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Der Feind in meinem Brot

In Feld und Flur nisten unliebsame Untermieter: Schimmelpilze, die Getreidegräser wie Weizen, Hafer und Mais befallen und gesundheitsschädliche Stoffwechselprodukte im Korn deponieren. Die Natur-Gifte (Fusarien-Toxine) überstehen selbst das Backen und Braten. Folglich stecken sie auch in unseren Nahrungsmitteln. Brot, Nudeln, Cornflakes und Polenta zum Beispiel enthalten häufig Spuren der Giftstoffe. Das zeigen aktuelle Untersuchungen auch in Deutschland. Die Fusarien-Toxine sind deshalb inzwischen in den Mittelpunkt der Fachdiskussionen über Lebensmittel-Schadstoffe gerückt.

Volker Mrasek |
    "Wir gehen hier hin." "Jetzt gehen wir in dein Projekt." "Genau. Zum Beispiel wenn wir hier anfangen mit der Nummer 200. Kann man sehen, dass der auch mittelanfällig ist. Und wir würden die Note 3 oder 4 geben."

    "Jetzt such’ ich 'mal 'nen superresistenten 'raus. Hier der Lasco. 326. Das ist unser resistentester Genotyp. Und wir sehen: Die Wuchsform ist größer. Und die Ähren lockerer."

    "Nummer 190? Der zeigt genau die gleichen Symptome. Die Symptome sind bei allen gleich." "Aber der Befall ist eben geringer." "Der Befall ist geringer, ja." "Deutlich geringer."

    "Also, das ist jetzt eine Ähre, die hat’s halt bös’ erwischt. Aber hier sind eben noch mehr dabei, die einen geringeren Befall zeigen." "Ja, hinzu kommt, dass wir hier einen extrem starken Infektionsdruck haben. Also, wir bringen den Pilz ja sehr massiv aus. Um wirklich jedes Jahr Befall zu haben. Und das heißt, wir haben eine Infektion, die sehr viel stärker ist als normalerweise im Feld beim Landwirt." "Ja, genau." "So dass die, die hier fast keinen oder wenig Befall haben, beim Landwirt dann nachher zu erwarten ist, dass die überhaupt keinen Befall zeigen. Normalerweise tritt der Pilz in der Natur ja nur jedes vierte oder fünfte Jahr auf. Gott sei Dank!"

    Nicole Heinrich und Thomas Miedaner auf Kontrollgang im Süden von Stuttgart. Die beiden Agrarbiologen durchstreifen ein seltsames Stück Agrarland. Das Getreide-Feld ist völlig zerstückelt. Ein Mosaik winziger Parzellen, jede einzelne kaum so groß wie eine Picknick-Decke. Hier wächst Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen für die Tierfütterung. Und zwar lauter verschiedene Sorten oder "Genotypen", wie die mit Feldkladden ausgerüsteten Inspekteure eher sagen würden.

    Es ist Ende Juni. Die Gräser haben ihre Blüte gerade hinter sich. In den Ähren reifen bereits die Triticale-Körner heran ...

    ... oder auch nicht! Denn der Getreideschlag ist verseucht - ganz... ... bewusst verseucht. Heinrich und Miedaner haben die Triticale-Parzellen infiziert. Mit Schimmelpilzen der Gattung Fusarium. Nun protokollieren sie, wie die Sorten mit den Feld-Schädlingen klar kommen.Ob sie resistent sind gegen die gefährlichen Parasiten. Oder ob die Fusarien-Pilze die Fruchtstände befallen und verkümmern lassen ...

    "Also, zu Beginn des Experimentes wurden eben sehr viele verschiedene Kreuzungen gemacht zwischen Eltern, die sich in der Resistenz unterscheiden. Und die Frage ist jetzt, wie deren Nachkommen - wie resistent die sind. Und hier stehen jetzt eben Hunderte von Nachkommen. Und wir erfassen jetzt den Grad des Befalls. Suchen eben aus, wieviel davon tauglich wären für 'ne weitere Züchtung."

