Dirk-Oliver Heckmann: Esoteriker und Freunde von Weltuntergangs-Szenarien, sie fiebern schon seit Monaten diesem Tag entgegen. Menschen verkriechen sich in Höhlen, ein französisches Dorf in den Pyrenäen wird von Heerscharen von Esoterikern heimgesucht, denn nur hier soll man eine Chance haben zu überleben. Der Grund: Hier sei die Landebahn für Außerirdische, die nur diejenigen vor dem Weltuntergang retten würden, die sich dort versammeln - man könnte die Reihe fortsetzen. Abgeleitet wird das Szenario aus dem Kalender der Maya. Die Hotels in Mexiko sind deshalb zumindest in der Nähe der archäologischen Stätten ausgebucht. Viele Ausländer sind extra angereist.
Am Telefon begrüße ich ganz herzlich Dr. Lars Frühsorge, er ist Maya-Forscher, Dozent an der Universität in Hamburg und wissenschaftlicher Berater am Museum für Völkerkunde eben dort. Schönen guten Morgen, Herr Frühsorge.
Lars Frühsorge: Schönen guten Morgen!
Heckmann: Herr Frühsorge, sagen Sie uns bitte die Wahrheit. Hat unser allerletztes Stündlein geschlagen heute?
Frühsorge: Ich fürchte, nein. Wir werden unsere Steuererklärung noch machen müssen.
Heckmann: Das heißt, an diesen ganzen Interpretationen des Maya-Kalenders, da ist überhaupt gar nichts dran?
Frühsorge: Es gibt eine sehr, sehr starke Esoterik-Industrie, wir haben das auch in dem Beitrag gehört. Es gibt ein sehr großes Interesse im Tourismus-Sektor an diesem Datum. Aber von Seiten der Maya gibt es da absolut nichts Apokalyptisches.
Heckmann: Worauf beziehen sich denn diejenigen, die jetzt aus diesem Maya-Kalender das Ende der Welt ableiten?
Frühsorge: Die Maya haben geglaubt, dass unsere Welt mehrfach erschaffen wurde, dass es also eine frühere Welt, eine frühere Menschheit gab, die nach einem Zyklus von 5200 Jahren ihr Ende gefunden hat. Und da eben so ein Zyklus wieder endet, hat ein Forscher in den 60er-Jahren vermutet, dass die Maya mit 2012 den Weltuntergang assoziiert hätten. Das ist aber ein Irrtum, weil wir heute viel, viel mehr von der alten Maya-Kultur wissen, bisher unbekannte Inschriften entziffern konnten und wissen, dass die Maya noch Jahrtausende, Jahrmilliarden sogar weiter in die Zukunft gerechnet haben.
Heckmann: Das heißt, de facto gibt es kein einziges Dokument, dass am 21. 12. 2012 die Welt untergehen soll?
Frühsorge: Nein, definitiv nicht. Ich würde sogar sagen, der Gedanke eines Weltuntergangs ist den Maya fremd. Sie haben mehr eine Vorstellung, dass wenn etwas endet, immer auch ein Neubeginn damit verbunden ist.
Heckmann: Wie soll denn der Weltuntergang angeblich vonstatten gehen, wenn man den Vorstellungen der Esoteriker folgt?
Frühsorge: Es gibt da ganz verschiedene Theorien. Es ist von Außerirdischen die Rede, von einem Planeten, der mit unserem Planeten kollidieren soll, von Verschwörungstheorien findet man sehr viele Informationen im Internet, dass Barack Obama der wiedergeborene Antichrist sein soll, dem Hörner wachsen werden und der das Ende der Welt herbeiführt. Eine Theorie, die ich auch sehr interessant finde, dass Prinz Charles ein Außerirdischer sein soll, der sich mit den Staatsoberhäuptern der Welt verschworen hat, um das Ende der Welt herbeizuführen.
Heckmann: Sie haben es gerade eben schon erwähnt: Es gibt ein riesiges Interesse an solchen Gedankenspielen, an Esoterik auch, es gibt eine Industrie, eine regelrechte, die dahinter steht. Wie ist die Lust vieler Menschen auf die Apokalypse zu erklären?
