Jörg Biesler: Der designierte Rektor der Technischen Universität Dresden, Hans Müller-Steinhagen, hat sich in einem Antrittsvortrag ganz offensiv für das Diplom als Studienabschluss eingesetzt, das war vor etwa zwei Wochen, und wir haben darüber berichtet bei "Campus & Karriere". Er schloss damit an an eine Willensbekundung des Verbundes TU9 der Technischen Universitäten, die sich das Diplom als zusätzlichen Abschluss neben Bachelor und Master wünschten. Am Wochenende nun hat sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan ganz offensiv auch zum Diplom bekannt – eine ganze Reihe von Hochschulen bieten ja auch immer noch Diplomstudiengänge an, vor allem die technischen Hochschulen, unter anderem die in Dresden. Ernst Schmachtenberg ist der Präsident des Bündnisses der Technischen Hochschulen TU9 und Rektor der RWTH Aachen. Guten Tag, Herr Schmachtenberg!
Ernst Schmachtenberg: Ja, schönen guten Tag, Herr Biesler!
Biesler: An der RWTH in Aachen gibt es ja derzeit keine Diplomstudiengänge, Sie haben komplett umgestellt auf Bachelor und Master. Wird sich das jetzt in Zukunft auch ändern, vielleicht konzertiert mit allen technischen Hochschulen?
Schmachtenberg: Ah, nicht ganz richtig. Wir sind ja noch dabei, die bestehenden Diplomstudiengänge zu Ende zu führen ...
Biesler: Aber man kann sich nicht mehr einschreiben?
Schmachtenberg: Sie können sich heute nur noch in das System Bachelor/Master einschreiben. Was ich versuchen wollte zu erklären, ist: Wir haben den Prozess geändert, aber wir versuchen, in diesem neuen, zweizyklischen Prozess zum gleichen Ergebnis zu kommen. Das heißt, jemand, der bei uns in den Ingenieurwissenschaften erst den Bachelor und dann den Master studiert, ist nachher genauso gut ausgebildet wie der Diplomingenieur. Und deshalb wollen wir ja auch – und das ist der eigentliche Kern – diesen Absolventen den akademischen Grad Diplomingenieur wieder verleihen dürfen. Darum geht eigentlich der Streit.
Biesler: Das heißt, die TU9 möchte gerne das Studiensystem mit Bachelor und Master so beibehalten, wie es das im Augenblick auch gibt – keine eigenen Diplomstudiengänge einrichten –, aber das Prädikat, Diplomingenieur zum Beispiel, soll hinten wieder rauskommen, damit man sich darauf verlassen kann, dass das, was da früher geboten wurde unter diesem Titel, auch heute noch drin ist?
Schmachtenberg: Ja, genau. Ich sag einfach, wir haben den Prozess verbessert, so wie man bei Daimler-Benz meinetwegen in der Produktion neue Schweißverfahren einführt, aber es ist natürlich vom Prädikat her nach wie vor ein Mercedes-Benz. Bei uns ist das nach wie vor eben ein gut ausgebildeter Ingenieur, und der heißt eben Diplomingenieur.
Biesler: In Dresden geht man da noch ein bisschen weiter, in der Informatikfakultät zum Beispiel wünscht man sich, dass man auch diese Teilung aufhebt, also drei Jahre lang Bachelor und dann zwei Jahre lang Master, das sei zu unflexibel. So eine grundsätzliche Regelung können Sie sich aber nicht vorstellen?
Schmachtenberg: Jein, wir haben das diskutiert, und wir sind der Auffassung, dass der Übergang vom Bachelor zum Master flexibler und besser gestaltet werden muss. Sie sagten ja eben schon, wir haben die Studiengänge eingeführt, wir sind dabei, sie einzuführen, bei der Einführung sehen wir ja auch die Schwierigkeiten, und wir sehen eine ganz wesentliche Schwierigkeit gerade in diesem Übergang. Und deshalb haben wir uns als TU9 ja auch die Forderung auf die Fahnen geschrieben: Wer bei uns den Bachelor macht, hat das Recht, den Master zu studieren, um den Druck da auch aus den Studenten herauszunehmen, die ja heute schon glauben, sie müssten im ersten Semester die Mathematik mit einer 1,0 abprüfen, damit sie dann nachher weiterstudieren können, was natürlich ein Unfug ist. Sondern wir müssen erreichen, dass die guten Bachelor auch das Recht haben, ihre Ingenieurausbildung abzuschließen und den Master zu machen.