    Schauplatz dieser Auslese unter freiem Himmel ist die Versuchsstation "Heidfeldhof" in Stuttgarts Süden, nicht weit vom Autobahnkreuz Degerloch entfernt. Sie hat knapp hundert Hektar Anbaufläche. Agrarwissenschaftler der Universität Hohenheim führen hier ihre Freiland-Experimente durch. So wie Nicole Heinrich und Thomas Miedaner, beide wissenschaftliche Mitarbeiter der baden-württembergischen Landes-Saatzuchtanstalt. Sie ist der Hochschule angegliedert.

    Die Hohenheimer Getreide-Spezialisten arbeiten an einem der spannendsten Themen, das die Agrarwissenschaft derzeit zu bieten hat: Sie sind dem Feind in unserem Brot auf der Spur ...

    Einem Feind, den man erst vor kurzer Zeit ans Licht geholt hat.

    Einem Feind auch, der in der Öffentlichkeit bis heute weitgehend unbekannt geblieben ist.

    Kaum jemand hat bisher etwas von Fusarien-Pilzen im Getreide gehört. Geschweige denn von Fusariosen - den Krankheiten, die die Erreger in den Körnern von Weizen, Gerste, Hafer und Mais hervorrufen. Dabei bedrohen die Mikroorganismen nicht nur die Gesundheit von Nutztieren. Sondern vermutlich auch die des Menschen. Denn die in jedem Ackerboden lauernden Feldpilze produzieren potente Giftstoffe, so genannte Mykotoxine. Und die lagern sie im Korn von Futter- und Brotgetreide ab.

    Fungizide, also Anti-Pilz-Mittel, können gegen die unsichtbare Gefahr kaum etwas ausrichten. Sie wirken nur in dem kurzen Moment, wenn die Fusarien die Ähren infizieren. Diesen Zeitpunkt kann der Landwirt aber weder vorhersagen noch im Feld erkennen.

    Es bleibt nicht dabei, dass giftbelastete Feldfrüchte geerntet werden. Die Fusarien-Toxine sind äußerst robust. Deshalb überstehen sie am Ende auch das Vermahlen und den Backprozeß. Das heißt: Wir nehmen diese Naturgifte täglich unwissentlich zu uns. Spuren davon stecken in Brot, Müsli und Haferflocken, in Nudeln, Cornflakes und Polenta ...

    "Es ist schon länger bekannt, dass es Mykotoxine gibt. Man denke nur an das Mutterkorn im Roggen. Da ist ja schon bekannt, dass früher, als man noch nicht die Möglichkeit hatte, das Mutterkorn 'rauszureinigen, oder als man noch gar nicht gewusst hat, dass es giftig ist - da hat es schon Probleme, Vergiftungen, gegeben. Aber was die Fusarien betrifft, Fusarium an Getreide: Das ist ein noch relativ junges Thema und wird jetzt immer aktueller."

    Auch der Agrar-Ingenieur Helmut Tischner befasst sich mit den heimlichen Untermietern in der Ackerkrume. An der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau in Freising. Die "LBP", wie sie meist kurz genannt wird, nahm sich des Fusarien-Problems früher an als andere.

    Johann Lepschy, verantwortlich für die organische Stoffanalytik in Freising, steckt seit fast 20 Jahren in der Materie. Der Chemiker erinnert sich an den ersten Mykotoxin-Workshop damals:

    "Da gingen die Leute um einen Tisch 'rum. Zehn, zwölf Leute waren da. Und jetzt sind’s über hundert oder noch mehr. Beim letzten waren ein paar hundert, glaube ich, sogar."

    Es waren ein paar hundert. Darunter die Toxikologin Johanna Fink-Gremmels. Die deutsche Professorin lehrt an der Universität Utrecht in den Niederlanden. Außerdem sitzt sie im Wissenschaftlichen Ausschuß für Öffentliche Gesundheit der EU-Kommission.

