Bettina Klein: "Kann Amerika noch führen?" So war gestern ein Artikel in der "Washington Post" überschrieben, und der Kommentator hat das nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantwortet, sondern mit den Sorgen eines britischen Politikers, Obama scheine eine passive Figur zu sein in einer Zeit, in der die Welt eine Führungspersönlichkeit brauche. Gestern hat Obama sich nun mit einer Ansprache an das amerikanische Volk gewandt, im Weißen Haus, übertragen vom Fernsehen, später dann noch einmal in einer Rede bei einer Veranstaltung seiner Partei. Hat er ein Zeichen setzen können in Sachen Führungsstärke? Darüber würde ich jetzt gerne sprechen mit Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund. Wir erreichen ihn zurzeit in Deutschland. Schönen guten Morgen!
Thomas Kleine-Brockhoff: Guten Morgen!
Klein: Ja, Obama und die Führungsstärke – haben wir gestern den Versuch erlebt, das Land zu führen und Amerika als Führungsmacht neu zu etablieren?
Kleine-Brockhoff: Ja, natürlich ist das eine Irritation, ein Schock für die amerikanische Selbstwahrnehmung, diese Herabstufung durch die Ratingagentur, die nun über das Land gekommen ist, und das hat mit amerikanischem Selbstbewusstsein zu tun, das nun angekratzt und angegriffen ist. Aber wenn die Frage beantwortet werden soll, ob Amerika führen kann – natürlich kann Amerika führen, wir befinden uns in einer globalen Krise und in der alle wesentlichen Spieler beschädigt sind, die Europäer sind es, die Chinesen genießen kein globales Vertrauen. Insofern ist es eine Frage der Relativität: Am Ende des Tages werden sich auch die Investoren wieder zu amerikanischen Schuldverschreibungen zuwenden, das hat man schon gestern gesehen. Insofern: Ja, Amerika kann führen.
Klein: Weshalb dann werden immer wieder die Zweifel daran ausgedrückt und auch an Obamas Führungsstärke?
Kleine-Brockhoff: Na ja, er ist in einer schwierigen innenpolitischen Situation, in denen fast nichts vorangeht, in denen im Grunde ein philosophischer Unterschied größeren Ausmaßes zwischen den beiden parteipolitischen Lagern jeden Kompromiss lähmt. Und das wirkt sich selbstverständlich auf seine Entscheidungs- und Führungsfähigkeit aus.
Klein: Standard & Poor's hat auch das Verfahren um den Schuldenkompromiss kritisiert, das war ein Grund, die USA herabzustufen, die politischen Parteien, die sich gegenseitig blockiert haben. An einer Stelle gab es deutliche Kritik Richtung Republikaner, denn, so Standard & Poor's, das Defizit lasse sich nicht ohne höhere Einnahmen abschmelzen, und damit sind höhere Steuereinnahmen gemeint: Gegen die haben die Republikaner sich erfolgreich und komplett zur Wehr gesetzt. Da muss ein Umdenken erfolgen. Wird es erfolgen?
Kleine-Brockhoff: Ich glaube schon, denn der Druck der Märkte hat nun auch Amerika erreicht. Das ist ja gerade der Schock. Die Amerikaner glaubten, dass es sie nicht erreichen würde, dass das nur Länder wie Griechenland betreffen würde, und der amerikanische Präsident war gestern ja fast trotzig, als er gesagt hat, dass Amerika immer ein Triple-A-Land war und immer ein Triple-A-Land bleiben wird, egal ob irgendwas irgendeine Agentur sagt. Aber in der Tat setzt das voraus, dass das politische System diese Herausforderung annimmt, und das bedeutet, dass beide Seiten des politischen Spektrums Abschied nehmen von lieb gewonnenen Vorstellungen, auch ideologischen Vorstellungen. Und das bedeutet zweierlei: Erstens, dass die amerikanische Rechte Abschied nimmt von ihrem Mantra, dass es keinerlei Steuererhöhungen geben können wird – ein 30-jähriger Zyklus von Steuersenkungen wird an sein Ende kommen müssen, darin sind sich alle Politiker der Mitte einig, aber eben nicht der rechte Rand –, und dass die Linke Abschied nimmt von der Vorstellung, dass Amerika in Wahrheit kein Strukturproblem habe, sondern nur ein Konjunkturproblem, und dass sich dieses mit immer neuen Konjunkturpaketen, die man auf Pumpfinanzierung durch späteres Wachstum wieder einspielen werde, dass das im Grunde das Problem sei und dass Sparen böse sei und nur die Konjunktur kaputtmache. Diese Vorstellung wird auch ... davon wird man auch Abschied nehmen müssen und sich in der Mitte zusammenfinden müssen, wenn es einen Kompromiss geben soll.
