Samstag vor einer Woche, Berlin. Zirka 17.000 Menschen versammeln sich, um gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung zu demonstrieren. Unter ihnen: Weitspringerin Alexandra Wester und Basketballer Joshiko Saibou. Beide teilen Bilder von sich vor der Siegessäule auf Instagram. Wester postet außerdem Fotos, auf denen Slogans von Impfgegnern zu sehen sind: "Impfzwang – nein Danke", oder "Gib Gates keine Chance".
Ein Angriff auf Microsoft-Gründer Bill Gates, der die Impfstoffforschung vorantreibt. Wie viele andere auf der Demo tragen sowohl Wester als auch Saibou keinen Mundschutz. Nur zwei Tage später entscheidet Saibous Club, die Baskets Bonn, den Spieler zu entlassen. Man habe keinen anderen Ausweg gesehen, so Präsident Wolfgang Wiedlich:
"Weil eine Sport-Company, die über 70 Angestellte hat und die davon abhängt, ob zwölf Profi-Sportler künftig infektionsfrei bleiben – da haben wir die Reißleine gezogen, weil auch nicht zu erwarten war, dass bei dieser verfestigten Ideologie, die er vertritt, er dann plötzlich hier in Bonn sein Verhalten ändern würde."
Anlass für diese Einschätzung: Schon Anfang Mai hatte Saibou auf Instagram ein Video veröffentlicht, in dem er die Corona-Maßnahmen als Gefahr für die Menschenrechte bezeichnet und den Mundschutz mit einem Maulkorb gleichsetzt.
"Und du, der gelernt hast: Wehe, du hinterfragst! Selbst wenn du deine Menschenrechte verlierst. Selbst wenn Menschen niedergeschlagen und verhaftet werden. Das ist zum Wohle aller. Also: Blatt vorm Mund."
Der Kündigung muss eigentlich eine Abmahnung vorausgehen
Schon damals habe man ein ernstes Gespräch mit Saibou geführt, so Wiedlich. Der Verein sei durch mehrere Coronafälle äußert sensibilisiert, ein Mitarbeiter habe wochenlang auf der Intensivstation gelegen. Deswegen hätten die Vereinsgremien dann am Montag die Entscheidung getroffen.
Wiedlich: "Die spiegelt vielleicht mehr Prinzipientreue wider als irgendwelche Kompatibilitäten in arbeitsrechtlichen Fragen."
Denn abgemahnt hat der Club Saibou nach dem ersten Video nicht. Das ist aber in der Regel die Bedingung für eine fristlose Kündigung. Saibou beklagt, dass der Verein ihn nur wegen seiner Meinung entlassen habe. Dieser Kündigungsgrund wäre in der Tat nur bei strafrechtlich relevanten Äußerungen möglich, meint Gregor Thüsing, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Bonn.
"Denn der Arbeitnehmer hat eine Meinungsfreiheit und die darf er auch kundtun. Und die darf er auch in Zeiten von Corona kundtun. Und mag sie dann vielleicht auch von den meisten nicht nachvollzogen werden. Es ist seine Meinung, und über die kann der Arbeitgeber nicht verfügen."
Die Missachtung der Hygieneregeln könnte dem Verein schaden
Für Thüsing sind die Gründe für die Entlassung trotzdem valide. Denn auch, wenn Saibou in seiner Freizeit an der Demo teilgenommen hat, der Besuch und vor allem die Missachtung der Hygieneregeln könnten dem Verein schaden.
Thüsing: "Hier kann man sagen - je nachdem, welchen risikoreichen Handlung du dich hergibst - kann es eine Gefährdung für den Verein und seine Positionierung in der Liga sein. Und da ist es sehr wohl möglich zu sagen aufgrund dieser besonderen Situation – jedenfalls meine Einschätzung – du musst dich an bestimmte Corona-Regelungen halten, weil sonst wir mit erheblichen Nachteilen als Club insgesamt zu rechnen haben."
Ähnlich sieht das auch Markus Bohnau von der Arbeitsrechts-Kanzlei Kliemt. Profi-Sportler hätten die vertragliche Pflicht, sich gesundheitsschonend zu verhalten. "Das gilt für jeden Arbeitnehmer. Für den Sportler, der seinen Körper einsetzen muss und der überhaupt teilnahmeberechtigt sein muss, was er nicht mehr ist, wenn er unter Quarantäne ist oder sogar coronabedingt krank ist. Dann gefährdet der Sportler seine Einsatzfähigkeit. Und das verletzt tatsächlich seinen Arbeitsvertrag."
Bonn ist im Moment nicht im Mannschaftstraining
Bohnau ist allerdings vorsichtiger in der Bewertung, ob die Kündigung vor Gericht bestand hätte. Denn die Bonner sind im Moment nicht im Mannschaftstraining. Eine direkte Vereinsschädigung ist damit schwerer zu belegen. Zudem hätte Saibou dem Verein direkt mitteilen müssen, dass er sein Verhalten nicht ändern wolle – dann könne ein Arbeitgeber auf mildere Strafen verzichten, weil damit zu rechnen ist, dass diese keinen Effekt haben.
Ob das geschehen ist, konnte Vereins-Präsident Wiedlich nicht sagen. Trotz dieser rechtlichen Unsicherheiten: Wiedlich verteidigt die Entscheidung. "Wir fühlen uns mit dieser Entscheidung was die Corona-Zukunft angeht und was den Fürsorgeschutz unserer Mitarbeiter, unserer Company und insbesondere des Bundesligateams angeht damit auf der sicheren Seite."
Wester bezeichnet Sportler als "Sklaven der Neuzeit"
Auch die Mannschaft verstehe die Entscheidung, so der Vereinspräsident. Saibous Freundin Alexandra Wester greift den Club unterdessen auf Instagram mit harten Worten an.
"Ein Verein sollte einen Athleten in seiner Diversity, seiner Entwicklung und auch seiner polarisierenden Meinung unterstützen oder zumindest sie akzeptieren. Ihn aber so abzufertigen, ist aber ein Schlag ins Gesicht und es ist unfair. Es ist krass. Ihr solltet verstehen, dass wir Athleten nicht die Sklaven der Neuzeit sind – aber ihr macht uns gerade dazu."
Eine Kritik, die laut Sport-Arbeitsrechtler Markus Bohnau jeglicher Grundlage entbehre. "Keinesfalls kann man davon sprechen, das ist eine völlig überzogene Äußerung. Ich glaube, alle Bürgerinnen und Bürger sind momentan in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Das gilt insofern auch für die Berufssportler als Arbeitnehmer, die sich den Einschränkungen unterziehen müssen, die für die Ausübung des Sports momentan gelten."
Ob Saibou trotzdem gegen die Kündigung vorgeht, ist unklar. Weder er noch Wester haben auf eine Anfrage reagiert.