Biesler: Also könnte man reduziert auf das Formale sagen, der Master führt zum Titel Diplom?
Schmachtenberg: So sagt es ja im Übrigen auch das österreichische Universitätsgesetz. Da hat man sehr klug geregelt, der Diplomingenieur ist ein Master-Grad. Das heißt, wenn Sie in Österreich im modernen Bachelor-Master-System Ingenieurwissenschaften zum Beispiel an der TU-Wien studieren, kriegen zum Schluss den akademischen Grad Master ... den akademischen Grad Diplomingenieur – sehen Sie, jetzt fang ich auch schon an ...
Biesler: Ja, glauben Sie nicht, dass sich diese Verwirrung auch auf die Studierenden übertragen wird, die im Augenblick vielleicht gerade froh sind, sich mit Bachelor und Master einigermaßen arrangiert zu haben?
Schmachtenberg: Da kann ich Ihnen zwei Antworten drauf geben: Das eine ist, wenn ich mit meinen Studierenden rede, der Ingenieurwissenschaften, dann sind die traurig, dass die nicht mehr den akademischen Grad erreichen können, den ihre Eltern und Großväter gemacht haben – und da gibt es ja auch keinen guten Grund, das zu erklären. Und die zweite Antwort über die Vielfältigkeit der akademischen Grade, da fällt mir nur ein: Wenn ich am Wochenende in den Supermarkt gehe zum Einkaufen, dann finde ich 100 Joghurtsorten im Regal, und der Verbraucher kann damit umgehen, und die Personaldirektoren unserer Konzerne behaupten, sie können nicht mit mehr als zwei akademischen Graden umgehen. Das kann doch gar nicht sein.
Biesler: Aber das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz sieht ja nun den Diplomabschluss überhaupt gar nicht mehr vor. Wie wollen Sie denn erreichen, das muss ja eine Gesetzesänderung geben, dass Sie da in Zukunft den Titel überhaupt wieder verleihen dürfen?
Schmachtenberg: Sehr interessant ist, wenn Sie die letzten Beschlüsse der Kultusministerkonferenz durchschauen, dann wurde schon klar etwas weicher formuliert, dass sozusagen akademische Traditionen mit ihren akademischen Graden in dem neuen System durchaus aufgenommen werden, und ich meine auch, dass die Minister in ihrer Reformwut da zu weit gegangen sind. Wir haben Dinge abgeschafft, die wegen Bologna nicht hätten abgeschafft werden müssen. Österreich macht uns das ja vor. Da muss ich den Ball einfach zurückgeben und sagen, bitte hört auf mit dieser Regulierungswut, gebt den Universitäten ihr Recht zurecht zurück, ihre akademischen Grade so zu verleihen, wie sie sie für angemessen halten.
Ernst Schmachtenberg: Ja, schönen guten Tag, Herr Biesler!
Biesler: An der RWTH in Aachen gibt es ja derzeit keine Diplomstudiengänge, Sie haben komplett umgestellt auf Bachelor und Master. Wird sich das jetzt in Zukunft auch ändern, vielleicht konzertiert mit allen technischen Hochschulen?
Schmachtenberg: Ah, nicht ganz richtig. Wir sind ja noch dabei, die bestehenden Diplomstudiengänge zu Ende zu führen ...
Biesler: Aber man kann sich nicht mehr einschreiben?
Schmachtenberg: Sie können sich heute nur noch in das System Bachelor/Master einschreiben. Was ich versuchen wollte zu erklären, ist: Wir haben den Prozess geändert, aber wir versuchen, in diesem neuen, zweizyklischen Prozess zum gleichen Ergebnis zu kommen. Das heißt, jemand, der bei uns in den Ingenieurwissenschaften erst den Bachelor und dann den Master studiert, ist nachher genauso gut ausgebildet wie der Diplomingenieur. Und deshalb wollen wir ja auch – und das ist der eigentliche Kern – diesen Absolventen den akademischen Grad Diplomingenieur wieder verleihen dürfen. Darum geht eigentlich der Streit.
Biesler: Das heißt, die TU9 möchte gerne das Studiensystem mit Bachelor und Master so beibehalten, wie es das im Augenblick auch gibt – keine eigenen Diplomstudiengänge einrichten –, aber das Prädikat, Diplomingenieur zum Beispiel, soll hinten wieder rauskommen, damit man sich darauf verlassen kann, dass das, was da früher geboten wurde unter diesem Titel, auch heute noch drin ist?