    Auch in Brüssel stehen Mykotoxine inzwischen auf der Tagesordnung:

    "Das Problem im allgemeinen ist: Mykotoxine sind reine Naturstoffe. Und mit Naturstoffen müssen wir leben! Und es gibt eine sehr, sehr interessante Studie von der Frau Keiper-Goodman. Das ist die Repräsentantin der kanadischen Regierung, die eigentlich auf dem Gebiet der Mykotoxine für die Weltgesundheitsorganisation sehr führend war und da die entsprechenden Gremien geleitet hat. Und die hat einmal gesagt: Wenn wir über chronische Toxizität sprechen, das heißt also Wirkungen, die durch langfristige Aufnahme kleinerer Mengen ein potentielles Risiko für den Verbraucher darstellen, dann müssen wir da ganz deutlich die Mykotoxine in der Rangfolge an eine hohe Position setzen."

    Der Expertin fallen eigentlich gar keine anderen Stoffgruppen ein, die noch vor den Pilzgiften rangieren könnten:

    "Ganz sicher kommen die Stoffe, die wir als Menschen immer so furchtbar gefährlich ansehen - also wie Pflanzenschutzmittel, wie Farbstoffe, Futtermittel-Zusatzstoffe oder Lebensmittel-Zusatzstoffe -, kommen weit unter den Mykotoxinen. Hier ist im Rahmen der Zulassungsverfahren eine Risiko-Evaluation gemacht worden, das heißt man hat vorher festgestellt, ob die Stoffe ein schädliches Potential haben. Und wenn sie das hatten, sind sie einfach nicht mehr zugelassen worden in der EG. Mykotoxine sind nie zugelassen worden. Die hat die Natur uns geschenkt. Und das ist ein bisschen ein unglückliches Geschenk gewesen."

    Johann Lepschy und Helmut Tischner kramen in ihrem Giftschrank. So könnte man die Kühlzelle im Keller des Laborbaus 2 nennen, auf dem Gelände der Freisinger Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau. Aus dem Garagen-großen Raum holen die beiden Forscher einen Karton mit Plastik-Schalen. Darin steckt jeweils eine Handvoll Getreidekörner. Es sind Weizen-Proben aus vergangenen Erntejahren. Alle tragen das Etikett "Mykotoxin-belastet" ...

    "Da steht der Gehalt drauf. Da müssen wir 'mal den Zettel dazu schauen." "13-07. Das ist also eine der ..." "Das da." "...stärkstbelasteten, die wir je hatten. Aus dem Jahr '98. '98 war, abgesehen von '87, bis jetzt das stärkste Fusarien-Jahr. Also die Jahre '91, '93, '98, '99, 2000 mit abnehmender Tendenz. Und 2001 war das bis jetzt niedrigste Jahr, das wir überhaupt hatten in den 14 Jahren, die wir das jetzt beobachten."

    Der Trend, den Johann Lepschy da skizziert, kehrt sich gerade um. 2002 dürfte wieder ein ausgesprochenes Fusarien-Jahr werden, mit hohen Pilzgift-Konzentrationen im Korn. Früh- und Hochsommer waren nämlich überwiegend feucht-warm. Es gab immer wieder gewittrige Niederschläge und dazwischen tagelange Trockenperioden.

    Ein Wetter ganz nach dem Geschmack der Feld-Pilze.Denn die im Ackerboden und in Ernterückständen geduldig ausharrenden Mikroben brauchen beides: Feuchtigkeit, damit ihre Sporen zunächst einmal auskeimen können. Und Trockenheit, damit sie anschließend vom Wind aufgewirbelt werden und in die Blüten der Getreidegräser gelangen. Das alles spielt sich im Juni auf dem Feld ab.

    Mit ihrer Körner-Sammlung will die Freisinger LBP aber keine Befalls-Chronik der letzten Jahre schreiben. Die Proben aus der Kühlzelle sollen etwas anderes veranschaulichen: Dass es kaum möglich ist, vom äußeren Erscheinungsbild der Körner auf ihren Mykotoxin-Gehalt zu schließen ...

    "Wir wollten eigentlich mit der Sammlung demonstrieren, dass es also nicht ganz so einfach ist, dass man mit dem ersten Blick irgendwie sagen kann: Die Probe ist so und so belastet. Dass das schwierig ist und man das eigentlich allein vom Aussehen in der Regel nicht sagen kann. Ist das der?" "Ja, ist der Basalt." "So, geben wir’s wieder zurück." "Ja."

