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Der Designer des modernen Wiens

Er gehörte zu den wichtigsten Künstlern in Wien am Ende des 19. Jahrhunderts. Kolo Moser verband exquisites Handwerk und Geschmack im Alltag. Die Schranken zwischen Kunst und Kunstgewerbe sollten niedergerissen werden. Die Neue Galerie in New York widmet ihm eine Ausstellung.

Von Sacha Verna |
    "Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihr Freiheit” steht in goldenen Lettern über dem Eingang des Wiener Secessionsgebäudes. Die Zeit ist 1897, und die Kunst soll befreit werden vom Staub des Historismus. Dieses Ziel verfolgt jedenfalls die Gruppe von Wiener Künstlern, die sich nach dem Vorbild der Münchner Secession zusammengetan haben. Zu ihnen gehört neben Gustav Klimt und Josef Hoffmann der 1868 geborene Koloman Moser.

    Ein Modell des Ausstellungshauses der Wiener Secession ist zurzeit in der Neuen Galerie zu sehen, die als erstes Museum in den Vereinigten Staaten Koloman Moser eine Einzelausstellung widmet. So können Besucher wenigstens en miniature etwa die Eulen bewundern, die Kolo Moser zur Fassade jenes Tempels der Kunst beigetragen hat.

    Koloman Moser gilt als einer der Wegbereiter des Wiener Jungendstils. Mit über zweihundert Objekten aus den Jahren zwischen 1897 und 1907 stellt die Neue Galerie ihn als Grafiker und Designer vor. Das ist sinnvoll, denn als Maler sind Kolo Mosers Verdienste eher bescheiden.

    Die Ausstellung ist dreigeteilt und beginnt mit Mosers Suche nach einem Stil, der Frische und Eleganz in die Wohnzimmer des österreichischen Bürgertums bringen sollte. Die Kurven des französischen Art Nouveau sind in den langstieligen Likörgläsern zu erkennen, im Kleeblattmuster eines Teppichs und in einem Schrank, der mit Paillettenfischen hinter Glas ein Aquarium samt Luftblasen imitiert.

    Viel schlichter und gerader sind die Linien in einem zweiten Raum. Ein schwarz-weisser Korbstuhl wie ein Würfel, ein anderer aus Rosenholz mit Intarsien aus Perlmutter. Um die Jahrhundertwende erhielt Koloman Moser, inzwischen Professor an der Schule für angewandte Künste in Wien, mehr und mehr Aufträge zur Einrichtung ganzer Apartments. Da konnte er sein Ideal der Einheit von Küchentisch und Sofakissen, von Schreibtisch und Schminkspiegel verwirklichen.

    Zum Programm machte Kolo Moser die Verbindung von exquisitem Handwerk und Geschmack im Alltag, als er 1903 wiederum mit Josef Hoffmann sowie dem Mäzen und Industriellen Fritz Wärndorfer die Wiener Werkstätte gründete. Wie später im deutschen Bauhaus sollten in dieser Produktionsgemeinschaft bildender Künstler die Schranken zwischen Kunst und Kunstgewerbe niedergerissen werden. Moser entwarf Schmuck, Tafelsilber und Paravents. Von ihm stammt das Logo der Wiener Werkstätte, das auch eine Rechnung über zweihundert Kronen für eine Holzkassette ziert, die, so die Beschreibung, von blauem Chagrin-, Bock- und Saffianleder überzogen, mit Seidenstoff gefüttert und mit Beschlägen aus Alpacca versehen ist.

    Nur das Feinste war fein genug. Das wird im dritten Saal dieser Ausstellung deutlich. Und natürlich auch, dass nur die Feinsten sich derlei leisten konnten. Dennoch ist erstaunlich, wie stark das stilistische Vokabular, das Kolo Moser und die seinen damals entwickelten, bis heute die Kulissen des täglichen Lebens prägt. Präsentiert werden Beispiel um Beispiel formvollendeter Funktionalität und meisterhafter Verarbeitung, sei es in Gestalt eines schlanken blauen Ledersessels, der so gar nichts sesselhaftes an sich hat, oder eines Verkaufstresens, der Weiß und anmutig dem Auge ebenso schmeichelt, wie das edle Porzellan, das darüber hinweg einst verkauft wurde.

    1907 trennte sich Kolo Moser von der Wiener Werkstätte und beschäftigte sich bis zu seinem Tod 1918 nur noch mit dem Malen. Er mochte sich nicht mehr mit der gediegenen Klientel herumschlagen, deren Launen und Ansprüche die gestalterischen Universen zunehmend verunmöglichten, die er in all seinen Projekten anstrebte. Ein Hofverschönerer wollte er nicht sein.

    Neue Galerie, New York: Designing Modern Vienna, 1897-1907. Bis 2. September.