Heike Braun: Wenn ihnen als 15-Jährige jemand gesagt hätte, dass sie einmal tibetische Nonne und buddhistische Gelehrte werden, und dass Sie am selben Institut Studenten unterrichten, wie der Dalai Lama, hätten sie das jemals für möglich gehalten?
Kerstin Brummenbaum: Das hätte ich nie für möglich gehalten, dass ich das einmal machen würde. Ich denke, selbst als 18-Jährige hätte ich das nicht für möglich gehalten.
Braun: Als 18-Jährige sind Sie ja dann nach Indien. Nach ihrem Abitur. Wie ging es dann weiter?
Kerstin Brummenbaum: Ich habe erst ein bisschen gearbeitet, um mir was zu verdienen und bin dann nach Israel. Um da einige Zeit im Kibbuz zu verbringen. War dann ein paar Monate im Kibbuz. Dann habe ich von Dharamsala gehört. Von dem Ort, in dem die Exil-Tibeter leben, wo der Dalai Lama lebt. Und dann bin ich nach Indien. Der Plan war, noch zwei Wochen dort zu bleiben und dann von dort aus zurück nach Deutschland. Es hat mir aber so gut gefallen, dass ich das weiter verfolgen wollte, mehr über den Buddhismus kennenlernen wollte. Letzten Endes bin ich jetzt seit über 20 Jahren dort.
Braun: Also in Dharamsala?
Brummenbaum: Ja.
Braun: Der Ort Dharamsala ist ja das indische Exil des Dalai Lama und heißt übersetzt "Hort des Friedens". Und genau dort haben Sie ja die wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens getroffen.
Brummenbaum: Also, es war schon ein langer Prozess, mit vielen Fragen, ob das wirklich das Richtige ist. Dann habe ich halt überlegt: das mit dem Buddhismus, ich könnte es ja studieren. An der Uni, als Fach. Aber dann wurde der Gedanke stärker, Nonne zu werden. Dass ich dachte, ich möchte das wirklich mein ganzes Leben lang tun. Was wäre die beste Möglichkeit, was würde mir das ermöglichen? Und dann kam halt der Gedanke, Nonne zu werden, zum ersten Mal. Ein, zwei Jahre später kam der Gedanke, jetzt möchte ich Tibetisch lernen.
Braun: Können Sie vielleicht kurz etwas auf Tibetisch sagen? Denn das ist ja eine Sprache, die man nicht so oft zu hören bekommt. Zum Beispiel darüber, ob ihnen im Kloster irgendetwas besonders schwer gefallen ist. Sie leben ja auch im Zölibat, haben sich die Haare rasiert, um Nonne werden zu können. Ist ihnen da etwas besonders schwer gefallen. Und das auf Tibetisch.
Brummenbaum: Jetzt soll ich mal was auf Tibetisch sagen. Jetzt habe ich auch lang nicht mehr gesprochen.
Braun: Was ist ihnen am Anfang besonders schwer gefallen, nachdem sie sich für ein Leben im Kloster entschieden hatten?
Brummenbaum: Also vieles ist mir schwergefallen. Einfach, weil es anders war. Noch nicht einmal, weil ich sagen würde, es ist schlecht. Sondern weil es anders gewesen ist und ich es nicht verstanden habe zunächst mal.
Braun: Ja, was zum Beispiel auch anders ist, dass ist ihr tibetischer Name. Wie wird der den ausgesprochen?
Brummenbaum: Kelsang Wangmo heiße ich. Und Kelsang, da gibt es kein gutes deutsches Wort dafür, finde ich. Kelsang heißt fortunate, also jemand der Glück hat. Und dann: Wang, heißt eigentlich Kraft oder Stärke. Und Mo macht das Ganze weiblich.
Braun: Sie sind in der Nähe von Köln aufgewachsen. Also in einer katholisch geprägten Umgebung. Waren sie als Kind eigentlich religiös?