Frühsorge: Das sind ja Dinge, die sehr, sehr weit zurückreichen. Seit es das Christentum gibt, gibt es den Gedanken der Apokalypse. Es sind dann einfach immer wieder nur neue Daten kreiert worden, die man damit verbindet. Und ich denke, es ist vor allen Dingen so eine Unzufriedenheit mit unserer Welt, und ganz, ganz viele alte Ideen fließen in dieses Datum wieder ein. Viele Autoren, die schon geschrieben haben, im Jahr 2000 geht die Welt unter, haben ihre Bücher jetzt neu herausgebracht und einfach ein 2012 auf das Cover geschrieben. Also eigentlich ist das eine sehr alte Sache.
Heckmann: Auch ein Versuch, den komplexen Problemen so ein bisschen aus dem Weg zu gehen in der Welt?
Frühsorge: Das ist natürlich so ein bisschen das, womit Esoteriker punkten können, dass sie sehr, sehr einfache Erklärungsmodelle, sehr, sehr einfache Antworten auf die großen Fragen haben, wo wir Wissenschaftler eher eine differenzierte, komplexere Sicht haben.
Heckmann: Sie haben mir im Vorgespräch gesagt, Herr Frühsorge, die ganze Sache könnte man ja im Prinzip als Witz abtun, wenn da nicht auch eine ernste Seite wäre, nämlich die Lage der Maya-Bevölkerung und der Ausverkauf ihrer Kultur, der mit dem Datum verbunden ist. Was meinen Sie damit genau?
Frühsorge: Tatsächlich ist es so, dass natürlich wirklich ein Milliarden-Geschäft mit dem Maya-Kalender gemacht wird, aber dass das allermeiste, was geschrieben wird, was in diesen sehr, sehr teuer zu bezahlenden Seminaren angeboten wird, sehr, sehr wenig mit der Maya-Kultur zu tun hat und wirklich nur eine sehr kleine Gruppe von Maya-Schamanen überhaupt finanziell davon profitiert. Davon profitieren westliche Esoteriker, davon profitiert die Tourismus-Industrie, während die Maya wirklich überwiegend in sehr, sehr ärmlichen Verhältnissen leben.
Hinzu kommt die Tatsache, dass viel von dem, was in der esoterischen Szene kursiert, zutiefst rassistisch ist. Da wird unterstellt, die Maya selbst wären ein sehr primitives Volk, einschließlich der heutigen Nachfahren, sie wären gar nicht in der Lage gewesen, diese Ruinenstätten, also die alten Tempel zu errichten, diese Schrift überhaupt ins Leben zu rufen, das sollen dann Außerirdische für sie gemacht haben, oder, was noch dramatischer ist, dass behauptet wird, das hätten weiße Herrenmenschen aus Europa gemacht. Und das ist so ein Punkt, wo ich persönlich sage, das ist dann nicht mehr eine Frage von Glaubensfreiheit, sondern das ist dann eine Frage, dass man diese Kulturen würdigen sollte und solchem rassistischen Gedankengut schon aktiv entgegentreten muss.
Heckmann: Wie reagieren die Nachkommen der Maya auf diesen Hype?
Frühsorge: Anfänglich mit ein bisschen Amüsement. Ich habe während meiner eigenen Forschung festgestellt, dass ursprünglich dieses Datum gar keine Bedeutung in den Maya-Gemeinden hat. Das fing so 2006/2007 an, dass immer wieder esoterisch interessierte Touristen in diese Dörfer kamen, Schamanen nach diesem Datum gefragt haben, die irgendwann aus dieser Notwendigkeit, auf diese Fragen zu antworten, angefangen haben, sich damit zu beschäftigen. Und heute ist es ein bisschen auch zu einem politischen Thema geworden, dass die Maya sagen, wir glauben nicht an den Weltuntergang, aber wenn dies ein großer Zyklus ist, wenn dies eine Zeitenwende sein soll, dann ist das ein Anlass, nachzudenken, dann ist das ein Anlass, in die Zukunft zu schauen, zu sagen, was für Probleme haben wir, Diskriminierung, ökologische Probleme, Armut, und diese Probleme sollten wir, womit die ganze Menschheit gemeint ist, gemeinsam angehen. Das ist also mehr eine Aufforderung zum Handeln.