    Wenn Fusarien-Pilze in die Weizen-Blüte eingedrungen sind, dann behindern sie die Nährstoff-Zufuhr in der Fruchtanlage. Zum Teil bauen sie das heranreifende Korn auch ab. In diesem Fall kränkeln die Ähren sichtbar, was auch der Landwirt erkennt. Doch nicht immer offenbaren sich die Gift-Produzenten so deutlich ...

    Umzug aus der Kühlzelle in das Mykologie-Labor der LBP. In einer Ecke läuft ein Schüttler, beladen mit Glaskolben. In ihnen schwappt ein Spülmittel hin- und her und soll Pilzsporen von Getreideblättern abwaschen. An anderer Stelle Mikroskope, unter denen die Sporen bestimmten Fusarien-Arten zugeordnet werden. Und dann liegt da noch eine eigentlich ziemlich unscheinbare Plastiktüte mit ein paar Weizen-Ähren auf dem Labortisch ...

    "Sie haben hier Ähren mitgebracht von draußen. Von Freising. Oder wo ist der ...?" "Ja, ist hier aus der Nähe von Freising. Das hab’ ich gestern abend entdeckt. Per Zufall."

    Helmut Tischner und der Mikrobiologe Peter Büttner begutachten den Zufallsfund. Die Ähren zeigen eindeutige Merkmale des Pilz-Befalls ...

    "... das heißt also: Fusarium hat auch dieses Jahr wieder Bedeutung und hat es geschafft, den Weizen zu infizieren." "Ganz charakteristisch ist dann, wenn die Ähre infiziert ist, dass also keine vollständigen Körner mehr ausgebildet werden. Im Fachjargon spricht man dann auch von Schmachtkörnern." "[Und] deswegen stirbt der obere Teil der Ähre hier ab. Und die Mykotoxin-Bildung ist da in dem Bereich, wo der Pilz eindringt. Also, das werden jetzt typische Fusarium-Körner, diese weißlichen Körner. Er wächst aber auch nach unten, so dass auch noch Toxine in diesen Körnern sind, die weiter unten sind. In dem Bereich, wo jetzt die Ähre noch grün ist. So dass wir im Grunde an einer Ähre verschiedene Körner mit sehr unterschiedlicher Toxin-Belastung haben."

    Die Toxine können also auch dort stecken, wo man sie nicht vermuten würde: in Körnern, die völlig normal aussehen. Nicht etwa blaß-weiß und schmächtig, also erkennbar von Fusarien heimgesucht. Sondern kräftig grün und vital ...

    "Also, ganz ohne Pilz kommen die Mykotoxine natürlich nicht ins Erntegut oder ins Getreide. Aber es ist halt so, dass ein augenscheinlich geringer Befall der Ähren nicht unbedingt korreliert mit einem niedrigen Gehalt an Mykotoxinen. Das ist halt das Problem."

    Mit den kranken Schmachtkörnern kommt man schon klar. Sie sind wesentlich leichter als das gesunde Erntegut. Deswegen lassen sie sich vor der Verarbeitung in der Mühle problemlos aussortieren: Im sogenannten Windfang werden die Pilz-infizierten Früchte genauso wie die Spelzen einfach aus der Getreide-Charge ausgeblasen.

    Körner mit Pilz und Gift, aber ohne Symptome sind dagegen normalgewichtig. Bei ihnen versagt der Windfang. Genauso wie die gesunden Körner werden sie zu Mehl verarbeitet. Und das ist dann unweigerlich mit Mykotoxinen belastet. Genauso wie die daraus hergestellten Lebensmittel.

    Die Frage ist nun: Welches gesundheitliche Risiko besteht für den Verbraucher, wenn er ständig Getreideprodukte zu sich nimmt, die mit den Pilzgiften kontaminiert sind - wenn auch nur in Spuren?

    "Das ist eine Frage, die ihnen vermutlich ehrlicherweise niemand beantworten kann."

    Das sagt der Vorsitzende der deutschsprachigen Gesellschaft für Mykotoxin-Forschung, Ewald Usleber, Veterinärmediziner an der Universität Gießen ...