Brummenbaum: Ich hatte zunächst als Kind schon einen Glauben. Ich war schon sehr christlich. Gerade als ich noch sehr klein war. Dann als ich größer wurde, da hat sich das zerschlagen. Da war das nicht mehr so, wie ich es als Kind empfunden hatte. Ich hatte nicht mehr die gleiche Einstellung dem Christentum gegenüber. Religion hat mich überhaupt nicht mehr interessiert. Es ist auch nicht so, dass ich sofort Buddhistin geworden wäre. Ich hatte wahnsinnig viele Fragen und im Buddhismus ist es so, dass man alles hinterfragt. Das man nichts annimmt, wenn man es nicht hinterfragt. Wenn man dann sieht, dass es das Richtige für einen ist, kann man es annehmen. Und wenn man das Gefühl nicht hat, sollte man sich auch nicht weiter damit beschäftigen.
Braun: Sie sind ja als erste Frau weltweit überhaupt zur Geshe ernannt worden. Geshe ist im tibetischen Buddhismus die höchste Auszeichnung, die ein Gelehrter –bislang Mönch- erlangen kann. Und mit Ihnen ist zum ersten Mal eine Nonne damit ausgezeichnet worden. Und das vom Dalai Lama höchst persönlich. Also Sie sind die erste weibliche Geshe überhaupt. Das ist ja schon eine kleine Sensation?
Brummenbaum: Also bisher war das eigentlich nur für Mönche möglich. Also noch nicht einmal für Laien. Also noch nicht einmal für Tibeter, die keine Mönche sind. Geshe-Titel, den kann man vielleicht vergleichen, mit Doktor der Philosophie. Aber das Studium ist ein sehr langes Studium, das kann sich über 16, 17 Jahre ziehen. Das Studium besteht daraus, dass man die Texte lernt. Aber der Hauptbestandteil ist das Diskutieren darüber. Und man diskutiert täglich vier Stunden mit seinen Klassenkameraden. Und dann hat unser Institut die Erlaubnis bekommen, diesen Geshe-Titel auch an die Studenten zu vergeben, die das Institut erfolgreich abgeschlossen hatten. Die alle Prüfungen bestanden hatten. Wir mussten auch noch eine Art Doktorarbeit auf Tibetisch machen . Wir haben unsere Prüfungen abgelegt und weil ich die einzige Frau in unserer Klasse war, habe ich ihn dadurch bekommen und bin deshalb die erste Frau.
Braun: Sie haben ausschließlich mit Männern studiert. Also nicht mit ihnen zusammen gelebt, sondern nur mit ihnen zusammen studiert. Und einer Ihrer Glaubensbrüder ist inzwischen von den Chinesen verhaftet worden.
Brummenbaum: Einer meiner Klassenkameraden, mit dem ich 17 Jahre in Tibet studiert habe, der ist nach dem Studium zurückgegangen. Und als er dann in Tibet war, da gab es Proteste. Gegen die tibetische Regierung. Sie haben gefordert, dass der Dalai Lama zurückkehrt. Das es mehr Freiheit gibt. Und es gab Fotos von der Demonstration. Und mein Klassenkamerad ist nach China gefahren und hat versucht die Fotos in einen Internet-Cafe nach Dharamsala zu schicken. Die chinesische Regierung hat das sofort gewusst. Und bis November hat man nicht gewusst, wo er war. Und dann ist er zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Weil er versucht hat fünf Bilder nach Dharamsala zu schicken.
Braun: Wenn Sie über die Verhältnisse, die in Tibet herrschen erzählen, haben Sie vielleicht auch die Befürchtung, dass die Tibeter irgendwann auch nachgeben. Dass die einfachen Tibeter –in Anführungsstrichen- so indoktriniert sind, dass sie ihre eigenen Traditionen vergessen?
Brummenbaum: Es könnte natürlich passieren. Aber was mich immer wieder überrascht ist, dass ich von Tibetern höre, denen es eigentlich gut geht, mit den Chinesen auch und dass sie auch Vorteile durch die Chinesen. Aber trotzdem das Gefühl haben: ich bin Tibeter und da ist was nicht in Ordnung. Das scheint früher oder später immer wieder hoch zu kommen. Aber die Chinesen, und das ist eigentlich sehr traurig, dass sie nach außen hin sagen: Es gibt Schulen. Ja, es gibt Schulen. Aber das sind Attrappen. Ich habe eine Freundin, die war zwölf Jahre auf der Schule, die hat Englisch gelernt. Die kann von A bis Z das Alphabet aufsagen. Und das hat sie immer wieder geschrieben und auch ausgesprochen. Und das wars. Sie hat zwei, drei Worte vielleicht gelernt und an die kann sie sich gar nicht mehr erinnern. Und das da die Menschen mal aufmerksam werden und sagen: das geht nicht. Wir können nicht mit einer Regierung Geschäfte machen, die sein eigenes Volk und andere Völker, die sie übernommen haben, so behandelt.
