46 Jahre wird Großbritannien EU-Mitglied gewesen sein, wenn es 2019 aus der Union austritt. Damit verbunden sind auch 46 Jahre EU-Rechtssetzung - also neben EU-Verordnungen auch Richtlinien, die in nationales Recht umgesetzt wurden und heute auch Teil des britischen Rechts sind.
Bisher ist das höchste EU-Gericht, der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, dafür letztinstanzlich zuständig, über die Einhaltung und Auslegung dieses EU-Rechts zu wachen.
Juristische terra incognita
In den meisten Fällen entscheidet der EuGH in einem sogenannten Vorabentscheidungsverfahren. Dass bedeutet: Nationale Gerichte können in einem Verfahren, das europarechtliche Fragen betrifft, den EuGH zu Rate ziehen, ihn um eine Auslegung des EU-Rechts bitten oder gar beantragen, die Gültigkeit von EU-Recht zu prüfen. Auf Grundlage der Entscheidung der Richter in Luxemburg kann dann das Urteil im eigentlichen nationalen Verfahren gefällt werden.
Der EuGH wird außerdem angerufen, geht es um Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsstaaten. Hält sich ein Staat nicht an EU-Recht und gibt es trotz des Verfahrens der EU-Kommission keine Einigung, kann der EuGH Geldstrafen verhängen.
Tritt das Vereinigte Königreich nun aus der EU aus und endet damit die Zuständigkeit des EuGH am Ärmelkanal, in wessen Zuständigkeit fällt dann beispielsweise ein länderübergreifender Sorgerechtsstreit zwischen einer deutschen Mutter und einem britischen Vater? Soll der EuGH nach dem Brexit weiterhin für die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien zuständig bleiben?
Britische Gerichte werden EU-Recht boykottieren können
Dahinter steckt aber ein noch viel größeres Problem: Jeder Vertrag zwischen der EU und Großbritannien wird auf internationalem Recht basieren. Nationale britische Richter sind dann aber nicht an diese Verträge gebunden, es sei denn, das Parlament in London setzt diese Abmachung mit der EU in nationales Recht um. Daher könnte jedes Gericht des Vereinigten Königreiches sich über einen Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU über deren zukünftige Beziehungen hinwegsetzen, sofern das Parlament dies nicht durch Rechtssetzung verhindert.
Ganz unabhängig davon, welche Rolle der EuGH nach dem Brexit spielen wird, eines wird sich in jedem Fall ändern: Statt der bisher 28 werden dann nur noch 27 Richter die Entscheidungen fällen - ohne ihren britischen Kollegen.