Heckmann: Können Sie das noch ein bisschen näher ausführen, wie die Situation der Maya-Bevölkerung dort vor Ort zu beschreiben ist?
Frühsorge: Die Maya - ich kann jetzt vor allen Dingen für Guatemala sprechen, wo ich sehr aktiv geforscht habe – bilden ungefähr die Hälfte der Bevölkerung des Landes, leben aber überwiegend unterhalb der Armutsgrenze. Ungefähr die Hälfte der Maya schafft es noch nicht mal, die Grundschule abzuschließen. Die meisten Menschen sind nach wie vor Bauern, die Mais und Bohnen anbauen, die da auch mit der Globalisierung der Wirtschaft sehr zu kämpfen haben und die nach wie vor in ihrem Land auch sehr stark diskriminiert werden aufgrund ihrer Kultur und da sehr, sehr viele Probleme tagtäglich zu bewältigen haben.
Heckmann: Aufgrund ihrer Kultur werden sie diskriminiert. Weshalb genau? Was ist der Grund dafür?
Frühsorge: Die Vorstellung ist, dass Indigene per se minderwertig wären. Es gibt einen sehr, sehr tief sitzenden Rassismus, der praktisch bis Columbus zurückreicht, dass nur die weißen Lateinamerikaner in irgendeiner Form für den Wohlstand, für die Entwicklung dieser Länder garantieren könnten, und in dem Sinne werden indigene Kulturen, wie die Kultur der Maya es sind, als ein Entwicklungshemmnis angesehen und man sagt im Endeffekt, man sollte diese Kulturen irgendwie in Museen stecken, aber doch die Menschen davon abbringen und sie eher dazu bringen, einen Lebensstil zu pflegen, wie wir das in Europa tun oder wie das in den USA der Fall ist.
Heckmann: Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses ernsten Hintergrundes, wird es heute im Hamburger Museum für Völkerkunde, für das Sie ja auch arbeiten, ab 18 Uhr eine Weltübergangsparty geben, auch mit Ihnen. Was ist da zu erleben?
Frühsorge: Das ist eigentlich eine sehr bunte Mischung. Es ist einerseits ein Versuch des Museums, die esoterische Szene zu integrieren. Einerseits hat das Museum den Anspruch, ein Haus für alle Kulturen zu sein und offen für alle zu sein, auch einen Dialog zwischen Wissenschaft und Esoterik anzustreben. Es ist aber auch eine Tendenz, die ich generell in der deutschen Museumslandschaft momentan beobachte, dass man sich mehr und mehr dieser doch finanziell sehr, sehr potenten esoterischen Szene einfach annähern möchte, um da neue Märkte zu erschließen.
Heckmann: Das ist die eine Seite. Und die andere?
Frühsorge: Von der wissenschaftlichen Seite?
Heckmann: Sie haben gesagt, Sie möchten, das Museum möchte die Esoteriker einbinden. Aber auf der anderen Seite sind dann auch Nachkommen der Maya zu erleben.
Frühsorge: Nachkommen der Maya spielen dabei auch eine Rolle. Es ist natürlich so, dass Museen, in erster Linie ethnologische Museen, die entsprechenden Kulturen darstellen wollen, und in dem Sinne sind auch Maya-Priester aus Guatemala eingeladen worden, die dort ein bestimmtes Ritual anlässlich dieses besonderen Datums zelebrieren.
Heckmann: Und denken Sie, dieser Spagat kann gelingen?
Frühsorge: Dieser Spagat ist sicherlich eine Herausforderung, aber es ist in dem Sinne auch keine künstliche Situation, weil auch die heutigen Maya durchaus mit der esoterischen Szene immer wieder in Berührung kommen und es da durchaus einen sehr, sehr aktiven Wissensaustausch gibt. Also Sie sehen: Was heute Abend in diesem Museum passiert, ist praktisch ein Mikrokosmos dessen, was durchaus auch im Gebiet der Maya heute passiert, wenn esoterische Touristen in diese Dörfer kommen, wenn Schamanen mit Esoterikern ins Gespräch kommen.