Braun: Nachdem was Sie eben gesagt haben, ist es da so, dass Tibeter die wirklich was lernen wollen, über ihre eigene Kultur, ihre eigenen Schriftzeichen, die müssen wirklich flüchten?
Brummenbaum: In Tibet selber würden sie das nicht lernen. In Indien gibt es da sehr gute Schulen, die im Exil aufgebaut wurden, wo sie dann auch lernen können. Und ich habe mit meiner Mutter zusammen ein Projekt aufgebaut, wo die Kinder zur Schule gehen können und eine Ausbildung erhalten können. Und wir ermöglichen denen, dass sie zum Beispiel in den Ferien nicht in der Schule bleiben müssen. Dass sie nach Dharamsala kommen können, da vielleicht Kurse belegen in Englisch oder so weiter. Und das ist so ein kleines Projekt, das wir begonnen haben.
Braun: Um noch einmal auf ihren Geshe Titel zurück zu kommen. Sie sind als erste Frau im tibetischen Buddhismus überhaupt, zur Hüterin und Gelehrten von tibetischen Traditionen, Verhaltensweisen und Riten ernannt worden und zwar vom Dalai Lama persönlich. Was glauben Sie, warum war es dem Dalai Lama wichtig, Sie zu ernennen.
Brummenbaum: Also er hat sich für die Rechte der Frauen eingesetzt. Der Dalai Lama ist einer der konsequentesten Feministen, die ich kenne. Weil er sagt: Männer und Frauen sind gleich. Und man muss den Frauen, die gleichen Möglichkeiten geben. Und bei vielen Dingen , die einfach nicht gerecht sind, setzt er sich immer ein.
Kerstin Brummenbaum: Das hätte ich nie für möglich gehalten, dass ich das einmal machen würde. Ich denke, selbst als 18-Jährige hätte ich das nicht für möglich gehalten.
Braun: Als 18-Jährige sind Sie ja dann nach Indien. Nach ihrem Abitur. Wie ging es dann weiter?
Kerstin Brummenbaum: Ich habe erst ein bisschen gearbeitet, um mir was zu verdienen und bin dann nach Israel. Um da einige Zeit im Kibbuz zu verbringen. War dann ein paar Monate im Kibbuz. Dann habe ich von Dharamsala gehört. Von dem Ort, in dem die Exil-Tibeter leben, wo der Dalai Lama lebt. Und dann bin ich nach Indien. Der Plan war, noch zwei Wochen dort zu bleiben und dann von dort aus zurück nach Deutschland. Es hat mir aber so gut gefallen, dass ich das weiter verfolgen wollte, mehr über den Buddhismus kennenlernen wollte. Letzten Endes bin ich jetzt seit über 20 Jahren dort.
Braun: Also in Dharamsala?
Brummenbaum: Ja.
Braun: Der Ort Dharamsala ist ja das indische Exil des Dalai Lama und heißt übersetzt "Hort des Friedens". Und genau dort haben Sie ja die wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens getroffen.
Brummenbaum: Also, es war schon ein langer Prozess, mit vielen Fragen, ob das wirklich das Richtige ist. Dann habe ich halt überlegt: das mit dem Buddhismus, ich könnte es ja studieren. An der Uni, als Fach. Aber dann wurde der Gedanke stärker, Nonne zu werden. Dass ich dachte, ich möchte das wirklich mein ganzes Leben lang tun. Was wäre die beste Möglichkeit, was würde mir das ermöglichen? Und dann kam halt der Gedanke, Nonne zu werden, zum ersten Mal. Ein, zwei Jahre später kam der Gedanke, jetzt möchte ich Tibetisch lernen.
