Am Bahnsteig etwas außerhalb von Nouadhibou warten etwa 150 Menschen in der sengenden Sonne, während der Wind Wüstensand über die Gleise weht.
Der Eisenerzzug ist die einzige Bahnverbindung in Mauretanien. Mit bis zu 220 Wagons zählt er zu den längsten Zügen der Welt. Die Strecke führt von Nouadhibou an der Atlantikküste tief hinein in die Sahara nach Zouerat.
Dort, mitten in der Wüste, liegt eines der gewaltigsten Erzabbaugebiete Afrikas. Selbst von der Internationalen Raumstation aus kann man das kleine Eisengebirge mit seinen Tagebauwerken mit bloßem Auge noch erkennen. Ein kleiner, schwarzer Fleck, wie ein Tumor in der Wüste.
Doch der Zug ist mehr als ein reiner Güterzug. "Le Train", wie er hier genannt wird, ist eine Lebensader in diesem abgeschiedenen Teil der Sahara. Niemand muss für die Fahrt in den offenen Hochbordwagons bezahlen. Familien nehmen den Zug, um über die Sommermonate in kleine Wüstenoasen in der Sahara zu flüchten.
"Wer vom Zug fällt, ist verloren"
Hirten transportieren Ziegen und Kamele, und Männer wie der Fischhändler Dah Abdelaid nutzen den Zug, um ihre Waren von der Küste ins Landesinnere zu transportieren:
"Ich fahre diese Strecke inzwischen seit 15 Jahren. Für mich ist der Zug wie ein Zuhause."
Kaum nimmt der Zug Fahrt auf, zerbricht Abdelaid eine alte Obstkiste, reißt einen Fetzen seines Turbans ab, legt noch ein Stück alten Fahrradschlauch auf einen kleinen Haufen in der Ecke des Wagons und entzündet ein Feuerchen zum Kochen. Während er Zwiebeln, Kartoffeln und etwas Kamelfleisch kleinschneidet, erzählt er:
"Unsere Arbeit ist sehr gefährlich. Zum Glück gibt es schon seit einigen Jahren keine Banditen mehr. Aber wer vom Zug fällt, ist verloren."
Bergbaufirma erwirtschaftet rund 30 Prozent des BIP
Vermutlich haben schon im elften Jahrhundert Menschen entdeckt, dass sich aus den schwarz-bläulichen Felsen des Jedia d'Idjil Eisen gewinnen lässt. Die industrielle Förderung des Metalls begann allerdings erst kurz nach der Unabhängigkeit des Landes in den 1960er-Jahren. Heute ist Eisenerz neben Fisch das wichtigste Exportgut Mauretaniens.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Eisenerzzuges ist deshalb sehr groß. Jedna Deida ist Journalist in Mauretanien und beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Bergbausektor:
"Der Zug hat es der mauretanischen Bergbaugesellschaft SNIM ermöglicht, zu einem der wichtigsten Faktoren in der mauretanischen Wirtschaft aufzusteigen. Die Gewinne des Unternehmens machen rund 30 Prozent des mauretanischen Inlandsproduktes aus."
Tiefe Löcher, vernebelt von Eisenstaub
Gegen Morgen, nach 16 Stunden Fahrt, erreicht der Zug schließlich Zouerat.
Die kleine Bergbaustadt in der Wüste ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen und hat heute rund 50.000 Einwohner. Der Elektroingenieur Boullah arbeitet seit 2014 in Zouerat für die SNIM. Er war bereits in verschiedenen Bereichen der Firma tätig und ist heute unter anderem fürs Beladen des Zuges verantwortlich.
"Immer wieder gibt es Unfälle", sagt er. "Manchmal kann man durch den Eisenstaub fast nichts mehr sehen. Das ist extrem gefährlich. Ein falscher Schritt und du fällst sechs Meter in die Tiefe. Erst letzte Woche gab es einen Unfall. Ein Mann ist gestürzt und hat sich am Kopf verletzt. Er war so gut wie tot.
Die Fahrt zurück zur Küste dauert deutlich länger als der Hinweg. Selbst mit drei modernen Diesellokomotiven schafft der Zug vollbeladen kaum 50 Kilometer die Stunde. Bis zu 120 Tonnen Eisenerz müssen die Loks jetzt ziehen – pro Wagon. Damit ist der Iron Ore Train nicht nur einer der längsten, sondern auch der schwersten Züge der Welt.
Das birgt ganz eigene Schwierigkeiten: Alle paar Wochen müssen die Gleise ausgetauscht werden. Entlang der Strecke liegen abgeplatzte Schienenteile wie Granatsplitter im Wüstensand.
"Von dem Eisen bleibt fast nichts in Mauretanien"
Nach mehr als 20 Stunden Fahrt erreicht der Zug schließlich den Hafen von Nouadhibou. Über lange Förderbänder wird das Erz auf Schiffe verladen.
"Von dem Eisen verbleibt fast nichts in Mauretanien. Es gibt einfach keine Industrie, die das Erz verarbeiten könnte. Dadurch steht Mauretanien ganz unten in der Wertschöpfungskette. Das Erz wird so exportiert wie man es aus den Minen holt", sagt der Journalist Jedna Deida.
Der Rohstoffhunger der Industrienationen wächst und Afrika liefert billige Ressourcen. In den vergangenen Jahren ist China für viele afrikanische Staaten zum wichtigsten Handelspartner aufgestiegen. Kritiker warnen jedoch vor einem "Ausverkauf afrikanischer Rohstoffe", einige sprechen sogar von einem "chinesischen Kolonialismus".
Der Eisenerzzug in Mauretanien – Er ist eben nicht nur eine Lebensader für die Wüste und ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft. Der Zug ist auch der Kanal, über den der wichtigste Rohstoff des Landes Tag für Tag ins Ausland abfließt.