Ein Haus in einer Neubausiedlung in einer mittelgroßen deutschen Großstadt. Modern eingerichtet, in einer Ecke des Wohnzimmers liegt Spielzeug auf dem Boden, an der Wand hängen Kinderfotos, sie zeigen einen Jungen und ein Mädchen.
"Das sind die beiden, die gerade im Kindergarten sind. Zwillinge, lebenslustig, Junge und Mädchen, das Mädchen sieht aus wie ich und der Junge sieht aus wie sein Papa. Sie haben leider auch die Ohren der Großmutter geerbt und er das Temperament seines Großvaters."
Lisa Müller ist 42 Jahre alt. Sie ist die genetische Mutter der beiden. Doch geboren wurden die Zwillinge von einer US-Amerikanerin. Einer Leihmutter. Das ist nicht illegal in Deutschland, aber für alle Beteiligten legal ist es auch nicht. Deswegen ist Lisa Müller auch nicht ihr richtiger Name.
"Mir wurde die Gebärmutter entfernt, als ich 30 Jahre alt war, und ich wusste um die Möglichkeit der Leihmutterschaft aufgrund des Erhalts meiner Eierstöcke. Nachdem wir bei dem örtlichen Jugendamt relativ rasch erfahren haben, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu adoptieren sehr, sehr gering ist, denn auf ein zu adoptierendes Kind kommen bis zu zehn adoptionswillige Paare, haben wir für uns überlegt, dass wir den Weg der Leihmutterschaft versuchen. Und zunächst war es eben so, dass meine Schwester, die selbst ein Kind damals hatte, uns das angeboten hat, ein Kind für uns auszutragen. Das wurde dann relativ schnell aber wieder verworfen, weil ihr Kinderwunsch noch nicht abgeschlossen war. Und dann haben wir uns eben auf die Suche gemacht nach einem Land, in dem Leihmutterschaft legal ist und auch rechtlich geregelt ist. Und dann sind wir relativ schnell darauf gekommen, dass für uns ausschließlich und alleine die USA in Frage kommt. "
Die Entscheidung fiel auch deshalb auf die USA, weil die missliche soziale Lage von Leihmüttern in anderen Ländern rund um den Globus nicht den Vorstellungen von Lisa Müller und ihrem Partner entsprach.
"Wir wollten jemanden, der das zunächst aus altruistischen Beweggründen heraus macht, nicht aus einer finanziellen Notlage heraus. Und was uns auch ganz, ganz wichtig war, ist, dass wir mit ihr kommunizieren konnten, dass wir Kontakt zu ihr halten können."
Die Müllers recherchierten im Internet nach einer Agentur, die ihnen eine Leihmutter vermitteln würde können. In Kalifornien sollte sie sein – der US-Bundesstaat mit der liberalsten Leihmutterschaft-Gesetzgebung. Hier werden die Wunscheltern sofort als Mutter und Vater in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen. Über Internetforen lernten die Müllers ein Schweizer Paar kennen, das ihnen eine Agentur empfahl – heute weiß Lisa Müller, dass das Paar dafür eine Provision erhielt.
Mit der Leistung der Agentur ist sie auch heute noch zufrieden. Von den etwa 100.000 Dollar, die die Müllers für das ganze Verfahren inklusive aller Reisekosten bezahlten, bekam die Agentur rund 12.000 Dollar.
Die Hauptaufgabe der Agenturen besteht darin, die Leihmütter zu vermitteln. Vielfach stehen die Agenturen den kinderlosen Paaren aber auch vom ersten Beratungsgespräch bis zur Ausreise mit dem Kind zur Seite.
Den Müllers wurden von ihrer Agentur Fotos mit Kurzprofilen von Leihmüttern zugeschickt. Die Wahl des deutschen Paares fiel auf eine 23-jährige Frau, die in dieser Sendung Helen Robbins heißen soll.
"Sie war unglaublich sympathisch, strahlte eine wahnsinnige Lebensfreude aus, sodass wir sagten: Das ist sie. Wir wussten von ihr kaum etwas, wir wussten, dass sie zwei Kinder hat, verheiratet ist, mehr nicht."
Auf Anhieb, so berichtet die Deutsche, habe man sich gut verstanden. Für Helen Robbins standen daraufhin in den USA zahlreiche medizinische Untersuchungen an. Blutuntersuchungen, ein Screening auf Vorerkrankungen und, wie Lisa Müller erklärt:
"Sie wurde vom Psychiater untersucht, auf Leihmutterschaft hin geprüft, falls man das so sagen kann. Sie hatte einen Test und ein Gespräch mit einer Psychologin, darin wurde ihr klar gemacht, dass sie auch ein gewisses Risiko eingeht, wie bei jeder Schwangerschaft. Es wurde geprüft, inwieweit sie das aus freien Stücken tut. Nicht aus einer misslichen Situation heraus. Die Familienplanung musste abgeschlossen sein, ihr Mann wurde ebenso psychologisch untersucht und auch medizinisch auf Krankheiten sowie ich und mein Mann auch, das war uns auch wichtig, dass eine gewisse Sicherheit sowohl für uns wie auch für die Leihmutter da ist."
Auch von der Familie von Helen Robbins hängt ein Foto im Wohnzimmer der Müllers. Sie stehen heute noch im regen Kontakt miteinander. Die Robbins leben in Chicago. Mit dem Thema Leihmutterschaft hatte sich Helen Robbins beschäftigt, weil in den US-amerikanischen Medien das Thema immer wieder rege diskutiert wurde. Frauen traten im Fernsehen auf, die von ihren Gefühlen berichteten, keine Kinder bekommen zu können. Das berührte die junge amerikanische Mutter Helen Robbins.