Heckmann: Viele Esoteriker erwarten für heute den Weltuntergang und beziehen sich dabei auf den Maya-Kalender – wir haben gesprochen mit dem Maya-Forscher Dr. Lars Frühsorge, Dozent an der Universität in Hamburg. Herr Frühsorge, besten Dank und alles Gute an diesem speziellen Tag.
Frühsorge: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon begrüße ich ganz herzlich Dr. Lars Frühsorge, er ist Maya-Forscher, Dozent an der Universität in Hamburg und wissenschaftlicher Berater am Museum für Völkerkunde eben dort. Schönen guten Morgen, Herr Frühsorge.
Lars Frühsorge: Schönen guten Morgen!
Heckmann: Herr Frühsorge, sagen Sie uns bitte die Wahrheit. Hat unser allerletztes Stündlein geschlagen heute?
Frühsorge: Ich fürchte, nein. Wir werden unsere Steuererklärung noch machen müssen.
Heckmann: Das heißt, an diesen ganzen Interpretationen des Maya-Kalenders, da ist überhaupt gar nichts dran?
Frühsorge: Es gibt eine sehr, sehr starke Esoterik-Industrie, wir haben das auch in dem Beitrag gehört. Es gibt ein sehr großes Interesse im Tourismus-Sektor an diesem Datum. Aber von Seiten der Maya gibt es da absolut nichts Apokalyptisches.
Heckmann: Worauf beziehen sich denn diejenigen, die jetzt aus diesem Maya-Kalender das Ende der Welt ableiten?
Frühsorge: Die Maya haben geglaubt, dass unsere Welt mehrfach erschaffen wurde, dass es also eine frühere Welt, eine frühere Menschheit gab, die nach einem Zyklus von 5200 Jahren ihr Ende gefunden hat. Und da eben so ein Zyklus wieder endet, hat ein Forscher in den 60er-Jahren vermutet, dass die Maya mit 2012 den Weltuntergang assoziiert hätten. Das ist aber ein Irrtum, weil wir heute viel, viel mehr von der alten Maya-Kultur wissen, bisher unbekannte Inschriften entziffern konnten und wissen, dass die Maya noch Jahrtausende, Jahrmilliarden sogar weiter in die Zukunft gerechnet haben.
Heckmann: Das heißt, de facto gibt es kein einziges Dokument, dass am 21. 12. 2012 die Welt untergehen soll?
Frühsorge: Nein, definitiv nicht. Ich würde sogar sagen, der Gedanke eines Weltuntergangs ist den Maya fremd. Sie haben mehr eine Vorstellung, dass wenn etwas endet, immer auch ein Neubeginn damit verbunden ist.
Heckmann: Wie soll denn der Weltuntergang angeblich vonstatten gehen, wenn man den Vorstellungen der Esoteriker folgt?
Frühsorge: Es gibt da ganz verschiedene Theorien. Es ist von Außerirdischen die Rede, von einem Planeten, der mit unserem Planeten kollidieren soll, von Verschwörungstheorien findet man sehr viele Informationen im Internet, dass Barack Obama der wiedergeborene Antichrist sein soll, dem Hörner wachsen werden und der das Ende der Welt herbeiführt. Eine Theorie, die ich auch sehr interessant finde, dass Prinz Charles ein Außerirdischer sein soll, der sich mit den Staatsoberhäuptern der Welt verschworen hat, um das Ende der Welt herbeizuführen.
Heckmann: Sie haben es gerade eben schon erwähnt: Es gibt ein riesiges Interesse an solchen Gedankenspielen, an Esoterik auch, es gibt eine Industrie, eine regelrechte, die dahinter steht. Wie ist die Lust vieler Menschen auf die Apokalypse zu erklären?
Frühsorge: Das sind ja Dinge, die sehr, sehr weit zurückreichen. Seit es das Christentum gibt, gibt es den Gedanken der Apokalypse. Es sind dann einfach immer wieder nur neue Daten kreiert worden, die man damit verbindet. Und ich denke, es ist vor allen Dingen so eine Unzufriedenheit mit unserer Welt, und ganz, ganz viele alte Ideen fließen in dieses Datum wieder ein. Viele Autoren, die schon geschrieben haben, im Jahr 2000 geht die Welt unter, haben ihre Bücher jetzt neu herausgebracht und einfach ein 2012 auf das Cover geschrieben. Also eigentlich ist das eine sehr alte Sache.