Klein: Ja, ich würde aber gern noch einen kurzen Moment bleiben: Ein weiterer Kritikpunkt dieser Ratingagentur war ja, dass das Sparpaket zu klein ausgefallen ist, das im Zusammenhang mit der Erhöhung der Schuldengrenze vereinbart wurde. Jetzt muss man natürlich sagen: Es waren die Republikaner, die dermaßen massiv aufs Sparen gedrungen haben und dann natürlich auch noch zusätzlich getrieben von den von der Tea Party unterstützten Abgeordneten das auf die politische Agenda gesetzt haben. Wenn es nach denen gegangen wäre, hätte man deutlich mehr gekürzt. Ich frage mal etwas ketzerisch: Haben diese Angeordneten, die man inzwischen mit Terroristen vergleicht, am Ende recht behalten?
Kleine-Brockhoff: Na ja, das "Terroristen" ist ein politischer Kampfbegriff eines Abgeordneten der anderen Seite, das muss man insofern nicht so ernst nehmen. Dann: In der Tat ist es ein Verdienst der Tea Party, auch wenn das merkwürdig klingt, zu sagen, dass sie das Sparen in Amerika jetzt durchgesetzt haben, denn die Demokraten hätten es alleine sicherlich nicht gemacht. Die Frage ist, wie das Sparen gemacht wird, denn so, wie es die Tea Party vorschlägt, ist es hochideologisch, und zweitens umstellt von eigenen Barrieren, eigenen roten Linien, über die die Tea Party nicht hinausgehen möchte, und auch das wird sie tun müssen. Das Wichtigste sind Einnahmeverbesserungen, die sie ... denen sie werden zustimmen müssen in der nächsten Runde.
Klein: Und die nächste Runde beginnt jetzt mit einer Kommission, die vereinbart worden ist, fifty-fifty besetzt von Demokraten und Republikanern, die nun weitere Sparmaßnahmen beschließen müssen bis November. Herr Kleine-Brockhoff, Sie sind ein Kenner der Washingtoner Szene, inzwischen hört man auch, wie sehr die Lobbyisten ihre Ärmel hochkrempeln und versuchen, Einfluss zu nehmen. Was glauben Sie: Mit welchem Ergebnis wird die Kommission da rauskommen? Lässt sich da irgendwas absehen?
Kleine-Brockhoff: Es gibt ja Blaupausen. Es gibt die Blaupausen: die sogenannte Gang of Six, also die Gruppe von sechs Senatoren schon geliefert hat, aus beiden Parteien kommend, die verworfen worden sind, es gibt die Defizitkommission des Präsidenten Obama, die er im vergangenen Jahr eingerichtet hat, die auch folgenlos blieb, und es gibt das Paket, das Obama selbst mit dem republikanischen Repräsentantenhausanführer Boehner schon fast verabschiedet hatte, aber das dann an beiden Seiten gescheitert ist. Entlang dieser Papiere wird die Diskussion verlaufen, und der Präsident hat gestern Abend angekündigt, dass er seinen eigenen Plan auch noch beisteuern wird, das heißt, er wird diese Kommission nicht einfach nur arbeiten lassen in alle möglichen Richtungen, sondern er wird ihr eine Regierungsvorgabe mit auf den Weg geben.
Klein: Mit welcher Vorgabe?
Kleine-Brockhoff: Er hat gestern auch schon angekündigt, dass dort zwei wesentliche Dinge ... die eine, die der politischen Linken wehtun wird, die andere, die der politischen Rechten wehtun wird, das heißt, es wird herangehen an Kürzungen in der Gesundheitsvorsorge, das tut der politischen Linken weh, und es muss Steuererhöhungen besonders für Besserverdienende geben, das wird der politischen Rechten wehtun.
Klein: Aber genau das ist ja sowieso als Automatismus vorgesehen – wenn die Kommission nichts entscheidet, so heißt es –, eben Einsparungen, die beiden politischen Lagern wehtun werden. Also so viel ... Etwas anderes wird die Kommission gar nicht beschließen können?
Kleine-Brockhoff: Ja, es ist natürlich so, dass es so viele Möglichkeiten nicht gibt. Wenn man sich die großen Kostenblöcke im amerikanischen Haushalt anguckt, so hat man gesehen, dass der eine Teil der Sozialabgaben jetzt schon angegriffen wurde, dass in dieser Runde auch das Pentagon stark angegriffen wurde. Nun geht es an die beiden anderen großen Blöcke heran, an die sich beide Seiten bisher nicht herangetraut haben, und besonders eben die Steuerfrage, mit denen die Republikaner fast verheiratet sind.
