Vermutet hatte man ihn mal in Ägypten und mal in Kuwait, mal in Syrien und mal im Irak. Dort, irgendwo im Vorderen Orient, habe er nicht nur Asyl gefunden sondern auch eine hohe Position im internationalen Waffen-Handel - schließlich genieße er ja neben dem Wohlwollen stramm israelfeindlicher Machthaber das Vertrauen zahlreicher alter Kameraden aus den Führungs-Etagen des NS-Staats, die nach 1945 auf Chefsesseln deutscher Unternehmen Platz genommen hatten und selbstverständlich bestens wussten, wer sich da unter 1000 Decknamen verbarg: Adolf Eichmann, Jahrgang 1906, SS-Obersturmbannführer und wichtigster Organisator der systematischen Vernichtung von etwa sechs Millionen Juden.
Allerdings lebte Eichmann nicht im Nahen Osten sondern in Argentinien. Er war auch kein reicher Geschäftsmann sondern ein eher unscheinbarer Angestellter, und wenngleich sich sein Name auf allen internationalen Fahndungslisten fand, hatte man ihn gar so intensiv kaum suchen mögen. Es stand ja zu befürchten, dass jede Erinnerung an die Verbrechen des Dritten Reichs die Position der Bundesrepublik im Kalten Krieg schwächen würde. Was Wunder also, dass man weder in Bonn noch in Washington hell begeistert war, als Israels Ministerpräsident David Ben Gurion am 23.Mai 1960 dem Parlament in Tel Aviv mitteilte, Adolf Eichmann sei von israelischen Behörden festgenommen worden und werde vor Gericht gestellt. "Diese Festnahme", kommentierte denn auch die "New York Times":
"Diese Festnahme wird der Bundesrepublik ein paar Fragen stellen, denen sie bis heute stets ausgewichen ist. Wie viele ehedem hohe Nazis sitzen heute unbehelligt in der deutschen Wirtschaft, in Regierung und Justiz und hat sich das ganz zweifellos neue demokratische Deutschland wirklich ausreichend mit dem Erbe beschäftigt, das die Nazis ihm aufgebürdet haben?"
Tatsächlich: Der Eichmann-Prozess zwang die Deutschen zu einer so kritischen wie schmerzhaften Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. 1946 hatte der Celler Oberlandesgerichtspräsident Dr. Freiherr Hodo von Hodenberg jede Verfolgung von Nazi-Verbrechen durch die deutsche Justiz zu einer - wörtlich - "schweren Erschütterung des Rechtsbewusstseins" erklärt, und noch 1952 hieß es über die Verfahren, die etwa die Briten gegen deutsche Kriegsverbrecher geführt hatten, in einer Schrift des Verbands der Heimkehrer:
"Nicht berücksichtigt wurde... die Tatsache, dass viele Kriegsverbrecher – dieser Begriff steht in Anführungszeichen – mit den bis 1945 geltenden Gesetzen gehandelt hatten, und dass die Zumutung, solche Gesetze wegen ihrer Abweichung von völkerrechtlichen oder naturrechtlichen Grundsätzen als unverbindlich anzusehen, gegenüber dem Durchschnitt aller Menschen unvertretbar ist."
Gut möglich, dass diese These sogar zutraf. 1951 waren alle Beamten wieder eingestellt worden, die ihrer Nazi-Vergangenheit wegen den Dienst verlassen mussten und mit Hans Globke saß ein Staatssekretär im Bundeskanzleramt, der einst den offiziellen Kommentar zu den antijüdischen Nürnberger Gesetzen geschrieben hatte. Jetzt aber geriet die Bundesrepublik in den Verdacht, Nazi-Verbrecher nicht ernsthaft gesucht, sondern geschont zu haben.
Am 25.Mai 1960, zwei Tage nach Ben Gurions Mitteilung im israelischen Parlament, fragte der SPD-Abgeordnete Karl Mommer im Deutschen Bundestag den zuständigen Justizminister Dr. Fitz Schäffer von der CSU, ob es nicht beschämend wirke, wenn den Israelis gelinge, was die Deutschen angeblich schon so lange versuchten. Darauf Schäffer:
"Die Bundesregierung unternimmt natürlich alles, was sie unternehmen kann, um solche Schuldige, die bei uns ja meistens auch bereits durch Gerichte verfolgt werden, zu ermitteln und der deutschen Gerichtsbarkeit zuzuführen. Soweit Auslieferungsanträge überhaupt möglich sind. Wenn Beschuldigte sich im Auslande aufhalten, wie es hier gewesen unter falschem Namen, so lässt sich nie vermeiden, dass ihr Aufenthalt zeitweise unbekannt bleibt."
Wiederum Mommer:
"Darf ich noch mal fragen, was zum Beispiel zu dem "Alles" gehört, was die Bundesregierung unternimmt, um den Verbrechern auf die Spur zu kommen?"
Und Schäffer:
"Die Bundesregierung unternimmt alles ihr mögliche, um den Verbrechern auf die Spur zu kommen."