"Ich sagte zu meinem Mann: Das könnte ich eigentlich machen. Es ist gut, jemandem zu helfen, Eltern zu werden. Wir hatten ja schon zwei Kinder, das ist eine große Freude – und ich wollte jemand anderem die Chance geben, das auch zu erleben."
Dass sie für ihr Engagement relativ viel Geld erhalten würde, habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt, erklärt die US-Amerikanerin.
"Ich arbeite, ich bin Mutter, mein Mann arbeitet. Unsere finanzielle Situation ist stabil. Natürlich, meine Kinder haben Hobbys, wir reisen. Aber ich brauchte das Geld überhaupt nicht! Ich weiß, dass das für einige Leihmütter sehr wichtig ist. Und einige bekommen auch zu viel Geld dafür. Ich finde, keiner sollte Unsummen dafür zahlen müssen. Nein, das Geld hat für mich keine große Rolle gespielt."
Als sie sich an eine Agentur gewandt habe, die ihr von einer Bekannten empfohlen worden war, habe sie nicht gewusst, wie viel Honorar sie von den Kinderwunscheltern erhalten würde. Erst als man zusammengesessen habe, sei darüber gesprochen worden. 40.000 Dollar waren es schließlich, die Helen Robbins für die Leihmutterschaft erhielt. Den Vertrag handelten die beiden Anwälte aus, die Müllers von ihrer Agentur empfohlen bekamen: ein Anwalt für Helen Robbins, einer für das Ehepaar Müller.
Aber warum hat sich Helen Robbins dieser Belastung, den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und eventuellen Gefährdungen ausgesetzt? Zwillinge auszutragen ist schließlich, wie Helen Robbins es selbst formuliert, kein Urlaub:
"Das wird als Risikoschwangerschaft eingestuft, man hat eine Menge Arzttermine, und ich musste wirklich sehr auf mich aufpassen, um sicherzustellen, dass mein Körper damit zurechtkam."
Bei einer Leihmutterschaft wird der Leihmutter eine künstlich befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eingesetzt. Die Befruchtung erfolgt im Reagenzglas, häufig mit dem Samen des späteren Vaters, manchmal auch mit der Eizelle der späteren Mutter. Oft trägt die Leihmutter jedoch auch ein eigenes, mit dem Sperma des Partners der anderen Frau befruchtetes Ei aus.
Um die Chance zu erhöhen, dass sich eine befruchtete Eizelle auch tatsächlich einnistet, werden der Leihmutter oft auch zwei Embryonen eingepflanzt. Deswegen kommt es bei der Leihmutterschaft oft auch zu Zwillingsgeburten.
Lisa Müller ist in den letzten Wochen vor der Geburt nach Chicago geflogen und hat bei den Robbins mitgelebt, um Helen und deren Familie zu unterstützen. Als die Zwillinge per Kaiserschnitt auf die Welt geholt wurden, waren die Müllers mit im Kreißsaal. Wenn Lisa Müller heute an den Moment denkt, schießen ihr Tränen in die Augen. Auch Helen Robbins bricht die Stimme bei der Erinnerung an den Moment, als sie die Neugeborenen das erste Mal in den Armen ihrer Eltern sah.
"Ich werde bei dem Gedanken immer noch emotional, es ist aber auch eine so tolle Erfahrung, sie zu sehen, eine vollständige Familie, und du kannst dir sagen: Ich habe dazu beigetragen, dass es diese Familie gibt. Es ist einfach atemberaubend, und du weißt, dass es all die harte Arbeit wert war."
In Deutschland werden etwa 660.000 Kinder im Jahr geboren, rund 4.000 Kinder werden adoptiert. Offizielle Zahlen zu Kindern von Deutschen, die über den Weg einer Leihmutterschaft im Ausland auf die Welt kommen, gibt es nicht. Denn die meisten Eltern gehen aufgrund der juristisch heiklen Lage damit nur ungern an die Öffentlichkeit.
Der Ulmer Thomas Oberhäuser ist einer von drei Rechtsanwälten in Deutschland, die Paare juristisch beraten, die eine Leihmutter im Ausland suchen. Er schätzt, dass im Jahr zwischen 50 und 100 Paaren diese besondere Dienstleistung in Anspruch nehmen.
"Leihmutterschaft als solche ist in Deutschland verboten, und das ist auch relativ eindeutig, niemand darf mitwirken an der Verbringung von Eizellen in die Gebärmutter einer Ersatzmutter, Ärzte machen sich strafbar und auch alle sonstigen Personen, die mit der Vermittlung zu tun haben. Nicht strafbar sind die Eltern und die Leihmutter und natürlich das Kind."
Insbesondere in Osteuropa, in Indien und den USA gibt es einen regelrechten Markt für Leihmutterschaft. Allein in Amerika werden Schätzungen zufolge jährlich 6000 Kinder von Leihmüttern zur Welt gebracht. Das kostet ein Kinderwunschpaar in der Regel Beträge ab 80.000 Euro aufwärts, in Indien und der Ukraine lässt sich ein Mutterbauch schon für ein Zehntel dieses Preises mieten.
"Wenn man als Deutsche im Ausland eine Leihmutter findet und beauftragt, dann macht man sich dadurch nicht strafbar,"
erklärt Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser. Aber vor allem bei Leihmutterschaften, die in Nicht-EU-Staaten ausgetragen werden, könne es große zivilrechtliche Probleme geben.