Heckmann: Auch ein Versuch, den komplexen Problemen so ein bisschen aus dem Weg zu gehen in der Welt?
Frühsorge: Das ist natürlich so ein bisschen das, womit Esoteriker punkten können, dass sie sehr, sehr einfache Erklärungsmodelle, sehr, sehr einfache Antworten auf die großen Fragen haben, wo wir Wissenschaftler eher eine differenzierte, komplexere Sicht haben.
Heckmann: Sie haben mir im Vorgespräch gesagt, Herr Frühsorge, die ganze Sache könnte man ja im Prinzip als Witz abtun, wenn da nicht auch eine ernste Seite wäre, nämlich die Lage der Maya-Bevölkerung und der Ausverkauf ihrer Kultur, der mit dem Datum verbunden ist. Was meinen Sie damit genau?
Frühsorge: Tatsächlich ist es so, dass natürlich wirklich ein Milliarden-Geschäft mit dem Maya-Kalender gemacht wird, aber dass das allermeiste, was geschrieben wird, was in diesen sehr, sehr teuer zu bezahlenden Seminaren angeboten wird, sehr, sehr wenig mit der Maya-Kultur zu tun hat und wirklich nur eine sehr kleine Gruppe von Maya-Schamanen überhaupt finanziell davon profitiert. Davon profitieren westliche Esoteriker, davon profitiert die Tourismus-Industrie, während die Maya wirklich überwiegend in sehr, sehr ärmlichen Verhältnissen leben.
Hinzu kommt die Tatsache, dass viel von dem, was in der esoterischen Szene kursiert, zutiefst rassistisch ist. Da wird unterstellt, die Maya selbst wären ein sehr primitives Volk, einschließlich der heutigen Nachfahren, sie wären gar nicht in der Lage gewesen, diese Ruinenstätten, also die alten Tempel zu errichten, diese Schrift überhaupt ins Leben zu rufen, das sollen dann Außerirdische für sie gemacht haben, oder, was noch dramatischer ist, dass behauptet wird, das hätten weiße Herrenmenschen aus Europa gemacht. Und das ist so ein Punkt, wo ich persönlich sage, das ist dann nicht mehr eine Frage von Glaubensfreiheit, sondern das ist dann eine Frage, dass man diese Kulturen würdigen sollte und solchem rassistischen Gedankengut schon aktiv entgegentreten muss.
Heckmann: Wie reagieren die Nachkommen der Maya auf diesen Hype?
Frühsorge: Anfänglich mit ein bisschen Amüsement. Ich habe während meiner eigenen Forschung festgestellt, dass ursprünglich dieses Datum gar keine Bedeutung in den Maya-Gemeinden hat. Das fing so 2006/2007 an, dass immer wieder esoterisch interessierte Touristen in diese Dörfer kamen, Schamanen nach diesem Datum gefragt haben, die irgendwann aus dieser Notwendigkeit, auf diese Fragen zu antworten, angefangen haben, sich damit zu beschäftigen. Und heute ist es ein bisschen auch zu einem politischen Thema geworden, dass die Maya sagen, wir glauben nicht an den Weltuntergang, aber wenn dies ein großer Zyklus ist, wenn dies eine Zeitenwende sein soll, dann ist das ein Anlass, nachzudenken, dann ist das ein Anlass, in die Zukunft zu schauen, zu sagen, was für Probleme haben wir, Diskriminierung, ökologische Probleme, Armut, und diese Probleme sollten wir, womit die ganze Menschheit gemeint ist, gemeinsam angehen. Das ist also mehr eine Aufforderung zum Handeln.
Heckmann: Können Sie das noch ein bisschen näher ausführen, wie die Situation der Maya-Bevölkerung dort vor Ort zu beschreiben ist?
