Der marokkanische Journalist und Satiriker Ali Lmrabet hat Sinn für Humor, und er soll seinen Preis jetzt zahlen: zu vier Jahren Gefängnis verurteilten ihn die Richter am 21. Mai in Rabat, und ließen ihn in Anwendung eines extrem selten genutzten Paragrafen direkt vom Gerichtssaal ins Gefängnis abtransportieren. Lmrabets satirische Wochenblätter, die französische Demain und die arabische "Duman", wurden verboten; darüberhinaus soll der Journalist umgerechnet 2000 Euro Bußgeld zahlen. "Aktivitäten gegen die Monarchie, Verunglimpfung des Königs und Angriffe auf die territoriale Integrität des Staates" lauten die Vorwürfe. Ali Lmrabet kritisiert offen die marokkanische Monarchie, auch den jungen König Mohammed, der Marokko als reformfreudig und prowestlich darstellen will:
König Mohammed der Sechste ist jetzt seit 1999 auf dem Thron, und ich denke, wenn er ein Projekt hätte, dann hätten wir etwas davon gesehen. Man kann nicht hingehen und sagen, wir modernisieren Marokko, und dann jahrelang nichts tun. Was wir wissen, ist, dass es kein gesellschaftliches und politisches Projekt gibt. Ich weiß nicht, ob Sie einen Willen zur Modernisierung sehen: ich sehe ihn nicht.
In ihrem Urteil bezogen sich die Richter in Rabat auf diverse Artikel und vor allem Karikaturen in Demain und Duman. Doch Beobachter vermuten, dass auch die nichtjournalistischen Aktivitäten Ali Lmrabets eine Rolle gespielt haben könnten. Lmrabet, ein ehemaliger Diplomat, ist gut befreundet mit Moulay Hisham, einem Cousin von König Mohammed dem Sechsten. Moulay Hisham, auch der "Rote Prinz" genannt, hatte vor einiger Zeit heftig öffentlich den Regierungsstil des jungen Königs kritisiert, war daraufhin in Ungnade gefallen und lebt seither im Exil. Außerdem hat Ali Lmrabet sich immer wieder für den beliebten politischen Komiker Snoussi, genannt Bziz eingesetzt, der wegen seiner beißenden Regimekritik seit vielen Jahren in Marokko nicht öffentlich auftreten darf. Lmrabet hatte auch nicht zum ersten Mal Ärger mit der Justiz: Allerdings hatten die Richter drohende Haftstrafen bisher immer in letzter Minute aufgehoben oder umgewandelt, und der kritische Blattmacher war stets mit Geldstrafen davongekommen. Einer möglichen Haftstrafe sah Lmrabet mit Humor entgegen:
Wenn es sein muss, gehe ich ins Gefängnis, und wenn ich wieder rauskommen, mache ich weiter. Eine Pause kann ja jeder mal brauchen, nicht wahr?
Nicht nur eine Pause, auch Humor wird Lmrabet jetzt brauchen, denn die Mächtigen in Marokko machen nun offenbar ernst. Bereits am 17. April hatten Grenzbeamte den Journalisten an der Ausreise gehindert, weil angeblich ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig sein sollte. Vierzehn Tage später, am 2. Mai, wurde es dann ganz eng: die Druckerei weigerte sich, "Demain" und "Duman" aufzulegen – offensichtlich aus Angst, selbst Probleme mit der Polizei zu bekommen. Ali Lmrabet trat daraufhin in einen Hungerstreik, um wie er in einer Erklärung schrieb, "die wiederholten Maßnahmen der Einschüchterung" zu stoppen und die Zensur seiner Arbeit zu beenden. Kollegen und Freunde von Ali Lmrabet haben in Marokko und mehreren europäischen Ländern Unterstützungskomitees gegründet. In Spanien gab es Proteste vor der marokkanischen Botschaft in Madrid: Prominente Intellektuelle, darunter der Romanschriftsteller und Publizist Juan Goytisolo, setzten sich öffentlich für die Freilassung des Journalisten ein. Am 26. Mai war Ali Lmrabet durch den Hungerstreik so geschwächt, dass er vom Gefängnis in ein Krankenhaus in Rabat verlegt werden musste. Seine Anwälte, die ihn am vergangenen Freitag kurz sehen durften, zeigten sich besorgt über seinen Gesundheitszustand. Zur Zeit nimmt Lmrabet weder Wasser noch Nahrung zu sich.
Die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" hat gefordert, Ali Lmrabet sofort und bedingungslos freizulassen.