"Wenn jemand im Ausland eine Leihmutter engagiert und ein Kind zur Welt kommt, versucht die deutsche Regierung weitgehend jede Mitwirkung an der Anerkennung eines solchen Kindes zu verweigern. Und das hat zur Folge, dass solche Kinder, wenn sie nicht als Deutsche anerkannt werden, auch ein Problem haben, nach Deutschland zu kommen."
So hatte ein bayerisches Paar zwei Jahre darauf warten müssen, dass seinen im Jahr 2008 von einer indischen Leihmutter geborenen Zwillingen Visa für die Einreise nach Deutschland ausgestellt wurden. Etliche juristische Kämpfe hatten sie dafür ausfechten müssen. Der Fall löste eine Welle der Empörung aus. Viele Kinderwunschpaare wenden sich seitdem vorher an Rechtsanwälte wie Thomas Oberhäuser, um zu erfahren, wie sie solchen Komplikationen entgehen können.
Die ethisch-moralische Bewertung von Leihmutterschaften ist weithin umstritten. Besonders die katholische Kirche hat mit dieser Form der Elternschaft ihre Schwierigkeiten. So heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche aus dem Jahr 1997:
Techniken, die durch das Einschalten einer dritten Person (Ei- oder Samenspende, Leihmutterschaft) die Gemeinsamkeit der Elternschaft auflösen, sind äußerst verwerflich. Diese Techniken verletzen das Recht des Kindes, von einem Vater und einer Mutter abzustammen, die es kennt und die miteinander ehelich verbunden sind. Sie verletzen ebenso das Recht beider Eheleute, "dass der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird".
Hille Haker ist katholische Moraltheologin und Professorin am Ethik-Lehrstuhl der Loyola University Chicago. Sie ist spezialisiert auf Medizin- und Bioethik, hat die Bundesärztekammer beraten und ist auch Mitglied der Ethikberatergruppe der Europäischen Kommission. Im Kontakt mit Paaren, die über Leihmutterschaft nachdenken, sieht sie ihre Aufgabe nicht darin, Verbote vorzutragen. Sie diskutiert mit den Paaren über deren Beweggründe. Und bringt als Ethikerin auch die Perspektiven der übrigen Beteiligten in die Gespräche ein. Denn nicht nur die Wunscheltern sind ja betroffen.
"Was ich höre, ist: Der Kinderwunsch wird allgemein als ein Anspruchsrecht anerkannt, weil Kinder zumindest theoretisch einen hohen Status genießen. Die Paare sagen: Die Technologien sind verfügbar, es gibt verschiedene nationale Regulierungen, aber die sind nur begrenzt anwendbar, weil man ja reisen kann, nach Bulgarien, in die USA, nach Indien usw. Und ich höre, dass es eigentlich etwas gibt bei den Paaren, was ich Unschuldsbewusstsein nennen möchte. Sie sehen sich in die Ecke gedrängt durch das deutsche Recht und legitimiert durch die internationalen Praktiken."
Die ethische Konstellation, in der sich alle Beteiligten bei einer Leihmutterschaft befinden, beschreibt die Theologin als ein Dreieck.
"Ich habe die Rechte der Kinderwunschpaare, ihren Leidensweg, die Rechte der Leihmütter, die diese unter Umständen veräußern, weil sie Geld verdienen wollen/müssen. Und ich habe die Rechte der Kinder, der Embryonen, Lebensrechte und die Herkunftsrechte der Kinder, die dann geboren werden."
Vor allem setzt sich Hille Haker auch mit den Rechten der Leihmutter auseinander.
"Zunächst einmal gibt sie natürlich, wenn man so will, ein Gesundheitsrecht auf. Jede Schwangerschaft ist ein Risiko. Sie muss, wenn sie als Leihmutter sich verdingt, eine Hormonbehandlung über sich ergehen lassen. Sie muss ein Kind neun Monate lang austragen – es ist fast unmöglich, in dieser Zeit nicht eine Beziehung aufzubauen – und die muss sie nach der Geburt kappen und das Kind aufgeben."
Berichte von Frauenrechtsorganisationen über die Lebensbedingungen etwa indischer Leihmütter scheinen diese Bedenken nur allzu sehr zu bestätigen. Die Frauen leben zum Teil in eigenen Leihmütterherbergen, in denen ihr Alltag genau kontrolliert wird. So soll sichergestellt werden, dass die Schwangerschaft genau nach den Wünschen der Auftragseltern abläuft. Die Leihmütter entstammen vielfach der Unterschicht. Andere Frauen, so Aussagen von Ärztinnen aus den Leihmutterkliniken Mumbais, würden kaum mehrere Monate lang teils schmerzhafte Hormoninjektionen über sich ergehen lassen. Die englischen Verträge, die den Frauen zur Unterschrift vorgelegt werden, verstehen diese meist nicht. Übersetzungen werden nicht angefertigt.
Die Frauen verpflichten sich vertraglich, das Kind, das sie austragen, nach der Geburt abzugeben und hören meist nie wieder etwas von ihm oder den Kinderwunscheltern. Kritiker bezeichnen diese Form der Leihmutterschaft als moderne Form der Sklaverei.
Dass es – siehe Lisa Müller und Helen Robbins – auch andere Arten des Umgangs mit Leihmutterschaft gibt, führt bei der Theologin Hille Haker aber nicht zu einem grundsätzlich anderen Urteil über diese Form des Kinderkriegens.
