Archiv

Der Fall Julian Assange
Gauweiler (CSU): "Assange muss begnadigt werden"

CSU-Politiker Peter Gauweiler fordert die Freilassung von Julian Assange. Das Auslieferungsbegehren der USA sei nichtig, sagte er im Dlf. Kein Land müsse sich daran halten. Assange habe einen Beitrag geleistet, Kriegsverbrechen im Irak aufzudecken. Die USA sollten ihm eher einen Orden verleihen.

Peter Gauweiler im Gespräch mit Philipp May |
Peter Gauweiler auf einer Diskussionsverantaltung in der Berliner Urania.
Peter Gauweiler (CSU) setzt sich für die Freilassung von Julian Assange ein (imago stock&people)
In London starten heute die Anhörungen zum Auslieferungsverfahren gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange Die USA wollen ihm den Prozess machen, weil er unter anderem mit der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Irak Staatsgeheimnisse verraten habe. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft - möglicherweise auch in Einzelhaft. Doch es formiert sich Widerstand aus der Zivilgesellschaft, auch in Deutschland. Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff hat eine Petition für die sofortige Freilassung von Assange aus der Haft in Großbritannien ins Leben gerufen. Über 100 Menschen des öffentlichen Lebens haben bereits unterschrieben: viele Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller und Politiker.
Julian Assange
Auch Peter Gauweiler, Anwalt und CSU-Politiker, setzt sich für die Freilassung von Julian Assange ein.
Philipp May: Herr Gauweiler, warum setzen Sie sich für Julian Assange ein?
Peter Gauweiler: Ich war gemeinsam mit meinem früheren Bundestagskollegen Willi Wimmer von Anfang an dafür, dass wir uns massiv einsetzen gegen den Krieg in Amerika, der ein Irrweg war. Wir sind wenige Tage vor Beginn des amerikanischen …
May: Also der Krieg der Amerikaner gegen den Irak. Entschuldigung, wenn ich da …
Gauweiler: Der Krieg damals, der Überfall, muss man sagen, auf die irakische Bevölkerung. Wir sind damals wenige Tage vor diesem Krieg durch die Flugverbotszone mit einem Brief des damaligen Kardinal Ratzinger zu dem Bischof von Bagdad gefahren, haben dort an einem Solidaritätsgottesdienst teilgenommen und haben uns danach durch die Entwicklungen bestätigt gesehen. Das war damals eine schwere Niederlage für den Westen, eine moralische Niederlage. Der Assange hat einen Beitrag geleistet, wie in Ihrer Anmoderation erklärt, dass Kriegsverbrechen aufgedeckt worden sind und verfolgt worden sind. Er hat damit den klarsichtigen Leuten in Amerika geholfen, dafür zu sorgen, hier ein Gegengewicht aufzubauen. Ich denke, dass dies seine Handlungen rechtfertigt. Man kann ihn dafür jetzt nicht lebenslang einsperren. Wo sind wir denn?
Heribert Prant (Süddeutsche) - "Es gilt für jemanden einzutreten, dem übelst mitgespielt wird"
Das Verfahren gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange sei ein groß angelegter Versuch der USA, ein abschreckendes Beispiel zu statuieren, sagte der Journalist Heribert Prantl im Dlf. Nun gehe es darum, einen verdienten Aufklärer zu rehabilitieren.
May: Also das Eintreten gegen einen möglicherweise falschen Krieg ist das eine, auf der anderen Seite erwartet Julian Assange in einem Rechtsstaat ja normalerweise auch ein rechtsstaatliches Verfahren. Sind die USA, ist Großbritannien, sind das keine Rechtsstaaten?
Gauweiler: Großbritannien und die USA sind Rechtsstaaten, deswegen bin ich auch überzeugt, dass dieser Irrweg irgendwann ein Ende hat und man erkennt, dass es so nicht geht. Der jetzige Präsident Trump, sehr umstrittener Mann, aber in manchen Punkten sehr klarsichtig, der hat den Irak-Krieg als den dümmsten Krieg bezeichnet, den die Amerikaner jemals geführt haben. Dass diese Erkenntnis sich verbreitet, hat der Assange einen großen Anteil daran. Eigentlich müssten die Amerikaner dem einen Orden verleihen und nicht durch das formale Bestehen – das war ein Staatsgeheimnis, das er da an die Öffentlichkeit gebracht hat – einen falschen Prozess führen.
"Eine Fülle von auffälligen Unregelmäßigkeiten, die zusammenwirken"
May: Nichtsdestotrotz, auch der Vorgänger von Trump, Barack Obama, war immer gegen den Irakkrieg, dennoch verfolgen die USA Julian Assange im Prinzip seit 2010, seit der Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente der Menschenrechtsverbrechen.
Gauweiler: Ja, das ist richtig, und die Haltung der Demokraten ist ähnlich wie die Haltung der Republikaner in dieser Kriegsdebatte nicht einwandfrei gewesen. Man muss allerdings auch sagen, dass Obama einen Mittäter - das Wort Mittäter in Anführungszeichen - von dem Assange, der Soldat Manning, begnadigt hatte. Ich denke, dass man dem jetzigen amerikanischen Präsidenten zureden muss, dass er das auch mit dem Herrn Assange unbedingt macht. Er muss begnadigt werden. Nicht ganz, man kann ja auch eine parteipolitische Einvernahme... Amerika verbietet sich auch schon dadurch, dass ja Assange zum Beispiel viele Unregelmäßigkeiten zum Beispiel der Gegenspielerin von Trump, der früheren Außenministerin Clinton, aufgedeckt hat.