Klein: Ich würde noch mal gerne einen Blick werfen auf die Reaktionen, die aus China kamen am Wochenende auf die Herabstufung. China als Land wird ja von den USA weniger als Feind denn als Konkurrent und als ernst zu nehmender Sparringspartner gesehen. Die Ermahnungen, die wir am Wochenende aus Peking an die Adresse Washingtons gehört haben – ihr müsst etwas ändern, ihr müsst mehr sparen, ihr müsst euren Haushalt sanieren, was in der Sache auch alles nicht falsch ist –, wird das etwas ändern am Verhältnis der USA zu China? Hat das mehr, längerfristige Folgen im Verhältnis der Staaten oder auch im Selbstwertgefühl der Amerikaner, oder spielt das nicht eine so große Rolle?
Kleine-Brockhoff: Zunächst mal hat es etwas zu tun mit dem gewachsenen chinesischen Selbstbewusstsein. In den chinesischen Äußerungen steht natürlich der Seitenhieb drin: Jahrelang habt ihr uns versucht zu erklären, wie man sich verhalten muss, welches ökonomisch sinnvolles Verhalten ist, und nun brecht ihr all die Regeln, die ihr uns immer aufgeben wolltet. Das heißt, hier ist ein Stückchen chinesisches Selbstbewusstsein drin, und man hat es über den Verlauf der vergangenen zwei Jahre gesehen, dass die Chinesen dabei sind, ihre Abhängigkeit vom Dollar reduzieren zu wollen, die eigene Währung, die ja nicht an den Märkten frei flotierend ist, sondern künstlich niedrig gehalten wird, von der eigenen Regierung als Handelswährung in Ostasien aufzubauen. Also wir erleben den Versuch der Chinesen, langsam die Rolle des Dollars als Weltreservewährung herabzumindern und in eine multipolare Währungswelt hineinzugeraten. Das ist erklärtes chinesisches Ziel der Währungspolitik.
Klein: Und wird das erfolgreich sein?
Kleine-Brockhoff: Na ja, das ist ein bisschen hellseherisch, aber ich würde vermuten, dass eine multipolare Welt, wie wir sie entstehen sehen, auch mit einem multipolaren Währungssystem zu tun haben wird. Der Euro selber ist ja schon eine zweite Währung, die neben den Dollar getreten ist und an Bedeutung gewonnen hat in den letzten Jahren. Es könnte nicht die letzte Währung gewesen sein.
Klein: Das waren Einschätzungen von Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund in Washington. Herzlichen Dank für das Gespräch und einen guten Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Kleine-Brockhoff: Guten Morgen!
Klein: Ja, Obama und die Führungsstärke – haben wir gestern den Versuch erlebt, das Land zu führen und Amerika als Führungsmacht neu zu etablieren?
Kleine-Brockhoff: Ja, natürlich ist das eine Irritation, ein Schock für die amerikanische Selbstwahrnehmung, diese Herabstufung durch die Ratingagentur, die nun über das Land gekommen ist, und das hat mit amerikanischem Selbstbewusstsein zu tun, das nun angekratzt und angegriffen ist. Aber wenn die Frage beantwortet werden soll, ob Amerika führen kann – natürlich kann Amerika führen, wir befinden uns in einer globalen Krise und in der alle wesentlichen Spieler beschädigt sind, die Europäer sind es, die Chinesen genießen kein globales Vertrauen. Insofern ist es eine Frage der Relativität: Am Ende des Tages werden sich auch die Investoren wieder zu amerikanischen Schuldverschreibungen zuwenden, das hat man schon gestern gesehen. Insofern: Ja, Amerika kann führen.
Klein: Weshalb dann werden immer wieder die Zweifel daran ausgedrückt und auch an Obamas Führungsstärke?
Kleine-Brockhoff: Na ja, er ist in einer schwierigen innenpolitischen Situation, in denen fast nichts vorangeht, in denen im Grunde ein philosophischer Unterschied größeren Ausmaßes zwischen den beiden parteipolitischen Lagern jeden Kompromiss lähmt. Und das wirkt sich selbstverständlich auf seine Entscheidungs- und Führungsfähigkeit aus.