"Unter der Sonne ist viel möglich, es gibt auch unterschiedliche Interpretationen, wenn man sehr stark argumentiert, dann sagt man, das ist natürlich eine Verdinglichung, die hier stattfindet, aber auf Basis von Freiwilligkeit. Es gibt jetzt ganz große basiert, große Diskussionen darüber, wie man diese Freiwilligkeit deuten soll. Es gibt feministische Ethikerinnen, die sagen: Diese Freiwilligkeit ist eine Pseudofreiwilligkeit, weil die Leihmütter meistens doch das Geld brauchen, zum Beispiel um ihre eigenen Kinder durchzubringen, durchzubekommen oder ihnen die Bildung zu ermöglichen usw. Es gibt aber auch Autoren oder Autorinnen, die diese Freiwilligkeit zunächst einmal konstatieren und sagen: Wenn jemand einen Vertrag schließt, zum Beispiel, dann ist die Frau an diesen Vertrag auch gebunden, sie weiß, worauf sie sich einlässt, es müssen nur Verfahrensregeln eingehalten werden. Ich selber meine, dass es nicht wegzudiskutieren ist, dass hier Frauen, wenn man so will, benutzt werden – das ist ein starkes Wort –, um jemand anders zu ermöglichen, ein Kind zu bekommen. "
Auch Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser hatte, wie er selbst bekennt, "Bauchschmerzen", als ihn ein Paar das erste Mal um juristischen Beistand bei einer Leihmutterschaft bat.
"Dann hab ich die ersten Erfahrungen gemacht mit den Menschen, die das tun. Alle Menschen, die das machen, haben davor schon sehr viele Schritte unternommen. Es ist der letzte Schritt, natürlich auch der teuerste, das macht keiner leichtfertig, unbedacht, das macht keiner unter Hinnahme von Leiden anderer. "
Heute betrachtet der Jurist die Frage stärker unter dem Gesichtspunkt von Angebot und Nachfrage.
"Wenn jemand, der nicht vor dem Hungertod steht, sich bereitfindet, seinen Körper zur Verfügung zu stellen, dann ist das erst einmal eine höchstpersönliche Entscheidung, die man respektieren muss. Man kann natürlich sagen, das ist so sittenwidrig in unseren Augen, dass wir auch Personen, die das freiwillig machen wollen, entmündigen und sagen: Das dürft ihr nicht tun, aber – mei – wo fängt das an, wo hört das auf?"
"Wir haben am Beispiel der Leihmutterschaft das spannende Phänomen – spannend, weil es in sich so etwas widersprüchlich ist: Einerseits wird das klassische biologische Verständnis herabgestuft zu sagen, Mutter ist eben Mutter, diejenige, die gebärt, und man ersetzt das gleichsam durch die Leihmutterschaft. Und andererseits gibt es aber dann ein starkes Interesse, dass es doch das eigene Kind sein soll. Also es soll dann wenigstens Spermium und Eizelle des Paares sein, oder wenn das eine nicht geht, dann kommen Ei- und Samenspende hinzu. Aber irgendwie so eine biologische Identität, an der wollen viele festhalten. Und das führt uns in dieses spannungsreiche Feld – einerseits gibt es etwas natürlich Biologisches, das auch unter diesen modernen Bedingungen für viele wichtig ist. Und andererseits wird das dann gleichzeitig so getan, als spielt es überhaupt keine Rolle, wenn man eben sagt: Na gut, natürliche Mutter ist es nicht, es gibt eine soziale Mutter und eine, die es halt austrägt."
Klaus Tanner ist Ordinarius für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Heidelberg und Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission der Bundesregierung für Stammzellforschung. Von Hause aus protestantischer Theologe, weist Tanner darauf hin, dass Leihmutterschaft auch zu alttestamentarischen Zeiten schon vorkam.
"Genesis 16, im ersten Buch Mose, wird beschrieben, wie Abraham – nun, seine Frau kann keine Kinder mehr bekommen, und die Frau sagt ihm: Geh zur ägyptischen Magd! Und dann zeugen die ein Kind zusammen. Fortpflanzung, Kinder Bekommen ist also was sehr Wichtiges und wird höher bewertet hier als die Frage, ist es die leibliche Mutter, ja oder nein."
Doch auch Klaus Tanner hat viele ethische Anfragen an das Thema Leihmutterschaft. Er glaubt nicht, dass dem Recht des Kindes, zu wissen, auf welche Weise es entstanden ist und wie es auf die Welt kam, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle genüge getan wird.
"Wir wissen aus den wenigen Studien, die es gibt zu dem Problem, dass manche Eltern sehr zögerlich sind, ihre Kinder darüber aufzuklären, dass zum Beispiel da Samenspender dabei ist oder dass ne Eizellspende, und bei der Leihmutterschaft wird’s dann vergleichbar sein. Also man sieht, es ist ein sensibler Punkt – Identitätsbildung und Wissen um die Herkunft."
Tanner weiß auch, wie schnell ethische Gesichtspunkte bei Paaren in den Hintergrund treten können, wenn der Wunsch nach einem Kind übergroß wird. Leihmutterschaft gesetzlich zu verbieten, hält der Theologe allerdings für den falschen Weg.
"In den ganzen Bereichen, wo es um Fortpflanzung/Sexualethik geht, können Sie mit strafrechtlichen Verboten begrenzt nur etwas bewirken. Strafgesetze sind Signale – das wollen wir als Gesellschaft, das wollen wir nicht, z. B. bei der Abtreibung. Gleichwohl kann es immer Konfliktsituationen geben, wo man sagt: Das ist nicht ethisch gewollt, dass man abtreibt. Aber es kann Konfliktsituationen geben, wo das dann auch ein zu rechtfertigender Weg ist."
Ethische Bedenken hat Klaus Tanner vor allem, wenn er an Leihmütter in besonders armen Ländern denkt. Dann ist der finanzielle Druck enorm und der Körper oft das einzige Kapital der Frauen, um Armut und Not zu entkommen. Von einer selbstbestimmten Entscheidung, sich als Leihmutter zur Verfügung zu stellen, könne in solchen Fällen kaum die Rede sein.
