Krise als Chance nutzen? Fragt sich nur: Wie?

    Plochingen am Neckar. Ab hier ist der Neckar schiffbar. Im kleinen Hafen liegt ein 30 Meter langes Binnenschiff. Am Ufer türmt sich ein 20 Meter hoher Haufen aus Blech- und Metallteilen auf. Im Plochinger Hafen hat das Recyclingunternehmen Kaatsch seinen Sitz. Eigentlich müsste der Laden zurzeit brummen. Viele Eigentümer alter Autos lassen sich die Abwrackprämie nicht entgehen und lassen ihre Fahrzeuge verschrotten, doch die Rohstoffpreise sind dramatisch gesunken. Also verdient Firmenchef Hermann Wager nicht viel an dem Schrott. Ein in guten Zeiten wertvoller Stoffkreislauf ist zurzeit unterbrochen:

    „Wir sind hier im Standort Plochingen abhängig von der Industrie. Unser Aufgabe sehen wir im Rohstoffrecycling. Und das Rohstoffrecycling geht von Schrott, Metallen, Altholz und die Rückführung in die Stahlwerke auf der einen Seite, dann in die Gießerei in den Metallschmelzwerke, Umschmelzwerke, hier in der Region Ulm, wo die flüssigen Rohstoffe wieder zurücklaufen bspw. in die hier umliegenden Zulieferer der Automobilindustrie, wo dann wieder Motorblöcke oder Zylinderköpfe gegossen werden. Das ist also ein 100 Prozent Stoffkreislauf.“
    Weniger Autos, weniger Motoren, keine Metallschmelze, kein Geschäft. Das Recyclingunternehmen Kaatsch musste jüngst Kurzarbeit anmelden. Wie insgesamt 8000 weitere Betriebe im Südwesten – soweit die Zahlen Ende Februar. Davon betroffen sind rund 300.000 Beschäftigte. Tendenz steigend.

    „Die Situation spitzt sich insofern zu, dass wir jetzt im zweiten halben Jahr noch mit einer weiteren Reduzierung der Beschäftigung rechnen, weil einfach die Abarbeitung in der Stahlindustrie der Aufträge aus 2008 Anfang 2009 erschöpft sind. Und die Stahlwerke weitere Schließungen und Produktionsreduzierungen vornehmen müssen.“

    Hermann Wager leitet gemeinsam mit seinem Sohn das Recyclingunternehmen Kaatsch. Ein Team, das sich gerade jetzt bewährt. Um die kommenden Monate zu überstehen, muss man sich vertrauen können, sagt Seniorchef Wager. Erfahrung muss nun mit moderner Unternehmensführung kombiniert werden. Juniorchef Ralph Wager ist dabei für die neuen Ideen zuständig:

    „Das, was ich jetzt momentan, in der jetzigen Zeit hauptsächlich mache, ist eigentlich, mit allen Bereichen irgendwo zusammenzuhocken und zu überlegen, welche Ideen können wir schmieden, welche neuen Wege können wir gehen, wo können wir noch etwas weiterdrehen, wo wir seither in dem positiven Marktverlauf gar keine Zeit dazu hatten, weil wir mit anderen, unserem Kerngeschäft beschäftigt waren. Und uns auch seither die Marktentwicklung immer zugespielt hat. Und da müssen wir jetzt hergehen und neue Wege überlegen, gucken, wie kommen wir an Projekte dran, wie schaffen wir eine Vernetzung, wie können wir mehr Richtung Gesamtentsorgungskonzepte gehen, wie können wir Kundengruppen ansprechen, beispielsweise Klein-Anlieferer, Bauunternehmer, die seither drei Ansprechpartner hatten, um ihr Baustoffe oder Reststoffe zu entsorgen, das heißt, sie haben Schrott und Metall hier abgeliefert, sind dann zum Bauschuttentsorgen woanders hin gefahren und da sind wir genauso am Überlegen, ob wir da einfach unser Dienstleistungsspektrum noch weiter ausbauen, um so letztendlich die Menge zu sichern.“
    Die Krise als Chance. Doch diese Form des Krisenmanagements war im Fachstudium des 30jährigen Juniorchefs Wager nicht vorgekommen. Anders ein paar Kilometer flussabwärts, in Esslingen-Zell. Dort steht eines von vier Autohäusern der Russ Jesinger Vertriebs GmbH und CO KG. Ein Großteil der Kunden sind mittelständische Unternehmen, also Gewerbekunden, die ihre gesamte Fahrzeugflotte bei Russ bestellen, oder besser: bestellt haben. Zurzeit werden nur sehr wenige Autos verkauft, vor allem keine mit dem Stern. Firmenchef Hansjörg Russ hat einige Vorlesungen zum Thema wirtschaftliche Abhängigkeit gehört:

    „Wir sind 100 Prozent abhängig von unserem Hersteller, also das muss man einfach so sehen. Als ich studiert habe, Betriebswirtschaft in Geißlingen an der Fachhochschule Automobilwirtschaft, war das erste was man da lernt: Mach dich niemals abhängig von einem Lieferanten. Denke ich,ja gut, das machen wir jetzt schon seit 75 Jahren, damals waren es noch keine 75, jetzt sind es 75 Jahre. Wir haben gut gelebt damit, aber es gibt ja auch so einen netten Spruch: ‚Wenn der Daimler hustet, ist die Region krank‘.“
    Vor wenigen Jahren haben Hans-Jörg Russ und sein Cousin das Familienunternehmen übernommen. Schon die Großeltern und die Eltern hatten schwere Zeiten zu überstehen. Russ erinnert sich an die 70er Jahre:

    „Das war auch eine schwierige Zeit, also wieder eine schwierige Zeit. Ich kann mich da daran noch erinnern, da war ich Kind, als wir in Nürtingen 1973 einen neuen Betrieb eingeweiht haben und sonntags sind wir auf der Autobahn spazieren gegangen.“
    Das Familienunternehmen ist aus dieser Krise gestärkt hervorgegangen. Doch jede Krise ist anders, und große Autos, Premiumfahrzeuge, sind im Moment einfach nicht gefragt. Anders dagegen kleine Autos, wie Hansjörg Russ, der auch im Vorstand der Innung ist, neidlos sagt:

    „Bei den Kleinwagenmarken brummt es wirklich. Das ist schön, freut mich auch für die Kollegen, weil die hatten auch in der Zeit davor eine noch schwierigere Zeit wie wir. Gerade die Marken, die sehr stark von Privatkunden abhängig sind, profitieren jetzt mehr wie die, die vom Gewerbekunden abhängig sind.“
    Fast kein Mercedes-Autohändler könnte zurzeit noch existieren, würde er nicht von Daimler finanziell unterstützt. Doch wie lange hält das Daimler durch? Wie lange halten die Autozulieferer durch, die von Daimler und anderen Autobauern abhängig sind? Südwestmetallchef Jan Stefan Roell.

    „Die Zulieferindustrie hat mit zwei Effekten, glaube ich, zu kämpfen. Einmal, dass die logistische Kette sozusagen geleert wird und sie deswegen weniger Aufträge hat und, dass natürlich der Absatz an Autos zurückgegangen ist und das trifft die Zuliefererindustrie besonders hart.“
    Heinrich Baumann bekommt das zu spüren. Von seinem Büro aus sieht der Firmenchef von Eberspächer den Neckar. Es hat geregnet, der Wasserpegel steigt. In einer Liste der weltweit größten Automobilzulieferer liegt Eberspächer auf Platz 66.
    Eberspächer gehört zu den führenden Systemlieferanten von Abgastechnik und Fahrzeugheizungen. Zu den Kunden des Unternehmens zählen Autobauer in Europa, Asien und Amerika. Eberspächer beschäftigte bis zum letzten Jahr weltweit rund 5500 Mitarbeiter. In den USA und Südafrika musste das Unternehmen bereits Mitarbeiter entlassen. Zu Hause – in Oberesslingen, am Stammsitz, versucht Heinrich Baumann seit Anfang März die Krise mit Kurzarbeit zu überstehen:

    „Wir müssen feststellen, dass wir tatsächlich jetzt innerhalb der letzten fünf Monate mit Sicherheit in das tiefste Konjunkturtal reingestürzt sind, das wir wahrscheinlich in der überschaubaren Geschichte hatten. Es ging immer auf und ab, aber in der Geschwindigkeit, in der Steilheit ist schon sehr bemerkenswert. Und wir befinden uns jetzt in einer Situation, wo wir in den ersten zwei Monaten und auch sicherlich schon einen Blick aufs erste Quartal 2009 natürlich wagen können, und wo wir feststellen, dass wir in unseren Produktbereichen heute irgendwo zwischen 30 und 40 Prozent unter dem Vorjahr liegen.“
    Eberspächer hängt zu 100 Prozent von der Entwicklung der Autobauer ab. Bauen diese keine Autos, werden auch keine Teile bei Eberspächer geordert. Doch unabhängig von der Entwicklung der Autobauer macht man sich bei Eberspächer Gedanken darüber, was künftig kommen wird, welche Anforderungen möglicherweise neue Fahrzeuge haben könnten:

    „Wir machen uns zumindest immer unser eigenes Bild. Was bedeuten die alternativen Antriebskonzepte in der Zukunft wirklich? Wann kommen sie, welche Bedeutung werden sie haben. Welche Möglichkeiten haben wir Komponententeile dann herzustellen, die man für diese Konzepte brauchen wird. Das ist aber natürlich im Grunde genommen nur ein kleiner Aspekt. Der entscheidende Aspekt ist, wir erzielen heute Umsätze mit Teilen, die in Autos reingehen, die nur dann reingehen, wenn sie auch gebaut werden, und deshalb hängen wir natürlich 1:1 dort dran.“
    Noch habe Eberspächer die finanziellen Ressourcen, um die derzeitige Krise abzufedern, sagt Firmenchef Baumann:

    „Und deshalb bin ich auch grundsätzlich optimistisch, dass wir nicht nur aus der Krise herausgehen werden, sondern auch gestärkt aus der Krise herausgehen, weil wir eben unsere Ausgaben in die Zukunft ganz vorsichtig prüfen und auch nur sehr vorsichtig dort Dinge zurücknehmen jetzt.“
    Weiter flussabwärts, weiter das Neckartal hinunter. Das Tal galt in besseren Zeiten als der Hochofen, als Motor des wirtschaftlichen Erfolgs der Baden-Württemberger. Dort am Neckar stehen die Mercedes Werke: die Gießerei in Mettingen, die Motorenwerke in Untertürkheim, der eigene Versandhafen von Daimler in Stuttgart-Wangen. Alle warten nun auf eine gute Nachfrage des neuen E-Klasse Modells. Auf dem Weg in die Fabrik lesen sie immer wieder den Werbeslogan:

    Ankommen als wäre man nie weg gewesen – Die neue E-Klasse. Willkommen zuhause.
    Was der Werbespruch für die neue E-Klasse mit dem Auto zu tun haben könnte, verstehen viele Mitarbeiter von Daimler nicht. Einige spekulieren darüber, dass das Management die Zeit zurückdrehen möchte. So als wollten sie den milliardenteuren Ein- und Ausstieg bei Chrysler einfach vergessen. „Ankommen als wäre man nie weg gewesen“. Vielleicht könnte man auch das Auto noch einmal erfinden, vielleicht sogar das Rad, spötteln andere. Zeit genug wäre gewesen.
    Neben Kurzarbeit plant Daimler für die Woche nach Ostern eine einwöchige Produktionspause, auch im Sommer soll es eine Blockpause geben. Ähnliches sei auch für die Nutzfahrzeug-Sparte vorgesehen. Pläne für ein groß angelegtes Programm, Stellen abzubauen, gebe es nicht, war noch Mitte Februar zu hören. Doch Zetsche schwor seine Leute auf harte Monate ein:

    „Der Absatz wird weiter zurückgehen. Für das Ergebnis des Konzerns und seiner Geschäftsfelder erwarten wir weitere erhebliche Belastungen.“
    In Bad Cannstatt hinter Stuttgart macht der Neckar einen Knick und fließt weiter in Richtung Heilbronn. Dort ganz in der Nähe wohnt ein Mitarbeiter von Daimler. Er hat im Moment viel Zeit
    zum Nachdenken. Immer freitags ist er zuhause.

    „Ändern kann man sowieso nichts, weil wir haben das ja nicht verursacht. Wir müssen das quasi jetzt nur kurz ausbaden. Wie auch immer. Und durch die zehn Prozent Einbußen, das bricht ja keinem das Genick, nur in dem Moment ... man geht nicht mehr so raus und sagt: Okay, ich kaufe jetzt das oder das, sinnlos, ja, man überlegt sich schon dann zweimal oder dreimal, kann ich oder kann ich es nicht? Oder ich lasse es.“
    Seinen Namen möchte der Mann nicht nennen, auch wenn er keine Angst hat, dass er durch seine Aussagen Nachteile erfahren könnte. Offen erzählt er von der Stimmung an seinem Arbeitsplatz bei Daimler. Als im Dezember die ersten Pläne bekannt wurden, wonach ab Januar viele in Kurzarbeit geschickt werden, sei natürlich die Angst umgegangen. Doch jetzt hätten sich viele, auch er, mit der Situation abgefunden.

    „Im Moment ist es so, dass ist irgendwie, wie soll ich es beschreiben, es ist lockerer geworden. Also man nimmt es nicht mehr so ernst. Man lebt damit, aber es ist irgendwie anders als vorher. Also der Druck ist nicht mehr so da. Man sieht die Situation, wie sie sich entwickelt, aber man sieht irgendwie nach vorne, okay. Jetzt habe ich halt vier Tage Woche, man freut sich schon auf den freien Tag.“
    Bislang sind die Arbeitsplätze der Daimler-Mitarbeiter durch eine Arbeitsplatzgarantie gesichert. Ein Glück in diesen Tagen, denn gerade in der Metall- und Elektroindustrie
    wird es zu Entlassungen kommen. Südwestmetallchef Jan Stefan Roell im Februar:

    „Über die Größenordnung kann man jetzt nichts sagen, was Hand und Fuß hätte, aber wir erwarten den Abbau von Arbeitsplätzen in der Metall- und Elektroindustrie.“
    „Weg vom Auto“ darüber müsse das Land eventuell nachdenken, riet Professor Hans Peter Burghof von der Universität Hohenheim der Deutschen Presseagentur in der vergangenen Woche. Der Finanzexperte geht davon aus, dass sich die Zahl der Arbeitslosen bis zum Herbst im Südwesten auf über eine halbe Million verdoppelt.

    „Wenn Daimler hustet, ist das ganze Land krank“, dieser Satz fällt in diesen Tagen immer wieder. Das Musterländle ist schwer angeschlagen und eine Heilung nicht in Sicht. Einer spricht aus, was viele Mitarbeiter bei Daimler denken:

    „Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen, weil ich frage mich nur immer wieder: Wenn hier alles den Bach runtergehen sollte, was passiert woanders?“