Er war, jawohl, ein Tier, ein Monstrum von einem Schauspieler. Und wohl nicht ohne Grund steht in einem Text von Carl Zuckmayer, dem schönsten, der je über Emil Jannings geschrieben wurde, der Satz: "Ich liebe die alte Sau."
Das sogenannte Säuische des Emil Jannings bestand zu einen in einer überbordenden Vitalität, einer ungeheuerlichen Bühnenpräsenz, in der Art, wie dieser dicke, schwere Mann seine Bühnen- und Filmgestalten mit seiner dämonischen Erscheinung ausfüllte. Jannings war und blieb immer Jannings, der dicke Emil. Aber das auf eine so vielschichtige, vieltönige, mal zarte, mal poltrige, mal zart besaitete Art. Man muss sich nur anhören, wie er in einer seiner wenigen überlieferten Bühnenaufnahmen den Dorfrichter Adam in Heinrich von Kleists "Der zerbrochene Krug" spielt. Als einen schnell denkenden, wortwitzigen Beamten, der fortwährend von seiner eigenen Kreatürlichkeit überrascht scheint:
"Was zum Henker, sagt Gevatter Adam, wie zum Henker seht ihr aus?"
Adam: "Tja, seht, zum Straucheln brauchts wohl nichts als Füße, auf diesem glatten Boden. Is'n Strauch hier? Gestrauchelt bin ich hier. Jeder trägt den leidigen Stein zum Anstoß in sich selbst!"
Dass Emil Jannings, der die Frauen, das Essen und das Geld liebte, ein Schauspielerungeheuer war, lag nicht zuletzt daran, dass er jede Etappe seines bewegten Lebens auch exzessiv und ungeheuerlich lebte. Am 23. Juli 1884 wird er in Rorschach in der Schweiz geboren, soll auf Wunsch der Eltern Ingenieur werden und fährt stattdessen blutjung für mehrere Jahre zur See. Über Umwege landet er bei einem Wandertheater, schreibt Programmzettel, schneidert Kostüme - und erfindet sich irgendwann selbst als Schauspieler ohne Schauspielunterricht.
Es ist sein chronischer Geldmangel, der Jannings von der Bühne zum Film treibt, erst zum deutschen Stummfilm und dann mit Ernst Lubitsch nach Hollywood, wo er phänomenale Wochengagen erhält. Wer erinnert sich heute noch daran, dass Jannings für seine Rolle in Josef von Sternbergs "Sein letzter Befehl" im ersten Jahr der Oscar-Verleihung als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde?
Trotz seiner Erfolge und obwohl das amerikanische Kinopublikum ihn als Exoten und vierschrötigen Charakterdarsteller liebt, geht Jannings in den 30er-Jahren zurück nach Deutschland. Warum? Der Tonfilm erobert die Leinwand, und Jannings' deutscher Akzent wirkt im Amerikanischen hart und fremd. Gleich sein erster neuer Film in der alten Heimat wird ein unerhörter Triumph. Jannings spielt den Professor Unrat in Josef von Sternbergs "Der blaue Engel". In der Rolle des der feschen Lola verfallenen Professors kann er seine schüchterne, leise Größe zeigen. Es ist auch: die Begegnung des Stars Jannings mit dem künftigen Weltstar Marlene Dietrich.
" Professor Unrat: "Mein liebes Fräulein Lola, ich habe Ihnen noch etwas mitgebracht. Würden Sie dieses als Geschenk von mir annehmen? Und darf ich gleichzeitig um Ihre Hand anhalten."
Lola: "Mich willste heiraten?"
Unrat: "Ja".
Lola: (Hysterisches Gelächter) "Du bis ja so süß."