Für Deutschland ruft Klaus Tanner nach einer Regelung, die für alle Beteiligten mit sehr viel weniger Risiken behaftet sein müsse. Der Leihmutter müsse im Sinne der Autonomie auch das Recht eingeräumt werden, sich noch nach der Geburt dafür zu entscheiden, das Kind, das sie ausgetragen hat, bei sich zu behalten.
Außerdem solle eine Beratungspflicht etabliert werden. Dabei müsse auch zur Sprache kommen, dass Hoffnungen leicht enttäuscht werden können. Die Erfolgsquote bei der In-vitro-Fertilisation, jener Methode, mit der bei der Leihmutterschaft gewöhnlich die Befruchtung herbeigeführt wird, liegt gerade einmal bei 20 Prozent.
"Insofern muss man dann auch noch mal die Diskussion führen: Hängt das Lebensglück tatsächlich daran, dass man Kinder bekommt, oder gibt es auch andere Wege? Deswegen auch die Beratung. Wenn dann eine Frau, ein Paar zu der Entscheidung kommt, dass sie doch den Weg gehen wollen, dann lieber in einem geordneten Bereich als über Schwarzmarktwege."
Doch Klaus Tanner ist noch ein weiterer Aspekt wichtig: Weil nur Paare, die das nötige Kleingeld haben, den Weg über das Ausland gehen können, geht es auch um das Thema Gerechtigkeit:
"Wer kann sich das leisten? Natürlich ist das ein Mittel- und Oberschichtphänomen, und die einfache Frau, die das Geld nicht hat, in die USA zu reisen, kann das nicht, das ist ethisch problematisch."
Leihmutter Helen Robbins war es wichtig, dass der Kontakt zu den Kindern, die sie ausgetragen hat, nicht abreißt. Den Wunsch, die Zwillinge schließlich doch nicht an Lisa Müller abzugeben, sondern sie bei sich zu behalten, habe sie aber zu keinem Zeitpunkt gehabt.
"Das wäre egoistisch, ich wusste doch, sie werden wieder nach Hause fahren und dort ihr Leben leben. Ich wusste, dass sie Familie haben und Freunde, die sie begrüßen und nach Hause bringen werden. Ich habe der Familie also nur gesagt: Schreibt mir einfach Mails, schickt mir Fotos, haltet mich auf dem Laufenden, wie es ihnen geht. Ich will es einfach wissen. Und so haben sie's gemacht, und wir haben ein wunderbares Verhältnis."
Helen Robbins hat nach den Zwillingen für die Müllers noch ein Zwillingspärchen ausgetragen, für ein anderes Kinderwunschpaar. Heute ist Helen 29. Nun habe sie genug, sagt sie.
"Es ist schon hart für den Körper, und ich weiß, wann ich genug habe, und mein Körper hat mir gesagt: Du hast genug. Ich habe ein gutes Gefühl bei diesem Abenteuer, der Leihmutterschaft. Ich denke, wenn du es aus den richtigen Gründen tust, kommst du zu faszinierenden Ergebnissen."
Zur Taufe der Zwillinge von Lisa Müller ist Helen Robbins mit der ganzen Familie nach Deutschland gereist. Es war ein frohes Wiedersehen, den Robbins schlug der Dank von Großeltern, Freunden und Verwandten entgegen, die alle um Helens Rolle bei Schwangerschaft und Geburt der Kinder wissen. Und auch die Zwillinge wissen heute, wer Helen Robbins ist. Durch den Kontakt, den die Müllers mit den Robbins in den USA pflegen, sei das in der Familie seit jeher Thema gewesen, sagt Lisa Müller.
Die beiden Kinder haben auf die Besonderheit in den ersten neun Monaten ihres Daseins unterschiedlich reagiert. Das Mädchen habe es zur Kenntnis genommen, es scheine sie aber nicht sonderlich zu interessieren.
"Der Junge ist da etwas neugieriger und fragt nach, erzählt auch jedem, der es nicht wissen möchte, wo er herkommt. Er sagt dann, dass er noch eine Mama in Amerika hat, er war erst in Mamas Bauch, dann in der anderen Mamas Bauch, und geht damit ganz offen um."
"Das sind die beiden, die gerade im Kindergarten sind. Zwillinge, lebenslustig, Junge und Mädchen, das Mädchen sieht aus wie ich und der Junge sieht aus wie sein Papa. Sie haben leider auch die Ohren der Großmutter geerbt und er das Temperament seines Großvaters."
Lisa Müller ist 42 Jahre alt. Sie ist die genetische Mutter der beiden. Doch geboren wurden die Zwillinge von einer US-Amerikanerin. Einer Leihmutter. Das ist nicht illegal in Deutschland, aber für alle Beteiligten legal ist es auch nicht. Deswegen ist Lisa Müller auch nicht ihr richtiger Name.
"Mir wurde die Gebärmutter entfernt, als ich 30 Jahre alt war, und ich wusste um die Möglichkeit der Leihmutterschaft aufgrund des Erhalts meiner Eierstöcke. Nachdem wir bei dem örtlichen Jugendamt relativ rasch erfahren haben, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu adoptieren sehr, sehr gering ist, denn auf ein zu adoptierendes Kind kommen bis zu zehn adoptionswillige Paare, haben wir für uns überlegt, dass wir den Weg der Leihmutterschaft versuchen. Und zunächst war es eben so, dass meine Schwester, die selbst ein Kind damals hatte, uns das angeboten hat, ein Kind für uns auszutragen. Das wurde dann relativ schnell aber wieder verworfen, weil ihr Kinderwunsch noch nicht abgeschlossen war. Und dann haben wir uns eben auf die Suche gemacht nach einem Land, in dem Leihmutterschaft legal ist und auch rechtlich geregelt ist. Und dann sind wir relativ schnell darauf gekommen, dass für uns ausschließlich und alleine die USA in Frage kommt. "
Die Entscheidung fiel auch deshalb auf die USA, weil die missliche soziale Lage von Leihmüttern in anderen Ländern rund um den Globus nicht den Vorstellungen von Lisa Müller und ihrem Partner entsprach.