Klein: Standard & Poor's hat auch das Verfahren um den Schuldenkompromiss kritisiert, das war ein Grund, die USA herabzustufen, die politischen Parteien, die sich gegenseitig blockiert haben. An einer Stelle gab es deutliche Kritik Richtung Republikaner, denn, so Standard & Poor's, das Defizit lasse sich nicht ohne höhere Einnahmen abschmelzen, und damit sind höhere Steuereinnahmen gemeint: Gegen die haben die Republikaner sich erfolgreich und komplett zur Wehr gesetzt. Da muss ein Umdenken erfolgen. Wird es erfolgen?
Kleine-Brockhoff: Ich glaube schon, denn der Druck der Märkte hat nun auch Amerika erreicht. Das ist ja gerade der Schock. Die Amerikaner glaubten, dass es sie nicht erreichen würde, dass das nur Länder wie Griechenland betreffen würde, und der amerikanische Präsident war gestern ja fast trotzig, als er gesagt hat, dass Amerika immer ein Triple-A-Land war und immer ein Triple-A-Land bleiben wird, egal ob irgendwas irgendeine Agentur sagt. Aber in der Tat setzt das voraus, dass das politische System diese Herausforderung annimmt, und das bedeutet, dass beide Seiten des politischen Spektrums Abschied nehmen von lieb gewonnenen Vorstellungen, auch ideologischen Vorstellungen. Und das bedeutet zweierlei: Erstens, dass die amerikanische Rechte Abschied nimmt von ihrem Mantra, dass es keinerlei Steuererhöhungen geben können wird – ein 30-jähriger Zyklus von Steuersenkungen wird an sein Ende kommen müssen, darin sind sich alle Politiker der Mitte einig, aber eben nicht der rechte Rand –, und dass die Linke Abschied nimmt von der Vorstellung, dass Amerika in Wahrheit kein Strukturproblem habe, sondern nur ein Konjunkturproblem, und dass sich dieses mit immer neuen Konjunkturpaketen, die man auf Pumpfinanzierung durch späteres Wachstum wieder einspielen werde, dass das im Grunde das Problem sei und dass Sparen böse sei und nur die Konjunktur kaputtmache. Diese Vorstellung wird auch ... davon wird man auch Abschied nehmen müssen und sich in der Mitte zusammenfinden müssen, wenn es einen Kompromiss geben soll.
Klein: Ja, ich würde aber gern noch einen kurzen Moment bleiben: Ein weiterer Kritikpunkt dieser Ratingagentur war ja, dass das Sparpaket zu klein ausgefallen ist, das im Zusammenhang mit der Erhöhung der Schuldengrenze vereinbart wurde. Jetzt muss man natürlich sagen: Es waren die Republikaner, die dermaßen massiv aufs Sparen gedrungen haben und dann natürlich auch noch zusätzlich getrieben von den von der Tea Party unterstützten Abgeordneten das auf die politische Agenda gesetzt haben. Wenn es nach denen gegangen wäre, hätte man deutlich mehr gekürzt. Ich frage mal etwas ketzerisch: Haben diese Angeordneten, die man inzwischen mit Terroristen vergleicht, am Ende recht behalten?
Kleine-Brockhoff: Na ja, das "Terroristen" ist ein politischer Kampfbegriff eines Abgeordneten der anderen Seite, das muss man insofern nicht so ernst nehmen. Dann: In der Tat ist es ein Verdienst der Tea Party, auch wenn das merkwürdig klingt, zu sagen, dass sie das Sparen in Amerika jetzt durchgesetzt haben, denn die Demokraten hätten es alleine sicherlich nicht gemacht. Die Frage ist, wie das Sparen gemacht wird, denn so, wie es die Tea Party vorschlägt, ist es hochideologisch, und zweitens umstellt von eigenen Barrieren, eigenen roten Linien, über die die Tea Party nicht hinausgehen möchte, und auch das wird sie tun müssen. Das Wichtigste sind Einnahmeverbesserungen, die sie ... denen sie werden zustimmen müssen in der nächsten Runde.
Klein: Und die nächste Runde beginnt jetzt mit einer Kommission, die vereinbart worden ist, fifty-fifty besetzt von Demokraten und Republikanern, die nun weitere Sparmaßnahmen beschließen müssen bis November. Herr Kleine-Brockhoff, Sie sind ein Kenner der Washingtoner Szene, inzwischen hört man auch, wie sehr die Lobbyisten ihre Ärmel hochkrempeln und versuchen, Einfluss zu nehmen. Was glauben Sie: Mit welchem Ergebnis wird die Kommission da rauskommen? Lässt sich da irgendwas absehen?
