Fasziniert starrt der junge Mann in die Vitrine. Inspiziert die nächste. Grübelt. Vergleicht. Die Objekte seiner Neugierde: fünf Handtaschen und ihre Inhalte, aufs Penibelste aufgereiht, jede im eigenen Glaskasten, gerade so, als handle es sich um Exponate in einem Naturkundemuseum.
Total stark, sagt Simon, das Ganze wirke anonym und doch unheimlich privat. Dennoch werde der Betrachter nicht zum Voyeur, sondern zum Detektiv, der intensiv über die Lebensreisen der Handtaschenbesitzerinnen nachdenke.
Tickets, Tampons, Sonnenbrille. Schuhe, Süßigkeiten, ein alter Knopf. Für jeweils 500 Euro hat Hans-Peter Feldmann seinen Bekannten die Taschen abgekauft - komplett mit Inhalt. Fünf sind in seiner Retrospektive in der Londoner Serpentine Gallery ausgestellt.
Für sich gesehen seien solche Alltagsgegenstände ziemlich öde, findet Fabio, ein Besucher aus Italien: Aber wenn man sie aus ihrem normalen Kontext herausnehme, und neu arrangiere, geschehe die Transformation. Der Akt des Betrachtens mache sie zur Kunst und den Betrachter zum Künstler.
Ein kaputter Henkel, ein Wirrwarr von Quittungen, ein Häufchen Münzen und Zigarettenfilter. Eigentümerin ist - so verrät ein Schildchen - Susanne, aus Berlin. Stephanie aus Paris wiederum geht mit Haarbürste, Haribo und Schmerztabletten in den Alltag. Und die Tasche daneben enthält einen mysteriösen Notizblock mit arabischen Schriftzeichen, zwei Geldbörsen und fünf Kugelschreiber.
Handtaschen sind Metaphern für das, was Frauen mit sich herumschleppen, häufig Dinge, die wir nicht loslassen können, sagt die Therapeutin Lilliana Gibbs. Der Ausstellungsraum erinnert sie an ihre eigenen Workshops: Auch da leeren die Teilnehmerinnen ihre Taschen aus und lernen, sich von unnötigem Kram zu befreien.
Auch für Hans-Peter Feldmann haben die Vitrineninhalte eine tiefere Bedeutung, verrät die Kuratorin Kathryn Rattee:
"Dem Künstler war es als Kind streng verboten, in die Handtasche seiner Mutter zu spähen. Allerdings habe sich das Geheimnis auch nach ihrer rituellen Öffnung nicht offenbart."..
Kunst entsteht - so meint Hans-Peter Feldmann - im Kopf des Betrachters. Ihm geht es darum, Vertrautes frisch wahrnehmen. Er sammelt Fotos, Fundstücke, Objekte. Und arrangiert sie so, dass der Betrachter stutzt, guckt, und dann immer wieder hinschaut.
Besonders poetisch: das Schattenspiel. Kitschobjekte, Nippes, Spielsachen, die auf langsam rotierenden Scheiben stehen und von Lampen angestrahlt werden. Ihre Schatten zeichnen skurrile Traumwelten an die Wand: ein lautloser, unheimlicher Zaubertanz. Die Verwandlung von Alltagsgegenständen in ein Kunstwerk ist perfekt.
Eines Tages kaufte er ein Pfund Erdbeeren und fotografierte jede einzelne Beere. So entstand seine berühmte Serie: 68 Erdbeerporträts, jedes der Früchtchen so prallig rot, und so individuell geformt, dass man sie mit unverhohlenem Staunen inspizieren muss, in der obsessiven Hoffnung, doch zwei identische zu finden. Als hätte man noch nie eine Erdbeere gesehen.
Banale Spielerei, spöttelt ein Rezensent im "Guardian". Ansonsten kommt Hans-Peter Feldmann in Großbritannien gut an. Und für seine Kritiker mag seine Buchstabencollage an die Wand gelten: "Art must have the right to risk being bad".