"Wir wollten jemanden, der das zunächst aus altruistischen Beweggründen heraus macht, nicht aus einer finanziellen Notlage heraus. Und was uns auch ganz, ganz wichtig war, ist, dass wir mit ihr kommunizieren konnten, dass wir Kontakt zu ihr halten können."
Die Müllers recherchierten im Internet nach einer Agentur, die ihnen eine Leihmutter vermitteln würde können. In Kalifornien sollte sie sein – der US-Bundesstaat mit der liberalsten Leihmutterschaft-Gesetzgebung. Hier werden die Wunscheltern sofort als Mutter und Vater in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen. Über Internetforen lernten die Müllers ein Schweizer Paar kennen, das ihnen eine Agentur empfahl – heute weiß Lisa Müller, dass das Paar dafür eine Provision erhielt.
Mit der Leistung der Agentur ist sie auch heute noch zufrieden. Von den etwa 100.000 Dollar, die die Müllers für das ganze Verfahren inklusive aller Reisekosten bezahlten, bekam die Agentur rund 12.000 Dollar.
Die Hauptaufgabe der Agenturen besteht darin, die Leihmütter zu vermitteln. Vielfach stehen die Agenturen den kinderlosen Paaren aber auch vom ersten Beratungsgespräch bis zur Ausreise mit dem Kind zur Seite.
Den Müllers wurden von ihrer Agentur Fotos mit Kurzprofilen von Leihmüttern zugeschickt. Die Wahl des deutschen Paares fiel auf eine 23-jährige Frau, die in dieser Sendung Helen Robbins heißen soll.
"Sie war unglaublich sympathisch, strahlte eine wahnsinnige Lebensfreude aus, sodass wir sagten: Das ist sie. Wir wussten von ihr kaum etwas, wir wussten, dass sie zwei Kinder hat, verheiratet ist, mehr nicht."
Auf Anhieb, so berichtet die Deutsche, habe man sich gut verstanden. Für Helen Robbins standen daraufhin in den USA zahlreiche medizinische Untersuchungen an. Blutuntersuchungen, ein Screening auf Vorerkrankungen und, wie Lisa Müller erklärt:
"Sie wurde vom Psychiater untersucht, auf Leihmutterschaft hin geprüft, falls man das so sagen kann. Sie hatte einen Test und ein Gespräch mit einer Psychologin, darin wurde ihr klar gemacht, dass sie auch ein gewisses Risiko eingeht, wie bei jeder Schwangerschaft. Es wurde geprüft, inwieweit sie das aus freien Stücken tut. Nicht aus einer misslichen Situation heraus. Die Familienplanung musste abgeschlossen sein, ihr Mann wurde ebenso psychologisch untersucht und auch medizinisch auf Krankheiten sowie ich und mein Mann auch, das war uns auch wichtig, dass eine gewisse Sicherheit sowohl für uns wie auch für die Leihmutter da ist."
Auch von der Familie von Helen Robbins hängt ein Foto im Wohnzimmer der Müllers. Sie stehen heute noch im regen Kontakt miteinander. Die Robbins leben in Chicago. Mit dem Thema Leihmutterschaft hatte sich Helen Robbins beschäftigt, weil in den US-amerikanischen Medien das Thema immer wieder rege diskutiert wurde. Frauen traten im Fernsehen auf, die von ihren Gefühlen berichteten, keine Kinder bekommen zu können. Das berührte die junge amerikanische Mutter Helen Robbins.
"Ich sagte zu meinem Mann: Das könnte ich eigentlich machen. Es ist gut, jemandem zu helfen, Eltern zu werden. Wir hatten ja schon zwei Kinder, das ist eine große Freude – und ich wollte jemand anderem die Chance geben, das auch zu erleben."
Dass sie für ihr Engagement relativ viel Geld erhalten würde, habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt, erklärt die US-Amerikanerin.
"Ich arbeite, ich bin Mutter, mein Mann arbeitet. Unsere finanzielle Situation ist stabil. Natürlich, meine Kinder haben Hobbys, wir reisen. Aber ich brauchte das Geld überhaupt nicht! Ich weiß, dass das für einige Leihmütter sehr wichtig ist. Und einige bekommen auch zu viel Geld dafür. Ich finde, keiner sollte Unsummen dafür zahlen müssen. Nein, das Geld hat für mich keine große Rolle gespielt."
Als sie sich an eine Agentur gewandt habe, die ihr von einer Bekannten empfohlen worden war, habe sie nicht gewusst, wie viel Honorar sie von den Kinderwunscheltern erhalten würde. Erst als man zusammengesessen habe, sei darüber gesprochen worden. 40.000 Dollar waren es schließlich, die Helen Robbins für die Leihmutterschaft erhielt. Den Vertrag handelten die beiden Anwälte aus, die Müllers von ihrer Agentur empfohlen bekamen: ein Anwalt für Helen Robbins, einer für das Ehepaar Müller.