Unrat: "Ich hoffe, mein Kind, Du bist Dir des Ernstes dieser Stunde voll bewusst." "
Ob bei Sternberg, bei Lubitsch oder anderen großen Kinoregisseuren: Bis Anfang der dreißiger Jahre sind Jannings' Figuren, seine Lehrer, Hausvorstände und Offiziere drohende, verkrümmte und verbitterte Autoritätsfiguren. Stirn runzelnd, irritiert und manchmal ängstlich stehen sie inmitten eines Epochenumbruches. Sie können sich nicht ändern und tun es doch verwirrt und widerwillig. Doch die Nazis entdecken Jannings für ihre Ziele und formen ihn zu einem anderen Typus auf der Leinwand: In Propagandafilmen wie Veit Harlans "Der Herrscher" wird er zur ungebrochenen Autoritätsfigur, in Hans Steinhoffs Werk "Robert Koch, der Bekämpfer des Todes" zum heroischen Forscher und Stolz seines Landes:
" Koch: "Seit Jahren untersuche ich Gewebe jeder Art von Tuberkulose. Aber das da, diese Stäbchen habe ich noch nie gesehen. Die hat noch keiner gesehen!"
Assistent: "Ist das der Erreger der Tuberkulose?"
Koch: "Er könnte es sein"
Assistent: "Herr Doktor, ist das wahr? Sie haben ihn gefunden"
Koch: "Ich glaube, dass ich ihn gefunden habe.
Assistent: "Herrgott, dass ich das miterleben durfte." "
Joseph Goebbels macht Jannings zum Chef einer eigenen Filmproduktion, zum Staatsschauspieler und Kultursenator. Jannings wird seine jüdische Mutter verleugnen und in die Schweiz exportieren. Warum lässt sich ausgerechnet er, der leichter als jeder seiner Kollegen ins amerikanische Exil gehen könnte, von den Nationalsozialisten vereinnahmen? Wohl weil er wie viele Schauspieler dem Rauschen des Applauses, dem Auftritt auf der großen, auch politischen Rampe, der Nazishow nicht widerstehen kann. Nach dem Krieg bezahlt er dafür mit Berufsverbot.
Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass Jannings, der beim Spielen mit Leichtigkeit seine Eitelkeit und Geltungssucht überwindet, der auf der Bühne und auf der Leinwand leicht über den eigenen schweren Schatten springt, eben das in diesem einen entscheidenden Fall nicht kann.
Man wird diesem widersprüchlichen Menschen, diesem Hollywoodstar und Hitlergünstling, diesem zarten Monstrum von einem Schauspieler wohl kaum besser gerecht als Friedrich Luft, der in seiner Würdigung zu Emil Jannings 100. Geburtstag schrieb: "Man gedenke seiner mit Nachsicht - und mit Bewunderung noch heute!"
Das sogenannte Säuische des Emil Jannings bestand zu einen in einer überbordenden Vitalität, einer ungeheuerlichen Bühnenpräsenz, in der Art, wie dieser dicke, schwere Mann seine Bühnen- und Filmgestalten mit seiner dämonischen Erscheinung ausfüllte. Jannings war und blieb immer Jannings, der dicke Emil. Aber das auf eine so vielschichtige, vieltönige, mal zarte, mal poltrige, mal zart besaitete Art. Man muss sich nur anhören, wie er in einer seiner wenigen überlieferten Bühnenaufnahmen den Dorfrichter Adam in Heinrich von Kleists "Der zerbrochene Krug" spielt. Als einen schnell denkenden, wortwitzigen Beamten, der fortwährend von seiner eigenen Kreatürlichkeit überrascht scheint:
"Was zum Henker, sagt Gevatter Adam, wie zum Henker seht ihr aus?"
Adam: "Tja, seht, zum Straucheln brauchts wohl nichts als Füße, auf diesem glatten Boden. Is'n Strauch hier? Gestrauchelt bin ich hier. Jeder trägt den leidigen Stein zum Anstoß in sich selbst!"
Dass Emil Jannings, der die Frauen, das Essen und das Geld liebte, ein Schauspielerungeheuer war, lag nicht zuletzt daran, dass er jede Etappe seines bewegten Lebens auch exzessiv und ungeheuerlich lebte. Am 23. Juli 1884 wird er in Rorschach in der Schweiz geboren, soll auf Wunsch der Eltern Ingenieur werden und fährt stattdessen blutjung für mehrere Jahre zur See. Über Umwege landet er bei einem Wandertheater, schreibt Programmzettel, schneidert Kostüme - und erfindet sich irgendwann selbst als Schauspieler ohne Schauspielunterricht.