Kleine-Brockhoff: Es gibt ja Blaupausen. Es gibt die Blaupausen: die sogenannte Gang of Six, also die Gruppe von sechs Senatoren schon geliefert hat, aus beiden Parteien kommend, die verworfen worden sind, es gibt die Defizitkommission des Präsidenten Obama, die er im vergangenen Jahr eingerichtet hat, die auch folgenlos blieb, und es gibt das Paket, das Obama selbst mit dem republikanischen Repräsentantenhausanführer Boehner schon fast verabschiedet hatte, aber das dann an beiden Seiten gescheitert ist. Entlang dieser Papiere wird die Diskussion verlaufen, und der Präsident hat gestern Abend angekündigt, dass er seinen eigenen Plan auch noch beisteuern wird, das heißt, er wird diese Kommission nicht einfach nur arbeiten lassen in alle möglichen Richtungen, sondern er wird ihr eine Regierungsvorgabe mit auf den Weg geben.
Klein: Mit welcher Vorgabe?
Kleine-Brockhoff: Er hat gestern auch schon angekündigt, dass dort zwei wesentliche Dinge ... die eine, die der politischen Linken wehtun wird, die andere, die der politischen Rechten wehtun wird, das heißt, es wird herangehen an Kürzungen in der Gesundheitsvorsorge, das tut der politischen Linken weh, und es muss Steuererhöhungen besonders für Besserverdienende geben, das wird der politischen Rechten wehtun.
Klein: Aber genau das ist ja sowieso als Automatismus vorgesehen – wenn die Kommission nichts entscheidet, so heißt es –, eben Einsparungen, die beiden politischen Lagern wehtun werden. Also so viel ... Etwas anderes wird die Kommission gar nicht beschließen können?
Kleine-Brockhoff: Ja, es ist natürlich so, dass es so viele Möglichkeiten nicht gibt. Wenn man sich die großen Kostenblöcke im amerikanischen Haushalt anguckt, so hat man gesehen, dass der eine Teil der Sozialabgaben jetzt schon angegriffen wurde, dass in dieser Runde auch das Pentagon stark angegriffen wurde. Nun geht es an die beiden anderen großen Blöcke heran, an die sich beide Seiten bisher nicht herangetraut haben, und besonders eben die Steuerfrage, mit denen die Republikaner fast verheiratet sind.
Klein: Ich würde noch mal gerne einen Blick werfen auf die Reaktionen, die aus China kamen am Wochenende auf die Herabstufung. China als Land wird ja von den USA weniger als Feind denn als Konkurrent und als ernst zu nehmender Sparringspartner gesehen. Die Ermahnungen, die wir am Wochenende aus Peking an die Adresse Washingtons gehört haben – ihr müsst etwas ändern, ihr müsst mehr sparen, ihr müsst euren Haushalt sanieren, was in der Sache auch alles nicht falsch ist –, wird das etwas ändern am Verhältnis der USA zu China? Hat das mehr, längerfristige Folgen im Verhältnis der Staaten oder auch im Selbstwertgefühl der Amerikaner, oder spielt das nicht eine so große Rolle?
Kleine-Brockhoff: Zunächst mal hat es etwas zu tun mit dem gewachsenen chinesischen Selbstbewusstsein. In den chinesischen Äußerungen steht natürlich der Seitenhieb drin: Jahrelang habt ihr uns versucht zu erklären, wie man sich verhalten muss, welches ökonomisch sinnvolles Verhalten ist, und nun brecht ihr all die Regeln, die ihr uns immer aufgeben wolltet. Das heißt, hier ist ein Stückchen chinesisches Selbstbewusstsein drin, und man hat es über den Verlauf der vergangenen zwei Jahre gesehen, dass die Chinesen dabei sind, ihre Abhängigkeit vom Dollar reduzieren zu wollen, die eigene Währung, die ja nicht an den Märkten frei flotierend ist, sondern künstlich niedrig gehalten wird, von der eigenen Regierung als Handelswährung in Ostasien aufzubauen. Also wir erleben den Versuch der Chinesen, langsam die Rolle des Dollars als Weltreservewährung herabzumindern und in eine multipolare Währungswelt hineinzugeraten. Das ist erklärtes chinesisches Ziel der Währungspolitik.
Klein: Und wird das erfolgreich sein?
Kleine-Brockhoff: Na ja, das ist ein bisschen hellseherisch, aber ich würde vermuten, dass eine multipolare Welt, wie wir sie entstehen sehen, auch mit einem multipolaren Währungssystem zu tun haben wird. Der Euro selber ist ja schon eine zweite Währung, die neben den Dollar getreten ist und an Bedeutung gewonnen hat in den letzten Jahren. Es könnte nicht die letzte Währung gewesen sein.
Klein: Das waren Einschätzungen von Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund in Washington. Herzlichen Dank für das Gespräch und einen guten Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.