Aber warum hat sich Helen Robbins dieser Belastung, den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und eventuellen Gefährdungen ausgesetzt? Zwillinge auszutragen ist schließlich, wie Helen Robbins es selbst formuliert, kein Urlaub:
"Das wird als Risikoschwangerschaft eingestuft, man hat eine Menge Arzttermine, und ich musste wirklich sehr auf mich aufpassen, um sicherzustellen, dass mein Körper damit zurechtkam."
Bei einer Leihmutterschaft wird der Leihmutter eine künstlich befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eingesetzt. Die Befruchtung erfolgt im Reagenzglas, häufig mit dem Samen des späteren Vaters, manchmal auch mit der Eizelle der späteren Mutter. Oft trägt die Leihmutter jedoch auch ein eigenes, mit dem Sperma des Partners der anderen Frau befruchtetes Ei aus.
Um die Chance zu erhöhen, dass sich eine befruchtete Eizelle auch tatsächlich einnistet, werden der Leihmutter oft auch zwei Embryonen eingepflanzt. Deswegen kommt es bei der Leihmutterschaft oft auch zu Zwillingsgeburten.
Lisa Müller ist in den letzten Wochen vor der Geburt nach Chicago geflogen und hat bei den Robbins mitgelebt, um Helen und deren Familie zu unterstützen. Als die Zwillinge per Kaiserschnitt auf die Welt geholt wurden, waren die Müllers mit im Kreißsaal. Wenn Lisa Müller heute an den Moment denkt, schießen ihr Tränen in die Augen. Auch Helen Robbins bricht die Stimme bei der Erinnerung an den Moment, als sie die Neugeborenen das erste Mal in den Armen ihrer Eltern sah.
"Ich werde bei dem Gedanken immer noch emotional, es ist aber auch eine so tolle Erfahrung, sie zu sehen, eine vollständige Familie, und du kannst dir sagen: Ich habe dazu beigetragen, dass es diese Familie gibt. Es ist einfach atemberaubend, und du weißt, dass es all die harte Arbeit wert war."
In Deutschland werden etwa 660.000 Kinder im Jahr geboren, rund 4.000 Kinder werden adoptiert. Offizielle Zahlen zu Kindern von Deutschen, die über den Weg einer Leihmutterschaft im Ausland auf die Welt kommen, gibt es nicht. Denn die meisten Eltern gehen aufgrund der juristisch heiklen Lage damit nur ungern an die Öffentlichkeit.
Der Ulmer Thomas Oberhäuser ist einer von drei Rechtsanwälten in Deutschland, die Paare juristisch beraten, die eine Leihmutter im Ausland suchen. Er schätzt, dass im Jahr zwischen 50 und 100 Paaren diese besondere Dienstleistung in Anspruch nehmen.
"Leihmutterschaft als solche ist in Deutschland verboten, und das ist auch relativ eindeutig, niemand darf mitwirken an der Verbringung von Eizellen in die Gebärmutter einer Ersatzmutter, Ärzte machen sich strafbar und auch alle sonstigen Personen, die mit der Vermittlung zu tun haben. Nicht strafbar sind die Eltern und die Leihmutter und natürlich das Kind."
Insbesondere in Osteuropa, in Indien und den USA gibt es einen regelrechten Markt für Leihmutterschaft. Allein in Amerika werden Schätzungen zufolge jährlich 6000 Kinder von Leihmüttern zur Welt gebracht. Das kostet ein Kinderwunschpaar in der Regel Beträge ab 80.000 Euro aufwärts, in Indien und der Ukraine lässt sich ein Mutterbauch schon für ein Zehntel dieses Preises mieten.
"Wenn man als Deutsche im Ausland eine Leihmutter findet und beauftragt, dann macht man sich dadurch nicht strafbar,"
erklärt Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser. Aber vor allem bei Leihmutterschaften, die in Nicht-EU-Staaten ausgetragen werden, könne es große zivilrechtliche Probleme geben.
"Wenn jemand im Ausland eine Leihmutter engagiert und ein Kind zur Welt kommt, versucht die deutsche Regierung weitgehend jede Mitwirkung an der Anerkennung eines solchen Kindes zu verweigern. Und das hat zur Folge, dass solche Kinder, wenn sie nicht als Deutsche anerkannt werden, auch ein Problem haben, nach Deutschland zu kommen."
So hatte ein bayerisches Paar zwei Jahre darauf warten müssen, dass seinen im Jahr 2008 von einer indischen Leihmutter geborenen Zwillingen Visa für die Einreise nach Deutschland ausgestellt wurden. Etliche juristische Kämpfe hatten sie dafür ausfechten müssen. Der Fall löste eine Welle der Empörung aus. Viele Kinderwunschpaare wenden sich seitdem vorher an Rechtsanwälte wie Thomas Oberhäuser, um zu erfahren, wie sie solchen Komplikationen entgehen können.
Die ethisch-moralische Bewertung von Leihmutterschaften ist weithin umstritten. Besonders die katholische Kirche hat mit dieser Form der Elternschaft ihre Schwierigkeiten. So heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche aus dem Jahr 1997:
Techniken, die durch das Einschalten einer dritten Person (Ei- oder Samenspende, Leihmutterschaft) die Gemeinsamkeit der Elternschaft auflösen, sind äußerst verwerflich. Diese Techniken verletzen das Recht des Kindes, von einem Vater und einer Mutter abzustammen, die es kennt und die miteinander ehelich verbunden sind. Sie verletzen ebenso das Recht beider Eheleute, "dass der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird".