Frühsorge: Die Maya - ich kann jetzt vor allen Dingen für Guatemala sprechen, wo ich sehr aktiv geforscht habe – bilden ungefähr die Hälfte der Bevölkerung des Landes, leben aber überwiegend unterhalb der Armutsgrenze. Ungefähr die Hälfte der Maya schafft es noch nicht mal, die Grundschule abzuschließen. Die meisten Menschen sind nach wie vor Bauern, die Mais und Bohnen anbauen, die da auch mit der Globalisierung der Wirtschaft sehr zu kämpfen haben und die nach wie vor in ihrem Land auch sehr stark diskriminiert werden aufgrund ihrer Kultur und da sehr, sehr viele Probleme tagtäglich zu bewältigen haben.
Heckmann: Aufgrund ihrer Kultur werden sie diskriminiert. Weshalb genau? Was ist der Grund dafür?
Frühsorge: Die Vorstellung ist, dass Indigene per se minderwertig wären. Es gibt einen sehr, sehr tief sitzenden Rassismus, der praktisch bis Columbus zurückreicht, dass nur die weißen Lateinamerikaner in irgendeiner Form für den Wohlstand, für die Entwicklung dieser Länder garantieren könnten, und in dem Sinne werden indigene Kulturen, wie die Kultur der Maya es sind, als ein Entwicklungshemmnis angesehen und man sagt im Endeffekt, man sollte diese Kulturen irgendwie in Museen stecken, aber doch die Menschen davon abbringen und sie eher dazu bringen, einen Lebensstil zu pflegen, wie wir das in Europa tun oder wie das in den USA der Fall ist.
Heckmann: Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses ernsten Hintergrundes, wird es heute im Hamburger Museum für Völkerkunde, für das Sie ja auch arbeiten, ab 18 Uhr eine Weltübergangsparty geben, auch mit Ihnen. Was ist da zu erleben?
Frühsorge: Das ist eigentlich eine sehr bunte Mischung. Es ist einerseits ein Versuch des Museums, die esoterische Szene zu integrieren. Einerseits hat das Museum den Anspruch, ein Haus für alle Kulturen zu sein und offen für alle zu sein, auch einen Dialog zwischen Wissenschaft und Esoterik anzustreben. Es ist aber auch eine Tendenz, die ich generell in der deutschen Museumslandschaft momentan beobachte, dass man sich mehr und mehr dieser doch finanziell sehr, sehr potenten esoterischen Szene einfach annähern möchte, um da neue Märkte zu erschließen.
Heckmann: Das ist die eine Seite. Und die andere?
Frühsorge: Von der wissenschaftlichen Seite?
Heckmann: Sie haben gesagt, Sie möchten, das Museum möchte die Esoteriker einbinden. Aber auf der anderen Seite sind dann auch Nachkommen der Maya zu erleben.
Frühsorge: Nachkommen der Maya spielen dabei auch eine Rolle. Es ist natürlich so, dass Museen, in erster Linie ethnologische Museen, die entsprechenden Kulturen darstellen wollen, und in dem Sinne sind auch Maya-Priester aus Guatemala eingeladen worden, die dort ein bestimmtes Ritual anlässlich dieses besonderen Datums zelebrieren.
Heckmann: Und denken Sie, dieser Spagat kann gelingen?
Frühsorge: Dieser Spagat ist sicherlich eine Herausforderung, aber es ist in dem Sinne auch keine künstliche Situation, weil auch die heutigen Maya durchaus mit der esoterischen Szene immer wieder in Berührung kommen und es da durchaus einen sehr, sehr aktiven Wissensaustausch gibt. Also Sie sehen: Was heute Abend in diesem Museum passiert, ist praktisch ein Mikrokosmos dessen, was durchaus auch im Gebiet der Maya heute passiert, wenn esoterische Touristen in diese Dörfer kommen, wenn Schamanen mit Esoterikern ins Gespräch kommen.
Heckmann: Viele Esoteriker erwarten für heute den Weltuntergang und beziehen sich dabei auf den Maya-Kalender – wir haben gesprochen mit dem Maya-Forscher Dr. Lars Frühsorge, Dozent an der Universität in Hamburg. Herr Frühsorge, besten Dank und alles Gute an diesem speziellen Tag.
Frühsorge: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.