Braun: Können Sie vielleicht kurz etwas auf Tibetisch sagen? Denn das ist ja eine Sprache, die man nicht so oft zu hören bekommt. Zum Beispiel darüber, ob ihnen im Kloster irgendetwas besonders schwer gefallen ist. Sie leben ja auch im Zölibat, haben sich die Haare rasiert, um Nonne werden zu können. Ist ihnen da etwas besonders schwer gefallen. Und das auf Tibetisch.
Brummenbaum: Jetzt soll ich mal was auf Tibetisch sagen. Jetzt habe ich auch lang nicht mehr gesprochen.
Braun: Was ist ihnen am Anfang besonders schwer gefallen, nachdem sie sich für ein Leben im Kloster entschieden hatten?
Brummenbaum: Also vieles ist mir schwergefallen. Einfach, weil es anders war. Noch nicht einmal, weil ich sagen würde, es ist schlecht. Sondern weil es anders gewesen ist und ich es nicht verstanden habe zunächst mal.
Braun: Ja, was zum Beispiel auch anders ist, dass ist ihr tibetischer Name. Wie wird der den ausgesprochen?
Brummenbaum: Kelsang Wangmo heiße ich. Und Kelsang, da gibt es kein gutes deutsches Wort dafür, finde ich. Kelsang heißt fortunate, also jemand der Glück hat. Und dann: Wang, heißt eigentlich Kraft oder Stärke. Und Mo macht das Ganze weiblich.
Braun: Sie sind in der Nähe von Köln aufgewachsen. Also in einer katholisch geprägten Umgebung. Waren sie als Kind eigentlich religiös?
Brummenbaum: Ich hatte zunächst als Kind schon einen Glauben. Ich war schon sehr christlich. Gerade als ich noch sehr klein war. Dann als ich größer wurde, da hat sich das zerschlagen. Da war das nicht mehr so, wie ich es als Kind empfunden hatte. Ich hatte nicht mehr die gleiche Einstellung dem Christentum gegenüber. Religion hat mich überhaupt nicht mehr interessiert. Es ist auch nicht so, dass ich sofort Buddhistin geworden wäre. Ich hatte wahnsinnig viele Fragen und im Buddhismus ist es so, dass man alles hinterfragt. Das man nichts annimmt, wenn man es nicht hinterfragt. Wenn man dann sieht, dass es das Richtige für einen ist, kann man es annehmen. Und wenn man das Gefühl nicht hat, sollte man sich auch nicht weiter damit beschäftigen.
Braun: Sie sind ja als erste Frau weltweit überhaupt zur Geshe ernannt worden. Geshe ist im tibetischen Buddhismus die höchste Auszeichnung, die ein Gelehrter –bislang Mönch- erlangen kann. Und mit Ihnen ist zum ersten Mal eine Nonne damit ausgezeichnet worden. Und das vom Dalai Lama höchst persönlich. Also Sie sind die erste weibliche Geshe überhaupt. Das ist ja schon eine kleine Sensation?
Brummenbaum: Also bisher war das eigentlich nur für Mönche möglich. Also noch nicht einmal für Laien. Also noch nicht einmal für Tibeter, die keine Mönche sind. Geshe-Titel, den kann man vielleicht vergleichen, mit Doktor der Philosophie. Aber das Studium ist ein sehr langes Studium, das kann sich über 16, 17 Jahre ziehen. Das Studium besteht daraus, dass man die Texte lernt. Aber der Hauptbestandteil ist das Diskutieren darüber. Und man diskutiert täglich vier Stunden mit seinen Klassenkameraden. Und dann hat unser Institut die Erlaubnis bekommen, diesen Geshe-Titel auch an die Studenten zu vergeben, die das Institut erfolgreich abgeschlossen hatten. Die alle Prüfungen bestanden hatten. Wir mussten auch noch eine Art Doktorarbeit auf Tibetisch machen . Wir haben unsere Prüfungen abgelegt und weil ich die einzige Frau in unserer Klasse war, habe ich ihn dadurch bekommen und bin deshalb die erste Frau.