    "... weil man einfach viel zu wenig weiß. Weil die Effekte vermutlich alle im chronischen Bereich - wenn sie denn da sind - liegen. So dass man sich im Prinzip eigentlich nur auf die Argumentation zurückziehen kann, dass man aus Gründen des gesundheitlichen vorbeugenden Verbraucherschutzes - wenn man weiß, dass ein Risiko theoretisch möglich ist -, dass man dann versuchen sollte, dieses Risiko zu minimieren."

    Auch die Toxikologin Johanna Fink-Gremmels bedauert:

    "Es gibt nur wenige Mykotoxine, die gut untersucht sind. Und das ist die große Problematik."

    Das, was man über die Naturstoffe weiß, gibt jedenfalls Anlass zur Sorge. In und auf der Ackerscholle haust eine Reihe verschiedener Fusarien-Arten. Und die setzen ein ziemlich breites Arsenal von Bio-Waffen in die Welt.

    Beispiel De-oxy-nivalenol oder DON, ein vor allem in Weizen- und Haferkörnern angehäuftes Pilzgift ...

    ... im Tierversuch unterdrückte der Stoff das Immunsystem.

    Beispiel Zea-ra-le-non, das oft gemeinsam mit DON im Weizen vorkommt ...

    ...die Substanz ist strenggenommen kein Gift, wirkt aber schon in geringen Mengen Östrogen-artig, also wie ein Geschlechtshormon; bei Schweinen beeinträchtigt sie die Fruchtbarkeit und führt bisweilen sogar zu Fehlgeburten.

    Beispiel Fu-mo-ni-sine, eine Gruppe von Fusarien-Toxinen, die sich regelmäßig in Mais und Maisprodukten nachweisen lässt ...

    ... diese Stoffe schädigen die Membranen von Körperzellen und wirken deshalb vielfältig; bei Pferden wurden Zerstörungen des Gehirns beobachtet, bei Schweinen Wasseransammlungen in der Lunge und bei Ratten Leberkrebs.

    Allerdings muss ergänzt werden: Diese Effekte traten bei deutlich höheren Gift-Mengen auf, als sie in Getreideprodukten üblicherweise vorkommen. Und es gibt inzwischen auch einige beruhigende Nachrichten aus der Forschung.

    Beispiel DON ...

    "Für DON gibt es sehr, sehr gute toxikologische Studien, unter anderem auch von den amerikanischen Behörden, dem amerikanischen Gesundheitsamt, wo sich zeigte, dass DON eine Vielzahl von Effekten auslösen kann, aber keine bleibenden Schäden."

    Beispiel Fu-mo-ni-sine ...

    "Alle Versuche, sowohl im Tierversuchsbereich als auch im Zellkulturbereich, haben gezeigt, dass Fumonisin zu den Stoffen gehört, die eine dosisabhängige Wirkung haben. Sie brauchen also große Mengen, um überhaupt eine biologische Antwort messen zu können. Und das ist ganz, ganz wichtig!"

    Experten wie Ewald Usleber gehen einstweilen davon aus, dass die relativ niedrigen Toxin-Konzentrationen in unseren Grundnahrungsmitteln noch kein Gesundheitsrisiko bedeuten. Doch sicher, das sagt er selbst, ist das nicht.

    Erst recht nicht, wenn Verbraucher ständig besonders hoch belastete Lebensmittel zu sich nehmen. Die gibt es, wie man inzwischen weiß - durch zwei bundesweite Studien. An ihnen beteiligen sich insgesamt neun deutsche Universitäten, Forschungsanstalten und Untersuchungsämter. Eines der beiden Projekte dreht sich um Fu-mo-ni-sine im Mais ...

    "Was den Verzehr betrifft, ist natürlich erst einmal Cornflakes im Vordergrund. Da ist die Belastung relativ häufig, aber vergleichsweise niedrig. Spitzenwerte finden wir eigentlich seit Jahren regelmäßig in Polenta. Hat sich 'n bisschen gebessert zwischenzeitlich. Aber es gibt immer noch gerade italienische Polenta-Proben, die dann exorbitant hohe Toxingehalte aufweisen. Mein persönlicher Spitzenreiter waren irgendwo um die zehn Milligramm pro Kilogramm - zehnfach über dem, was man vernünftigerweise noch als tolerierbar diskutieren könnte."

