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Der Gemeine Holzbock
In 90 Prozent aller Privatgärten lauern Zecken

Eine Studie der TU Braunschweig weist nach: Zecken sind in neun von zehn Privatgärten zu finden. Waldrandnähe, Hecken, dichte Pflanzenbestände und Streu begünstigen die Blutsauger. Hobbygärtner sollten trotzdem nicht roden, sondern gefeit sein, heißt es auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie.

Von Volker Mrasek |
Im Gegenlicht ist der Schatten einer Zecke (Ixodida) auf einem Blatt zu sehen. Hier wartet der blutsaugende Ektoparasit auf seine Beute. Viele Zeckenarten sind bedeutende Krankheitsüberträger.
In 90 Prozent aller Privatgärten in Deutschland lauern Zecken (dpa-Zentralbild)
In über 100 Privatgärten zwischen Wolfsburg und Wolfenbüttel fahndeten Dania Richter und Studierende der TU Braunschweig nach dem Gemeinen Holzbock, der häufigsten Zeckenart im Lande. Nicht mit Lupe oder Laubsauger, sondern "mit einem Flanelltuch, mit einem weißen Flanelltuch, ein Meter mal anderthalb, das wir über die Vegetation ziehen. Und die Zecke spürt einen Widerstand und haftet an dieser Flanellflagge fest."
Am Ende waren es ganz schön viele dunkle Punke auf den hellen Vliestüchern: Fast 3.200 Holzböcke stöberte das Team der Biologin und Parasitologin insgesamt auf, die meisten von ihnen Nymphen. In diesem frühen Entwicklungsstadium sind die Holzböcke nicht mal so groß wie ein Stecknadelkopf.

Verbreitungsgebiet: Überall in Deutschland

In 90 Prozent aller Gärten waren die unerwünschten Parasiten anzutreffen, so Boris Schröder-Esselbach, Professor für Landschaftsökologie an der TU Braunschweig: "Also, die maximale Dichte, die wir gefunden haben, waren 60 Zecken auf einer Strecke von etwas über 20 Metern."
Braunschweig und Umgebung sind dabei nicht etwa ein Epizentrum der Zecken-Verbreitung in Deutschland, wie Dania Richter klarstellt: "Der Gemeine Holzbock ist von Flensburg bis Konstanz verbreitet und kommt dort in Lebensräumen, die für ihn geeignet sind, vor. Ich gehe davon aus, dass, hätte ich die Studie in Berlin gemacht, dass wir ganz ähnliche Ergebnisse gefunden hätten. Also, dass es unabhängig davon ist, in welcher Region Deutschlands wir es untersuchen."
Zecken lauern also nicht nur in Wäldern, sondern auch in gewöhnlichen Hausgärten. Eine Studie in den Niederlanden mit über 8.000 Teilnehmern hatte das bereits erkennen lassen: "30 Prozent der Befragten dieser Studie, die Kontakt mit Zecken hatten, sagten, dass sie sich die Zecken, die sie gefunden haben, in ihrem eigenen Garten zugezogen haben!"

Zecken mögen Hecken

Zecken sind Blutsauger und daher auf Wirtstiere angewiesen: "Im Garten sind das Nagetiere, Mäuse. Es sind Vögel, vor allen Dingen Amseln, die ja auch viel im Bodenbereich nach Futter suchen. Aber es ist auch der Igel, der dem Gemeinen Holzbock als Wirt zur Verfügung steht. Und natürlich die Hauskatze!"
Doch was ist es, das Wirtstiere und Zecken anlockt? Was unterscheidet den Hausgarten mit vielen Holzböcken von anderen mit wenigen oder gar keinen Parasiten? Ein wichtiger Punkt sei zunächst einmal der Standort, sagt Boris Schröder-Esselbach. Je näher ein Grundstück am Waldrand liege, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort Holzböcke tummeln. Und was die Gärten selbst angeht: "Wenn man hinschaut auf die Ergebnisse, dann sieht man, dass dort, wo wir Heckenstrukturen hatten in den Gärten, wir die höchsten Wahrscheinlichkeiten hatten, auch Zecken zu begegnen."

Gärtnern trotz Blutsauger

Auch von dichten Pflanzenbeständen und viel Streu auf dem Boden profitieren Holzböcke offenbar. Denn beides schafft schattige Nischen im Garten, und das schützt die Blutsauger vor dem Austrocknen. Nur wenige Zecken fanden sich dagegen in Gemüsebeeten und auf kurzgeschorenen Rasenflächen. Der Braunschweiger Geoökologe möchte das aber nicht als Appell zur Rodung strukturreicher Gärten verstanden wissen: "Zentral an dieser Studie ist eigentlich nicht, dass wir sagen. Hier, nehmt mal alle Vegetation und alles, was irgendwie interessant ist an diesem Garten, raus! Nein, in keiner Weise!"
Üppige Gärten seien äußerst wichtig für die Artenvielfalt in Städten, betont auch Dania Richter. Die Parasitologin hat deshalb einen anderen Ratschlag: Hobbygärtnerinnen und -gärtner sollten sich des Risikos durch Zecken rund ums Haus bewusst sein und entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen: "Panik sollte keiner bekommen! Er sollte aufmerksam sein. Er sollte vielleicht auch mal mit einem Bettlaken versuchen zu gucken, ob es Zecken in seinem Garten gibt. Und dann, wenn er feststellt, es gibt Zecken in seinem Garten, sich entsprechend schützen."

Holzböcke können Krankheiten übertragen

Man könne zu Mückensprays greifen, die oft auch gegen Zecken wirkten. Und man sollte die Gartenarbeit grundsätzlich mit einer genauen Körperinspektion beschließen: "Dass man es dann eben auch zur Routine macht, sich täglich auf Zecken abzusuchen, um es nicht zu einer Übertagung von potenziellen Erregern kommen zu lassen."
In Süddeutschland sind Zecken Überträger von FSME-Viren – Erregern, die zu Hirnhautentzündungen beim Menschen führen können, gegen die man sich aber impfen lassen kann. Daneben verbreiten die Blutsauger auch noch Bakterien. Manche von ihnen lösen eine Lyme-Borreliose aus. Diese Erkrankung kann überall in Deutschland auftreten, nicht nur im Süden.
Also sollte man beim Gärtnern auch überall im Lande vor lauernden Holzböcken gefeit sein. Wobei die Chancen gutstehen, eine Infektion mit den Borrelien zu vermeiden, wie Dania Richter sagt: "Weil die Übertragung der Lyme-Borrelien normalerweise erst nach 18, 20 Stunden zunimmt, die Wahrscheinlichkeit, dass Lyme-Borrelien übertragen werden. Also, man hat Zeit! Und diese Zeit nutzt man am besten, um sich auf Zecken zu untersuchen."