Braun: Sie haben ausschließlich mit Männern studiert. Also nicht mit ihnen zusammen gelebt, sondern nur mit ihnen zusammen studiert. Und einer Ihrer Glaubensbrüder ist inzwischen von den Chinesen verhaftet worden.
Brummenbaum: Einer meiner Klassenkameraden, mit dem ich 17 Jahre in Tibet studiert habe, der ist nach dem Studium zurückgegangen. Und als er dann in Tibet war, da gab es Proteste. Gegen die tibetische Regierung. Sie haben gefordert, dass der Dalai Lama zurückkehrt. Das es mehr Freiheit gibt. Und es gab Fotos von der Demonstration. Und mein Klassenkamerad ist nach China gefahren und hat versucht die Fotos in einen Internet-Cafe nach Dharamsala zu schicken. Die chinesische Regierung hat das sofort gewusst. Und bis November hat man nicht gewusst, wo er war. Und dann ist er zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Weil er versucht hat fünf Bilder nach Dharamsala zu schicken.
Braun: Wenn Sie über die Verhältnisse, die in Tibet herrschen erzählen, haben Sie vielleicht auch die Befürchtung, dass die Tibeter irgendwann auch nachgeben. Dass die einfachen Tibeter –in Anführungsstrichen- so indoktriniert sind, dass sie ihre eigenen Traditionen vergessen?
Brummenbaum: Es könnte natürlich passieren. Aber was mich immer wieder überrascht ist, dass ich von Tibetern höre, denen es eigentlich gut geht, mit den Chinesen auch und dass sie auch Vorteile durch die Chinesen. Aber trotzdem das Gefühl haben: ich bin Tibeter und da ist was nicht in Ordnung. Das scheint früher oder später immer wieder hoch zu kommen. Aber die Chinesen, und das ist eigentlich sehr traurig, dass sie nach außen hin sagen: Es gibt Schulen. Ja, es gibt Schulen. Aber das sind Attrappen. Ich habe eine Freundin, die war zwölf Jahre auf der Schule, die hat Englisch gelernt. Die kann von A bis Z das Alphabet aufsagen. Und das hat sie immer wieder geschrieben und auch ausgesprochen. Und das wars. Sie hat zwei, drei Worte vielleicht gelernt und an die kann sie sich gar nicht mehr erinnern. Und das da die Menschen mal aufmerksam werden und sagen: das geht nicht. Wir können nicht mit einer Regierung Geschäfte machen, die sein eigenes Volk und andere Völker, die sie übernommen haben, so behandelt.
Braun: Nachdem was Sie eben gesagt haben, ist es da so, dass Tibeter die wirklich was lernen wollen, über ihre eigene Kultur, ihre eigenen Schriftzeichen, die müssen wirklich flüchten?
Brummenbaum: In Tibet selber würden sie das nicht lernen. In Indien gibt es da sehr gute Schulen, die im Exil aufgebaut wurden, wo sie dann auch lernen können. Und ich habe mit meiner Mutter zusammen ein Projekt aufgebaut, wo die Kinder zur Schule gehen können und eine Ausbildung erhalten können. Und wir ermöglichen denen, dass sie zum Beispiel in den Ferien nicht in der Schule bleiben müssen. Dass sie nach Dharamsala kommen können, da vielleicht Kurse belegen in Englisch oder so weiter. Und das ist so ein kleines Projekt, das wir begonnen haben.
Braun: Um noch einmal auf ihren Geshe Titel zurück zu kommen. Sie sind als erste Frau im tibetischen Buddhismus überhaupt, zur Hüterin und Gelehrten von tibetischen Traditionen, Verhaltensweisen und Riten ernannt worden und zwar vom Dalai Lama persönlich. Was glauben Sie, warum war es dem Dalai Lama wichtig, Sie zu ernennen.
Brummenbaum: Also er hat sich für die Rechte der Frauen eingesetzt. Der Dalai Lama ist einer der konsequentesten Feministen, die ich kenne. Weil er sagt: Männer und Frauen sind gleich. Und man muss den Frauen, die gleichen Möglichkeiten geben. Und bei vielen Dingen , die einfach nicht gerecht sind, setzt er sich immer ein.