    Projekt Nummer zwei hat De-oxy-nivalenol im Visier. Weil DON das mengenmäßig wichtigste Pilzgift im Weizen ist. Und weil Otto Normalverbraucher viel mehr Weizen vertilgt als etwa Roggen oder Gerste. Hier erweist sich eine beliebte Getreidesorte als besonders kritisch: Durum- oder Hartweizen ...

    "... der eigentlich also schon deutlich 'rausragt. Mit mittleren Belastungen, die fast doppelt so hoch sind. Vor allem Nudeln, also Hartweizen-Gries, Hartweizengries-Nudeln. Beispielsweise Spaghetti."

    Das passt Pasta-Liebhabern sicher ganz und gar nicht! Auch EU-Expertin Fink-Gremmels ist empört, ...

    "... dass wir im Einzelfall in Hartweizen-Produkten DON-Konzentrationen gefunden haben, die wir dem Verbraucher nicht zumuten wollen."

    Die EU-Kommission befasst sich deshalb inzwischen mit den Fusarien-Giften. In Brüssel diskutiert werden gesetzliche Höchstwerte in belasteten Lebensmitteln, wie sie bisher nur für zwei so genannte Lager-Toxine existieren. Und zwar für Aflatoxine in importierten Feigen und Pistazien. Und für eine Substanz namens Ochratoxin A. Spuren davon kommen zum Beispiel in Rosinen, Kaffee und Wein vor.

    Diese krebserregenden Giftstoffe entstehen nicht am Rebstock oder in der Plantage, sondern erst nach der Ernte - wenn Trauben oder Kaffeebohnen zu feucht gelagert werden und sich deshalb der Schimmel einschleicht.

    Wissenschaftler wie Ewald Usleber fordern Grenzwerte nun auch für die Gift-Palette der Feldpilze:

    "Dann schneidet man die Spitzen ab, das heißt das hochkontaminierte Material kann man damit sehr effektiv reduzieren. Und damit senkt man ganz dramatisch die durchschnittliche Belastung."

    Selbst der Bundesregierung gehen die bisherigen EU-Regelungen nicht weit genug. Deshalb plant sie einen nationalen Alleingang, fachlich vorbereitet vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, BgVV.

    Damit soll die bestehende "Mykotoxin-Höchstmengen-Verordnung" erweitert werden. Um künftig auch die wichtigsten Fusarien-Gifte wirkungsvoll überwachen zu können: DON, Zea-ra-le-non und die Fu-mo-ni-sine. BgVV-Experte Heino Rosner:

    "Höchstmengen, die nationale Gesetze darstellen sollen, wurden mit den Ländern diskutiert. Und befinden sich zur Zeit bei der Europäischen Kommission zur Notifizierung. Das Ergebnis müssen wir abwarten. Liegt dieses vor, wird das dem Bundesrat zugeleitet in der Hoffnung, dass wir möglichst bald eine bessere Regelung haben als in der gesamten EU."

    Zwar weiß auch Rosner, ...

    "... dass wir nicht davon ausgehen können, alle diese Mykotoxine auf Null zu bringen."

    Dennoch, glaubt der BgVV-Chemiker, lasse sich eine gewisse gesundheitliche Vorsorge treffen - durch die angestrebten Höchstmengen für DON & Co.

    "Wenn ein Verbraucher ein Lebensmittel ein Leben lang aufnimmt, mit dieser Konzentration, die das Gesetz dann vorsieht. Dann ist aus heutiger Sicht nicht mit einer gesundheitlichen Schädigung zu rechnen."

    Rückkehr in Stuttgarts Süden, auf das Agrarland mit den vielen kleinen Getreide-Parzellen. Ein anderer Standort, ein anderer Versuch. Thomas Miedaner steht jetzt vor einem Acker-Streifen, auf dem Winterweizen blüht. Gleich neben ihm rattert ein Traktor los, der auf Stelzen zu stehen scheint ...