May: Der Rechtsprofessor und UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, sieht eine von den USA orchestrierte Verschwörung am Werk, um Assange zu zerstören. Beginnt mit konstruierten Vergewaltigungsvorwürfen der schwedischen Behörden, die Behandlung in der ecuadorianischen Botschaft, mit dem Entzug der Privatsphäre, dann seine Haftbedingung in Großbritannien. Gehen Sie da mit?
Gauweiler: Ja, also der Begriff der Verschwörung, der ist das eine. Jedenfalls ist es eine Fülle von auffälligen Unregelmäßigkeiten, die zusammenwirken. Sie dürfen nicht vergessen, dass ja diese Vergewaltigungsvorwürfe, die dem Assange angehängt worden sind, zusammengebrochen sind, sich als völlig aufgebauschter Quatsch erwiesen haben. Auch die Tatsache, wie er da praktisch als der große Staatsverbrecher während seines Aufenthalts in London behandelt worden ist, da sind die Betreffenden Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden. Man erwartet eigentlich gerade von denen, die den Rechtsstaatscharakter der angelsächsischen Länder verteidigen wollen, dass hier ein radikaler Kurswechsel passiert.
"Natürlich können sie ihn nicht ausliefern"
May: Sie sagen, Sie wollen, dass Assange von den USA begnadigt wird. Das würde ja aber erste mal ein Urteil gegen Assange voraussetzen. Jetzt gäbe es ja auch die Möglichkeit, dass Großbritannien dem Auslieferungsbegehr der USA nicht nachkommt. Haben die Richter denn tatsächlich diese Möglichkeiten, bei einem Auslieferungsabkommen Assange nicht auszuliefern?
Gauweiler: Natürlich können sie ihn nicht ausliefern. Es gibt immer wieder Fälle, dass auch bei Rechtsstaaten sich die Regierungen in einer Weise verrannt haben, dass man betreffend in ganz bestimmten Einzelfällen, jedenfalls an die Macht dieser Regierungen einen Verfolgten nicht ausliefern kann, denn wenn er vom System politisch verfolgt wird, dann wird er verfolgt. Das ist ja hier mit den Händen zu greifen, dass es dann weniger um einen Landesverratsdelikt geht, denn das, was hier strittig ist, es konnte nichts verraten werden, sondern musste nach dem Legalitätsprinzip in den USA strafrechtlich verfolgt werden. Der Assange hat da ein großes mörderisches Zusammenspiel von einer Reihe von Militärs aufgedeckt. Noch mal: Niemand darf dergleichen vor Verfolgung schützen in einem Rechtsstaat, das ist die selbstverständliche Voraussetzung, und deswegen sind diese Auslieferungsbegehren, die die Amerikaner da konstruiert haben, nichtig, auch nach amerikanischem Recht. Kein Mensch auf dieser Welt braucht sich daran zu halten.
May: Sollte Deutschland mehr Druck im Fall Assange ausüben, auch auf offiziellem Wege?
Gauweiler: Wenn er auf unserem Territorium wäre, müssten wir ihm ebenfalls politisches Asyl geben, weil ihn jedenfalls im Moment kein rechtsstaatliches Verfahren in den USA erwartet. Es ist schlimm, dass man sowas sagen muss, aber es ist leider eine Tatsache. Noch mal: Ich appelliere an die Amerikaner, die wir ja schätzen als Bundesgenossen, dass sie hier aus diesem Kopfgefängnis sich befreien.
"Bei der CDU gab es da ein bisschen Rumgezicke"
May: Herr Gauweiler, was ich ja interessant finde, auf der Petition für Assanges Freilassung, die ich erwähnte, da finden sich Politiker quer durch die Parteien, zahlreiche ehemalige Bundesminister, Gerhard Baum von der FDP beispielsweise, Sigmar Gabriel, ehemaliger Vizekanzler, von der SPD Katharina Barley, von den Linken, von den Grünen. Nur aus dem Lager der Union niemand außer Ihnen. Wie erklären Sie sich das?
Gauweiler: Ich decke die ganze Union mit ab. Die denken genauso wie ich.
May: Das haben uns jetzt andere Unionspolitiker aber ganz anders gesehen. Sind Sie da ein bisschen enttäuscht?
Gauweiler: Ja. Das Thema Irak, Irak-Krieg und alles, der junge Bush als Präsident, das ist ein wunder Punkt in der Union, weil man damals versäumt hatte, sich gegen diesen Krieg klar zu positionieren. Der Bundeskanzler Schröder hatte das damals besser gemacht und erklärt, Deutschland kann sich daran nicht beteiligen. Unser damaliger Spitzenkandidat Edmund Stoiber hat das ähnlich gesehen und sich auch ähnlich geäußert. Bei der CDU gab es da ein bisschen Rumgezicke. Wenn Sie sich in den Archiven die alten Zeitungen von damals anschauen, werden Sie sich erinnern, dass der Bundestagsabgeordnete Wimmer und ich fürchterliche Schwierigkeiten bekamen, weil wir uns gegen diesen Krieg ausgesprochen hatten. Das war ein politischer Irrtum, der möglicherweise bis heute nachwirkt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.