Hans-Peter Feldmann in der Serpentine Gallery London (11.4. - 5.6.2012)
Total stark, sagt Simon, das Ganze wirke anonym und doch unheimlich privat. Dennoch werde der Betrachter nicht zum Voyeur, sondern zum Detektiv, der intensiv über die Lebensreisen der Handtaschenbesitzerinnen nachdenke.
Tickets, Tampons, Sonnenbrille. Schuhe, Süßigkeiten, ein alter Knopf. Für jeweils 500 Euro hat Hans-Peter Feldmann seinen Bekannten die Taschen abgekauft - komplett mit Inhalt. Fünf sind in seiner Retrospektive in der Londoner Serpentine Gallery ausgestellt.
Für sich gesehen seien solche Alltagsgegenstände ziemlich öde, findet Fabio, ein Besucher aus Italien: Aber wenn man sie aus ihrem normalen Kontext herausnehme, und neu arrangiere, geschehe die Transformation. Der Akt des Betrachtens mache sie zur Kunst und den Betrachter zum Künstler.
Ein kaputter Henkel, ein Wirrwarr von Quittungen, ein Häufchen Münzen und Zigarettenfilter. Eigentümerin ist - so verrät ein Schildchen - Susanne, aus Berlin. Stephanie aus Paris wiederum geht mit Haarbürste, Haribo und Schmerztabletten in den Alltag. Und die Tasche daneben enthält einen mysteriösen Notizblock mit arabischen Schriftzeichen, zwei Geldbörsen und fünf Kugelschreiber.
Handtaschen sind Metaphern für das, was Frauen mit sich herumschleppen, häufig Dinge, die wir nicht loslassen können, sagt die Therapeutin Lilliana Gibbs. Der Ausstellungsraum erinnert sie an ihre eigenen Workshops: Auch da leeren die Teilnehmerinnen ihre Taschen aus und lernen, sich von unnötigem Kram zu befreien.
Auch für Hans-Peter Feldmann haben die Vitrineninhalte eine tiefere Bedeutung, verrät die Kuratorin Kathryn Rattee:
"Dem Künstler war es als Kind streng verboten, in die Handtasche seiner Mutter zu spähen. Allerdings habe sich das Geheimnis auch nach ihrer rituellen Öffnung nicht offenbart."..
Kunst entsteht - so meint Hans-Peter Feldmann - im Kopf des Betrachters. Ihm geht es darum, Vertrautes frisch wahrnehmen. Er sammelt Fotos, Fundstücke, Objekte. Und arrangiert sie so, dass der Betrachter stutzt, guckt, und dann immer wieder hinschaut.
Besonders poetisch: das Schattenspiel. Kitschobjekte, Nippes, Spielsachen, die auf langsam rotierenden Scheiben stehen und von Lampen angestrahlt werden. Ihre Schatten zeichnen skurrile Traumwelten an die Wand: ein lautloser, unheimlicher Zaubertanz. Die Verwandlung von Alltagsgegenständen in ein Kunstwerk ist perfekt.
Eines Tages kaufte er ein Pfund Erdbeeren und fotografierte jede einzelne Beere. So entstand seine berühmte Serie: 68 Erdbeerporträts, jedes der Früchtchen so prallig rot, und so individuell geformt, dass man sie mit unverhohlenem Staunen inspizieren muss, in der obsessiven Hoffnung, doch zwei identische zu finden. Als hätte man noch nie eine Erdbeere gesehen.
Banale Spielerei, spöttelt ein Rezensent im "Guardian". Ansonsten kommt Hans-Peter Feldmann in Großbritannien gut an. Und für seine Kritiker mag seine Buchstabencollage an die Wand gelten: "Art must have the right to risk being bad".
Hans-Peter Feldmann in der Serpentine Gallery London (11.4. - 5.6.2012)