Schmachtenberg: Ja, genau. Ich sag einfach, wir haben den Prozess verbessert, so wie man bei Daimler-Benz meinetwegen in der Produktion neue Schweißverfahren einführt, aber es ist natürlich vom Prädikat her nach wie vor ein Mercedes-Benz. Bei uns ist das nach wie vor eben ein gut ausgebildeter Ingenieur, und der heißt eben Diplomingenieur.
Biesler: In Dresden geht man da noch ein bisschen weiter, in der Informatikfakultät zum Beispiel wünscht man sich, dass man auch diese Teilung aufhebt, also drei Jahre lang Bachelor und dann zwei Jahre lang Master, das sei zu unflexibel. So eine grundsätzliche Regelung können Sie sich aber nicht vorstellen?
Schmachtenberg: Jein, wir haben das diskutiert, und wir sind der Auffassung, dass der Übergang vom Bachelor zum Master flexibler und besser gestaltet werden muss. Sie sagten ja eben schon, wir haben die Studiengänge eingeführt, wir sind dabei, sie einzuführen, bei der Einführung sehen wir ja auch die Schwierigkeiten, und wir sehen eine ganz wesentliche Schwierigkeit gerade in diesem Übergang. Und deshalb haben wir uns als TU9 ja auch die Forderung auf die Fahnen geschrieben: Wer bei uns den Bachelor macht, hat das Recht, den Master zu studieren, um den Druck da auch aus den Studenten herauszunehmen, die ja heute schon glauben, sie müssten im ersten Semester die Mathematik mit einer 1,0 abprüfen, damit sie dann nachher weiterstudieren können, was natürlich ein Unfug ist. Sondern wir müssen erreichen, dass die guten Bachelor auch das Recht haben, ihre Ingenieurausbildung abzuschließen und den Master zu machen.
Biesler: Also könnte man reduziert auf das Formale sagen, der Master führt zum Titel Diplom?
Schmachtenberg: So sagt es ja im Übrigen auch das österreichische Universitätsgesetz. Da hat man sehr klug geregelt, der Diplomingenieur ist ein Master-Grad. Das heißt, wenn Sie in Österreich im modernen Bachelor-Master-System Ingenieurwissenschaften zum Beispiel an der TU-Wien studieren, kriegen zum Schluss den akademischen Grad Master ... den akademischen Grad Diplomingenieur – sehen Sie, jetzt fang ich auch schon an ...
Biesler: Ja, glauben Sie nicht, dass sich diese Verwirrung auch auf die Studierenden übertragen wird, die im Augenblick vielleicht gerade froh sind, sich mit Bachelor und Master einigermaßen arrangiert zu haben?
Schmachtenberg: Da kann ich Ihnen zwei Antworten drauf geben: Das eine ist, wenn ich mit meinen Studierenden rede, der Ingenieurwissenschaften, dann sind die traurig, dass die nicht mehr den akademischen Grad erreichen können, den ihre Eltern und Großväter gemacht haben – und da gibt es ja auch keinen guten Grund, das zu erklären. Und die zweite Antwort über die Vielfältigkeit der akademischen Grade, da fällt mir nur ein: Wenn ich am Wochenende in den Supermarkt gehe zum Einkaufen, dann finde ich 100 Joghurtsorten im Regal, und der Verbraucher kann damit umgehen, und die Personaldirektoren unserer Konzerne behaupten, sie können nicht mit mehr als zwei akademischen Graden umgehen. Das kann doch gar nicht sein.
Biesler: Aber das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz sieht ja nun den Diplomabschluss überhaupt gar nicht mehr vor. Wie wollen Sie denn erreichen, das muss ja eine Gesetzesänderung geben, dass Sie da in Zukunft den Titel überhaupt wieder verleihen dürfen?
Schmachtenberg: Sehr interessant ist, wenn Sie die letzten Beschlüsse der Kultusministerkonferenz durchschauen, dann wurde schon klar etwas weicher formuliert, dass sozusagen akademische Traditionen mit ihren akademischen Graden in dem neuen System durchaus aufgenommen werden, und ich meine auch, dass die Minister in ihrer Reformwut da zu weit gegangen sind. Wir haben Dinge abgeschafft, die wegen Bologna nicht hätten abgeschafft werden müssen. Österreich macht uns das ja vor. Da muss ich den Ball einfach zurückgeben und sagen, bitte hört auf mit dieser Regulierungswut, gebt den Universitäten ihr Recht zurecht zurück, ihre akademischen Grade so zu verleihen, wie sie sie für angemessen halten.