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Der Fisch in uns

Evolution. - Tiktaalik ist ein Fisch - ein besonderer. Denn er ist der engste Verwandte der Landwirbeltiere unter den Fischen, jedenfalls der engste, den wir bislang kennen. Die Entdeckung von Tiktaalik war eine wissenschaftliche Sensation. Neil Shubin, einer der Entdecker führt in seinem Buch durch die Milliarden Jahre lange Geschichte der Evolution.

Von Dagmar Röhrlich |
    Tiktaalik lebte vor 375 Millionen Jahre, war ein bis zu 2,70 Meter langer Räuber mit einem Krokodilkopf. Er besaß noch Schuppen und Flossen - aber auch schon einen stabilen Brustkorb, Schultern, Ellenbogen und Teile eines Handgelenks wie Landwirbeltiere. Kurze Ausflüge aufs Trockene dürften für ihn kein Problem gewesen sein.

    Der Fisch ermöglichte wichtige neue Einblicke für den Übergang von "Fisch zu Fleisch", weshalb die Fossilien auch alle Mühe wert waren. Und diese Suche war für Neil Shubin - einem Paläontologen von der Universität Chicago - und sein Team wirklich eine ziemlich ungemütliche Angelegenheit: Auf Ellesmere Island in der kanadischen Arktis lebten sie in Zelten, dabei schneite es, der Wind war schneidend kalt, und dann mussten die Fossilien auch noch aus dem gefrorenen Felsen geklopft werden. Mit dieser Entdeckungsgeschichte beginnt Neil Shubin auch sein Buch "Der Fisch in uns".

    Aber diese Erzählung liefert nur den Rahmen für das eigentliche Abenteuer: die Geschichte der Evolution. Neil Shubin macht sie in seinem Buch an Tiktaalik fest, am Schritt an Land - und er formuliert scherzhaft, dass er nur Fische um sich sehe. Er erzählt, wie aus Flossen Gliedmaßen wurden, Beine und Arme, wie wir fünf Finger an jeder Hand bekamen, fünf Zehen an jedem Fuß. Er verfolgt die Spur der Gene und die der Knochen und führt uns so vor Augen, dass Evolution wie eine schier endlose Kette ist, bei der eine neue Art aus einer älteren entsteht… Er erzählt von der vergleichenden DNA-Forschung oder von Experimenten, die die Mechanismen der Evolution erhellen können.

    Das Buch ist unterhaltsam und anspruchsvoll. Allerdings ist es schwieriger zu lesen, als es sein müsste, denn der Autor lässt sich beim Aufbau sehr von seiner eigenen Forschung und von seinem eigenen Werdegang beeinflussen. Dadurch wirkt manches beliebig oder langatmig, und der Aufbau nicht unbedingt schlüssig - und für den Leser stellt sich das große Bild der Evolution nicht unbedingt ein. Trotz dieser Kritik ist das Gesamturteil: ein lesenswertes, vehementes Plädoyer für die Evolution.

    Neil Shubin: Der Fisch in uns. Eine Reise durch die 3,5 Milliarden Jahre alte Geschichte unseres Körpers
    ISBN: 978-3-10-072004-7
    S. Fischer Verlag, 281 Seiten, 19,90 Euro