    "Das ist ein Hochradschlepper. Ist eine Spezialmaschine für die Pflanzenzüchtung. Der ist etwa zwei Meter hoch, so dass wir hier über den Bestand fahren können, ohne den Weizen zu schädigen. Hinten sehen wir dann einen großen Tank. Und ein 6-Meter-Gestänge, mit dem dann die Flüssigkeit ausgebracht wird."

    Der Weizen bringt gerade seine Blüte hinter sich. Aus den Ähren ragen überall gelbe Staubbeutel. Darauf hat Agrarbiologe Miedaner nur gewartet. Jetzt ist es Zeit, die Pilz-Pest auszubringen. Der Schlepper versprüht kein Düngemittel oder Pestizid über dem Weizen-Schlag, sondern Fusarien-Sporen ...

    Ein paar Wochen später ist zu besichtigen, was der Parasit in dem Testfeld angerichtet hat. Dabei zeigt sich: Nicht alle Weizen-Zuchtsorten sind gleichermaßen empfindlich ...

    "Die ist jetzt mittelanfällig. Die ist extrem anfällig, obwohl das eine der am meisten angebauten Sorten in Deutschland zur Zeit ist. Was man hier klar sieht, ist: Dieser Typ an Sorte, der sehr gedrungen ist, sehr niedrig ist - Halbzwerg wird der in der Fachwelt genannt, und wo die Ähre sehr nah am Blattapparat ist, ist häufig anfällig gegen viele Krankheiten. Andererseits sind diese Sorten auch die hochertragsreichsten Sorten, die wir derzeit in der ..... ... Landwirtschaft haben. Und das ist auch der Grund, warum sie so stark angebaut werden. Und das ist das Hauptproblem, wo wir jetzt mit unserer Forschung ansetzen. Die Frage: Hängt das zusammen? Ist das wirklich so, dass kurze ertragsstarke Sorten anfällig sein müssen? Und lange eher ertragsschwache Sorten dann eher resistent sind? Oder kann man durch geschickte Kreuzung solcher Sorten auch zu Material kommen, dass sowohl gut für Ähren-Fusariosen ist als auch gut für die anderen Merkmale?"

    Noch fehlt solches Zuchtmaterial. Und so bleibt das große Dilemma: Besonders häufig angebaute Weizen-Sorten wie Bandit, Ritmo oder Drifter sind auch besonders anfällig für Fusarien-Pilze.

    Widerstandsfähige Züchtungen wie Petrus oder Romanus dagegen lehnen die Landwirte ab: Sie sind ihnen zu ertragsarm. Obwohl bei ihnen niedrigere Mykotoxin-Gehalte zu erwarten wären.

    Wieviel Pilzgift sich im Korn anreichert, hängt aber nicht allein von der Getreidesorte ab. Es gibt weitere Risikofaktoren. Die Freisinger Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau trug sie in ihren langjährigen Forschungsarbeiten zusammen.

    An erster Stelle steht dabei die Vorfrucht auf dem Feld. Was baut der Landwirt vor dem Winterweizen an? Häufig ist es Mais. Genau davon profitieren die Fusarien nach den Erfahrungen von LBP-Forscher Helmut Tischner:

    "Es hat ja der Maisanbau gerade in Süddeutschland ziemlich stark zugenommen, weil eben das eine wichtige Futterpflanze ist in den viehhaltenden Betrieben. Und mit der Zunahme des Maisanbaus haben wohl auch die Fusarien zugenommen."

    Immer mehr Bauern verzichten heute darauf, Ernterückstände unterzupflügen. Um Kosten zu sparen. Aber auch, um den Ackerboden nicht zu verdichten. Das Maisstroh bleibt auf dem Feld zurück - eine ideale Brutstätte für Fusarien. Wird dann der Winterweizen ausgesät, befallen die Pilze auch gleich die Folgekultur.

    In Bayern steht auf vier von zehn Getreidefeldern Mais vor Winterweizen. Wie groß der Einfluss der Fruchtfolge auf die Pilzgift-Gehalte im Korn ist, zeigt sich für Tischner auch beim Vergleich zwischen konventionellem und ökologischem Landbau ...

