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Der gekaufte Koalitionär

Wieso die Partei Lega Nord eisern am angeschlagenen Regierungschef Silvio Berlusconi festhält, ist vielen ein Rätsel. Der Grund ist einfach, sagen einige: Berlusconi hat die Lega Nord vor elf Jahren vor dem finanziellen Bankrott gerettet.

Von Kirstin Hausen |
    "Bossi kann sich nicht von Berlusconi lösen" sagt Gilberto Oneto, der fast 20 Jahre lang das politische Programm der Lega Nord mitbestimmte. Und er hat auch eine Erklärung dafür:

    "Er hat einen notariellen Vertrag unterzeichnet. Alle, die das bisher öffentlich gesagt oder geschrieben haben, wurden nicht widerlegt und auch nicht wegen Verleumdung verklagt."

    Gilberto Oneto ist 2006 aus der Lega Nord ausgetreten, weil sie, wie er sagt, zum Wasserträger Berlusconis geworden war. Drastischer drückt es Michele De Lucia aus, der die politische Entwicklung der Partei in seinem Buch "Dossier Lega Nord" untersucht hat.

    "Die Lega Nord ist Berlusconis Hündchen. Wenn Bossi zu laut bellt, pfeift Berlusconi ihn zurück."

    Das war nicht immer so. 1994 war es Umberto Bossi, der die erste gemeinsame Regierung aus Berlusconis Partei "Forza Italia", der "Lega Nord" und den damaligen Postfaschisten von der "Alleanza nazionale" stürzte und Berlusconi fortan zum politischen Feind erklärte. "Lügner", "Betrüger" und "Mafioso" nannte Bossi in den folgenden Jahren den Mann, dem er heute unverbrüchlich die Treue hält. Flugblätter und Wahlkampagnen von damals sprachen eine deutliche Sprache. Vielleicht eine zu deutliche, denn Berlusconi drohte Bossi mit Verleumdungsklagen. Die Gefahr hoher Schadenersatzsummen war real und die Kassen der Lega Nord zum damaligen Zeitpunkt leer, so Michele De Lucia.

    Ende der neunziger Jahre stand die Lega Nord vor dem finanziellen Bankrott – bestätigt auch der ehemalige Chefredakteur des Parteiblattes "La Padania" Gigi Moncalvo.

    "Berlusconi war es, der der Lega Nord damals finanziell aus der Klemme half, mit einer stattlichen Summe. Die Situation war ernst. Wir Journalisten, fest angestellt bei der Zeitung, bekamen unser Gehalt nicht mehr ausgezahlt, das Parteibüro war verpfändet. Und neben der Finanzspritze verzichtete Berlusconi auch darauf, gerichtlich gegen die Lega vorzugehen."

    Der Buchautor Michele de Lucia ist Aussagen wie diesen nachgegangen und hat Belege für die These von Berlusconis großzügiger Geste gefunden. Beispielsweise ein Schreiben des damaligen Forza-Italia-Schatzmeisters an die Bank von Rom. Darin steht wörtlich:

    "Wir beauftragen Sie hiermit, der politischen Bewegung Lega Nord einen Kredit zu unseren Lasten zu gewähren, der insgesamt zwei Milliarden Lire umfasst."

    Zwei Milliarden Lire sind etwas mehr als 100.000 Euro. Mit dieser Summe rettete Berlusconis Partei "Forza Italia" Bossis Partei "Lega Nord" vor dem Ruin. Verboten ist das nicht, aber ungewöhnlich. Und was ist die Gegenleistung? Darüber gibt es nur Spekulationen. Den angeblichen Geheimvertrag zwischen Berlusconi und Bossi hat noch niemand zu Gesicht bekommen, viele bezweifeln, dass es ihn gibt. Gigi Moncalvo, der frühere Chefredakteur von "La Padania", hält die politische Kehrtwende, die Umberto Bossi im Jahr 2000 vollzog, jedoch für einen eindeutigen Hinweis.

    "Der Vertrag wird im Januar 2000 aufgesetzt, ein Jahr bevor Bossi und Berlusconi wieder vereint zu den Wahlen antreten und das Mitte-Links-Bündnis schlagen."

    Der Partei-Basis der Lega Nord erklärt Bossi seine erneute Freundschaft mit Silvio Berlusconi ganz pragmatisch als Vehikel zur Macht. Dass er in den folgenden Jahren Gesetze durchwinkt, die den politischen Zielen der Lega Nord nicht nutzen, verkauft er als Zugeständnis an Berlusconi, um im Gegenzug mehr Autonomie für den Norden auszuhandeln.

    "Berlusconi, die Lega könnte dich ausbremsen" droht Umberto Bossi zwar immer wieder in der Öffentlichkeit, allerdings ohne Folgen. Inzwischen wirkt die Lega Nord mit ihrem Festhalten an Berlusconi unglaubwürdig – und verliert sowohl Mitglieder als auch Wähler.