Er versteht sich nicht als großer Taktstock-Zampano, sondern eher als eine Art Anwalt der Noten. Eine gewisse Bescheidenheit hat den vor 90 Jahren in Berlin geborenen Christoph von Dohnányi stets ausgezeichnet. Vielleicht liegt dies auch an seiner Herkunft, denn er entstammt einer von Politik und Zeitgeschichte geprägten Familie.
Schulisch wie musikalisch ausgebildet in Bayern, hospitierte von Dohnányi bei Georg Solti, der einst bei Dohnányis Großvater in Budapest studiert hatte. Prägend wurden für den jungen Dirigenten seine Jahre am Frankfurter Opernhaus, bevor er über Köln und Hamburg zum traditionsreichen Cleveland Orchestra wechselte, das er fast 20 Jahre lang leitete. Er war regelmäßiger Gast an allen führenden Konzert- und Opernhäusern – mit Ausnahme von Bayreuth, wo er krankheitsbedingt absagen musste.
Als er nach Europa zurückkehrte, ging er in London und Hamburg zwei neue musikalische Bindungen ein. Stets hat er sich leidenschaftlich gegen jede Form von Schlendrian in Kultur und Bildung ausgesprochen. Er war der Ansicht, Kunst könne nicht seicht sein, aber man dürfe das Publikum nicht zum Hören zwingen, sondern müsse "Neugierde wecken": "Man sollte vergangene Musik als Ursprung heutiger Musik darstellen und nicht als Endprodukt einer Epoche", so von Dohnányi.