Es ist sein chronischer Geldmangel, der Jannings von der Bühne zum Film treibt, erst zum deutschen Stummfilm und dann mit Ernst Lubitsch nach Hollywood, wo er phänomenale Wochengagen erhält. Wer erinnert sich heute noch daran, dass Jannings für seine Rolle in Josef von Sternbergs "Sein letzter Befehl" im ersten Jahr der Oscar-Verleihung als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde?
Trotz seiner Erfolge und obwohl das amerikanische Kinopublikum ihn als Exoten und vierschrötigen Charakterdarsteller liebt, geht Jannings in den 30er-Jahren zurück nach Deutschland. Warum? Der Tonfilm erobert die Leinwand, und Jannings' deutscher Akzent wirkt im Amerikanischen hart und fremd. Gleich sein erster neuer Film in der alten Heimat wird ein unerhörter Triumph. Jannings spielt den Professor Unrat in Josef von Sternbergs "Der blaue Engel". In der Rolle des der feschen Lola verfallenen Professors kann er seine schüchterne, leise Größe zeigen. Es ist auch: die Begegnung des Stars Jannings mit dem künftigen Weltstar Marlene Dietrich.
" Professor Unrat: "Mein liebes Fräulein Lola, ich habe Ihnen noch etwas mitgebracht. Würden Sie dieses als Geschenk von mir annehmen? Und darf ich gleichzeitig um Ihre Hand anhalten."
Lola: "Mich willste heiraten?"
Unrat: "Ja".
Lola: (Hysterisches Gelächter) "Du bis ja so süß."
Unrat: "Ich hoffe, mein Kind, Du bist Dir des Ernstes dieser Stunde voll bewusst." "
Ob bei Sternberg, bei Lubitsch oder anderen großen Kinoregisseuren: Bis Anfang der dreißiger Jahre sind Jannings' Figuren, seine Lehrer, Hausvorstände und Offiziere drohende, verkrümmte und verbitterte Autoritätsfiguren. Stirn runzelnd, irritiert und manchmal ängstlich stehen sie inmitten eines Epochenumbruches. Sie können sich nicht ändern und tun es doch verwirrt und widerwillig. Doch die Nazis entdecken Jannings für ihre Ziele und formen ihn zu einem anderen Typus auf der Leinwand: In Propagandafilmen wie Veit Harlans "Der Herrscher" wird er zur ungebrochenen Autoritätsfigur, in Hans Steinhoffs Werk "Robert Koch, der Bekämpfer des Todes" zum heroischen Forscher und Stolz seines Landes:
" Koch: "Seit Jahren untersuche ich Gewebe jeder Art von Tuberkulose. Aber das da, diese Stäbchen habe ich noch nie gesehen. Die hat noch keiner gesehen!"
Assistent: "Ist das der Erreger der Tuberkulose?"
Koch: "Er könnte es sein"
Assistent: "Herr Doktor, ist das wahr? Sie haben ihn gefunden"
Koch: "Ich glaube, dass ich ihn gefunden habe.
Assistent: "Herrgott, dass ich das miterleben durfte." "
Joseph Goebbels macht Jannings zum Chef einer eigenen Filmproduktion, zum Staatsschauspieler und Kultursenator. Jannings wird seine jüdische Mutter verleugnen und in die Schweiz exportieren. Warum lässt sich ausgerechnet er, der leichter als jeder seiner Kollegen ins amerikanische Exil gehen könnte, von den Nationalsozialisten vereinnahmen? Wohl weil er wie viele Schauspieler dem Rauschen des Applauses, dem Auftritt auf der großen, auch politischen Rampe, der Nazishow nicht widerstehen kann. Nach dem Krieg bezahlt er dafür mit Berufsverbot.
Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass Jannings, der beim Spielen mit Leichtigkeit seine Eitelkeit und Geltungssucht überwindet, der auf der Bühne und auf der Leinwand leicht über den eigenen schweren Schatten springt, eben das in diesem einen entscheidenden Fall nicht kann.
Man wird diesem widersprüchlichen Menschen, diesem Hollywoodstar und Hitlergünstling, diesem zarten Monstrum von einem Schauspieler wohl kaum besser gerecht als Friedrich Luft, der in seiner Würdigung zu Emil Jannings 100. Geburtstag schrieb: "Man gedenke seiner mit Nachsicht - und mit Bewunderung noch heute!"