    "Da kann man sagen, dass der Öko-Weizen im Schnitt etwas geringer belastet ist als konventioneller Weizen. Und das ist in erster Linie der Mais-Effekt. Weil es nämlich in Ökobetrieben so gut wie keinen Maisanbau gibt. Weil eben der Mais für Ökobetriebe ohne Pflanzenschutz eine sehr schwierige Kultur ist und deswegen da meistens nicht drinnen ist."

    Weizensorte und Vorfrucht sind also zwei maßgebliche Risikofaktoren. Allerdings nicht für alle Landwirte. Sondern nur für jene, die auch in einem Risikogebiet wirtschaften. Bei feucht-warmer Sommerwitterung ...

    "Wir haben hier einen Atlas der potentiellen Befallsgefährdung durch wichtige Schadorganismen im Ackerbau Deutschlands. [Und] je stärker die Karten gefärbt sind, orange oder in Rot - wenn’s Rot ist, da liegt eine sehr starke witterungsbedingte Gefährdung vor. Da gibt es Regionen, zum Beispiel Südostbayern. Auch in Nordbayern gibt es Regionen. Dann der Rheingraben. Und auch Westdeutschland, am Rhein entlang, sind so Regionen, die rein durch die Witterung stärker gefährdet sind."

    So entsteht am Ende gleichsam das typische Profil eines Mykotoxin-Risikobetriebes. Bei ihm ist der Frühsommer feucht-warm, die Weizen-Sorte Fusarien-anfällig und Mais die Vorfrucht ...

    "So einem Landwirt muss man sagen: Es liegt eine sehr hohe Gefährdung vor. Und der muss eben schauen, dass er im Weizen wenig Ernterückstände hat. Und dass er eine Sorte wählt, die wenig anfällig ist. Also, des Problems bewusst in den gefährdeten Regionen, das sind sicher acht bis neun von zehn. Und wie viele danach handeln, das ist schwer zu sagen. Aber ich denke, dass das schon über 50 Prozent sind der Landwirte."

    Gesundheitlicher Verbraucherschutz - im Fall der Fusarien-Toxine fängt er schon auf dem Feld an. Aber auch Forschung und Gesetzgebung können ihren Beitrag leisten. Und deshalb ...

    ... ein Appell an verantwortungsbewußte Landwirte:

    "Ein Hersteller kann kein Interesse daran haben, Erzeugnisse mit geringer Qualität auf den Markt zu bringen."

    Gleich zwei Appelle an die Wissenschaft:

    "Aus der Sicht der Pflanzenzüchtung ist es sicherlich die größte Herausforderung, die resistenten Sorten, die man jetzt schon kennt, so zu optimieren, dass sie eben in der landwirtschaftlichen Praxis großflächig angebaut werden."

    Und zweitens:

    "Im Prinzip müsste eine Toxin-Analyse bei der Ablieferung des Getreides erfolgen. Denn nachher in der Mühle wird das ja in riesigen Silos vermischt. Und da sehe ich noch wesentlichen Forschungsbedarf für Schnellmethoden."

    Schließlich der Appell an den Gesetzgeber, sich auch um Import-Getreide zu kümmern. Der Fu-mo-ni-sin-haltige Körner-Mais etwa, den wir essen, stammt aus dem Ausland:

    "Jedes Toxinproblem, das von außen in die EU hereinkommt - da hat man noch Steuer- und Regulationsmechanismen."

    Einstweilen gibt es aber noch keine Grenzwerte für die Fusarien-Gifte in Mehl, Brot und anderen Getreideprodukten. Der Verbaucher kann nach wie vor an stärker belastete Mais- oder Hartweizen-Produkte geraten.

    Soll er deshalb nun Pasta und Polenta meiden?

    Nein, muss er nicht, beruhigt Mykotoxin-Experte Ewald Usleber - und formuliert den finalen Appell. Den für alle Konsumenten:

    "Der beste Ratschlag, der eigentlich seit langem Gültigkeit hat, ist 'ne abwechlungsreiche, vielfältige Ernährung. Allein dadurch kann man ja das Belastungsrisiko erstens verteilen und dadurch in der Regel auch minimieren."