Archiv

Der dritte Weg
Die Bürger der Republik Moldau kämpfen um Selbstbestimmung

Wahlen, Rechtsstaatlichkeit, Ende der Korruption: Dafür gehen die Demonstranten in Moldaus Hauptstadt Chișinău auf die Straße. Die EU-Begeisterung ist verflogen, andererseits sitzt auch das Misstrauen gegenüber Russland tief. Viele Moldauer wollen deshalb einen eigenen, einen dritten Weg einschlagen.

Mit Reportagen von Andrea Rehmsmeier |
    In der moldauischen Hauptstadt Chisinau beteiligten sich tausende Menschen an dem Protest.
    Immer wieder gehen in Moldaus Hauptstadt Chișinău Zehntausende auf die Straße, um ihrer Kritik an der Regierung Ausdruck zu verleihen (picture alliance /dpa /Dumitru Doru)
    Moldau gehörte einst zu Rumänien und dann zur Sowjetunion, seit Anfang der 90er-Jahre ist das Land unabhängig. Die Frage, ob sich die Republik Moldau eher nach Moskau oder nach Brüssel orientieren soll, ist bis heute umstritten. Vor vier Jahren hat das Land mit der EU ein Assoziierungsabkommen abgeschlossen. Doch trotz Annäherung an die Europäische Union bleibt Moldau arm: Renten und Einkommen zählen zu den niedrigsten in ganz Europa, schätzungsweise jeder vierte Moldauer arbeitet im Ausland. Im Inland fehlen qualifizierte Arbeitskräfte und Erfolgsgeschichten von Unternehmern. Stattdessen hat das Land ein wachsendes Korruptionsproblem: Große Teile der EU-Finanzhilfen sollen in dunklen Kanälen verschwunden sein. Und vielen Bauern fehlen trotz des Assoziierungsabkommens die Märkte.
    Wiederangliederung an Rumänien?
    Nun steht die Parlamentswahl im Februar 2019 bevor, sie gilt als Richtungsentscheidung zwischen pro-europäischen und pro-russischen Kräften. Seit Korruptionsskandale und Wahlmanipulationen das Land erschüttern, ist eine EU-Vollmitgliedschaft in weite Ferne gerückt. Manche Moldauer aber setzen auf eine Europa-Integration durch die Hintertür: das "rumänische Szenario". Die Republik Moldau wiedervereinigt sich mit Rumänien – und ihre Einwohner werden auf diese Weise automatisch zu vollwertigen EU-Bürgern. Gerade bei vielen ethnischen Minderheiten in Moldau aber stößt diese Idee auf Widerstand - bei den Gagausen zum Beispiel, die sich in Meinungsumfragen immer wieder als pro-russisch gezeigt haben.
    Karte der Republik Moldau mit abtrünnigen und autonomen Regionen
    Karte der Republik Moldau mit abtrünnigen und autonomen Regionen (dpa-Grafik)
    Viele Demonstranten fürchten darüber hinaus, dass ihr Land an einem ganz anderen Scheideweg steht: Wenn es jetzt nicht auf den Weg der Demokratie zurückfindet, dann könnte es endgültig in die Hände einer autoritären Kleptokratenclique fallen.
    Demokratie oder Oligarchie?
    Die frühere Sowjetrepublik Moldau wird von Oligarchen regiert - so lautet die Kritik der Menschen, die in der Hauptstadt Chiᶊinau immer wieder für Demokratie auf die Straße gehen. Die annullierte Bürgermeisterwahl ist ein schlechtes Vorzeichen für die Parlamentswahlen.
    Der moldauische Obstbauer Furdoj in seiner Apfelplantage
    "Sind solche Äpfel nicht gut genug für Europa?"
    Mit der Unabhängigkeit 1991 begeisterten sich viele Moldauer für die EU. Doch die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens hat für viele Bauern nicht den erhofften Exporterfolg gebracht.
    Kinder laufen durch einen Park in Comrat, der Hauptstadt der autonomen Region Gagausien in der Republik Moldau
    Gagausische Minderheit in Sorge
    Bestrebungen in Moldau, sich wieder mit Rumänien zu vereinigen und damit der EU anzugehören, lehnen viele Gagausen im Land ab - aus Furcht vor Unterdrückung. Nicht nur pro-russische Kräfte versuchen, diese Sorge für sich zu nutzen.
    Junge Aktivisten bringen die moldauische Protestbewegung mit Samba-Rythmen in Schwung
    Neue Formen des Protests
    In Moldau gehen Zehntausende auf die Straße, um gegen die Politik der Regierung zu demonstrieren - auch junge Aktivisten mit kreativen Ideen sind dabei. Ein Kinderbuch-Held aus Sowjetzeiten erlebt dabei seine Auferstehung - aus einem einfachen Grund.