Das Gestammel des Ministers war wie das Gelächter der Abgeordneten gut zu verstehen – als Ausdruck tiefer Verlegenheit und bitteren Spotts. Bezeichnend genug: Dass die Israelis den entscheidenden Hinweis von einem Deutschen, dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer bekommen hatten, blieb jahrelang unbekannt.
Im Dezember 1961 verurteilte das Gericht Adolf Eichmann zum Tode, in der Nacht zum 1. Juni 1962 wurde das Urteil vollstreckt.
Allerdings lebte Eichmann nicht im Nahen Osten sondern in Argentinien. Er war auch kein reicher Geschäftsmann sondern ein eher unscheinbarer Angestellter, und wenngleich sich sein Name auf allen internationalen Fahndungslisten fand, hatte man ihn gar so intensiv kaum suchen mögen. Es stand ja zu befürchten, dass jede Erinnerung an die Verbrechen des Dritten Reichs die Position der Bundesrepublik im Kalten Krieg schwächen würde. Was Wunder also, dass man weder in Bonn noch in Washington hell begeistert war, als Israels Ministerpräsident David Ben Gurion am 23.Mai 1960 dem Parlament in Tel Aviv mitteilte, Adolf Eichmann sei von israelischen Behörden festgenommen worden und werde vor Gericht gestellt. "Diese Festnahme", kommentierte denn auch die "New York Times":
"Diese Festnahme wird der Bundesrepublik ein paar Fragen stellen, denen sie bis heute stets ausgewichen ist. Wie viele ehedem hohe Nazis sitzen heute unbehelligt in der deutschen Wirtschaft, in Regierung und Justiz und hat sich das ganz zweifellos neue demokratische Deutschland wirklich ausreichend mit dem Erbe beschäftigt, das die Nazis ihm aufgebürdet haben?"
Tatsächlich: Der Eichmann-Prozess zwang die Deutschen zu einer so kritischen wie schmerzhaften Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. 1946 hatte der Celler Oberlandesgerichtspräsident Dr. Freiherr Hodo von Hodenberg jede Verfolgung von Nazi-Verbrechen durch die deutsche Justiz zu einer - wörtlich - "schweren Erschütterung des Rechtsbewusstseins" erklärt, und noch 1952 hieß es über die Verfahren, die etwa die Briten gegen deutsche Kriegsverbrecher geführt hatten, in einer Schrift des Verbands der Heimkehrer:
"Nicht berücksichtigt wurde... die Tatsache, dass viele Kriegsverbrecher – dieser Begriff steht in Anführungszeichen – mit den bis 1945 geltenden Gesetzen gehandelt hatten, und dass die Zumutung, solche Gesetze wegen ihrer Abweichung von völkerrechtlichen oder naturrechtlichen Grundsätzen als unverbindlich anzusehen, gegenüber dem Durchschnitt aller Menschen unvertretbar ist."
Gut möglich, dass diese These sogar zutraf. 1951 waren alle Beamten wieder eingestellt worden, die ihrer Nazi-Vergangenheit wegen den Dienst verlassen mussten und mit Hans Globke saß ein Staatssekretär im Bundeskanzleramt, der einst den offiziellen Kommentar zu den antijüdischen Nürnberger Gesetzen geschrieben hatte. Jetzt aber geriet die Bundesrepublik in den Verdacht, Nazi-Verbrecher nicht ernsthaft gesucht, sondern geschont zu haben.
Am 25.Mai 1960, zwei Tage nach Ben Gurions Mitteilung im israelischen Parlament, fragte der SPD-Abgeordnete Karl Mommer im Deutschen Bundestag den zuständigen Justizminister Dr. Fitz Schäffer von der CSU, ob es nicht beschämend wirke, wenn den Israelis gelinge, was die Deutschen angeblich schon so lange versuchten. Darauf Schäffer:
"Die Bundesregierung unternimmt natürlich alles, was sie unternehmen kann, um solche Schuldige, die bei uns ja meistens auch bereits durch Gerichte verfolgt werden, zu ermitteln und der deutschen Gerichtsbarkeit zuzuführen. Soweit Auslieferungsanträge überhaupt möglich sind. Wenn Beschuldigte sich im Auslande aufhalten, wie es hier gewesen unter falschem Namen, so lässt sich nie vermeiden, dass ihr Aufenthalt zeitweise unbekannt bleibt."
Wiederum Mommer:
"Darf ich noch mal fragen, was zum Beispiel zu dem "Alles" gehört, was die Bundesregierung unternimmt, um den Verbrechern auf die Spur zu kommen?"
Und Schäffer:
"Die Bundesregierung unternimmt alles ihr mögliche, um den Verbrechern auf die Spur zu kommen."
Das Gestammel des Ministers war wie das Gelächter der Abgeordneten gut zu verstehen – als Ausdruck tiefer Verlegenheit und bitteren Spotts. Bezeichnend genug: Dass die Israelis den entscheidenden Hinweis von einem Deutschen, dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer bekommen hatten, blieb jahrelang unbekannt.
Im Dezember 1961 verurteilte das Gericht Adolf Eichmann zum Tode, in der Nacht zum 1. Juni 1962 wurde das Urteil vollstreckt.