Hille Haker ist katholische Moraltheologin und Professorin am Ethik-Lehrstuhl der Loyola University Chicago. Sie ist spezialisiert auf Medizin- und Bioethik, hat die Bundesärztekammer beraten und ist auch Mitglied der Ethikberatergruppe der Europäischen Kommission. Im Kontakt mit Paaren, die über Leihmutterschaft nachdenken, sieht sie ihre Aufgabe nicht darin, Verbote vorzutragen. Sie diskutiert mit den Paaren über deren Beweggründe. Und bringt als Ethikerin auch die Perspektiven der übrigen Beteiligten in die Gespräche ein. Denn nicht nur die Wunscheltern sind ja betroffen.
"Was ich höre, ist: Der Kinderwunsch wird allgemein als ein Anspruchsrecht anerkannt, weil Kinder zumindest theoretisch einen hohen Status genießen. Die Paare sagen: Die Technologien sind verfügbar, es gibt verschiedene nationale Regulierungen, aber die sind nur begrenzt anwendbar, weil man ja reisen kann, nach Bulgarien, in die USA, nach Indien usw. Und ich höre, dass es eigentlich etwas gibt bei den Paaren, was ich Unschuldsbewusstsein nennen möchte. Sie sehen sich in die Ecke gedrängt durch das deutsche Recht und legitimiert durch die internationalen Praktiken."
Die ethische Konstellation, in der sich alle Beteiligten bei einer Leihmutterschaft befinden, beschreibt die Theologin als ein Dreieck.
"Ich habe die Rechte der Kinderwunschpaare, ihren Leidensweg, die Rechte der Leihmütter, die diese unter Umständen veräußern, weil sie Geld verdienen wollen/müssen. Und ich habe die Rechte der Kinder, der Embryonen, Lebensrechte und die Herkunftsrechte der Kinder, die dann geboren werden."
Vor allem setzt sich Hille Haker auch mit den Rechten der Leihmutter auseinander.
"Zunächst einmal gibt sie natürlich, wenn man so will, ein Gesundheitsrecht auf. Jede Schwangerschaft ist ein Risiko. Sie muss, wenn sie als Leihmutter sich verdingt, eine Hormonbehandlung über sich ergehen lassen. Sie muss ein Kind neun Monate lang austragen – es ist fast unmöglich, in dieser Zeit nicht eine Beziehung aufzubauen – und die muss sie nach der Geburt kappen und das Kind aufgeben."
Berichte von Frauenrechtsorganisationen über die Lebensbedingungen etwa indischer Leihmütter scheinen diese Bedenken nur allzu sehr zu bestätigen. Die Frauen leben zum Teil in eigenen Leihmütterherbergen, in denen ihr Alltag genau kontrolliert wird. So soll sichergestellt werden, dass die Schwangerschaft genau nach den Wünschen der Auftragseltern abläuft. Die Leihmütter entstammen vielfach der Unterschicht. Andere Frauen, so Aussagen von Ärztinnen aus den Leihmutterkliniken Mumbais, würden kaum mehrere Monate lang teils schmerzhafte Hormoninjektionen über sich ergehen lassen. Die englischen Verträge, die den Frauen zur Unterschrift vorgelegt werden, verstehen diese meist nicht. Übersetzungen werden nicht angefertigt.
Die Frauen verpflichten sich vertraglich, das Kind, das sie austragen, nach der Geburt abzugeben und hören meist nie wieder etwas von ihm oder den Kinderwunscheltern. Kritiker bezeichnen diese Form der Leihmutterschaft als moderne Form der Sklaverei.
Dass es – siehe Lisa Müller und Helen Robbins – auch andere Arten des Umgangs mit Leihmutterschaft gibt, führt bei der Theologin Hille Haker aber nicht zu einem grundsätzlich anderen Urteil über diese Form des Kinderkriegens.
"Unter der Sonne ist viel möglich, es gibt auch unterschiedliche Interpretationen, wenn man sehr stark argumentiert, dann sagt man, das ist natürlich eine Verdinglichung, die hier stattfindet, aber auf Basis von Freiwilligkeit. Es gibt jetzt ganz große basiert, große Diskussionen darüber, wie man diese Freiwilligkeit deuten soll. Es gibt feministische Ethikerinnen, die sagen: Diese Freiwilligkeit ist eine Pseudofreiwilligkeit, weil die Leihmütter meistens doch das Geld brauchen, zum Beispiel um ihre eigenen Kinder durchzubringen, durchzubekommen oder ihnen die Bildung zu ermöglichen usw. Es gibt aber auch Autoren oder Autorinnen, die diese Freiwilligkeit zunächst einmal konstatieren und sagen: Wenn jemand einen Vertrag schließt, zum Beispiel, dann ist die Frau an diesen Vertrag auch gebunden, sie weiß, worauf sie sich einlässt, es müssen nur Verfahrensregeln eingehalten werden. Ich selber meine, dass es nicht wegzudiskutieren ist, dass hier Frauen, wenn man so will, benutzt werden – das ist ein starkes Wort –, um jemand anders zu ermöglichen, ein Kind zu bekommen. "
Auch Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser hatte, wie er selbst bekennt, "Bauchschmerzen", als ihn ein Paar das erste Mal um juristischen Beistand bei einer Leihmutterschaft bat.
"Dann hab ich die ersten Erfahrungen gemacht mit den Menschen, die das tun. Alle Menschen, die das machen, haben davor schon sehr viele Schritte unternommen. Es ist der letzte Schritt, natürlich auch der teuerste, das macht keiner leichtfertig, unbedacht, das macht keiner unter Hinnahme von Leiden anderer. "
Heute betrachtet der Jurist die Frage stärker unter dem Gesichtspunkt von Angebot und Nachfrage.
"Wenn jemand, der nicht vor dem Hungertod steht, sich bereitfindet, seinen Körper zur Verfügung zu stellen, dann ist das erst einmal eine höchstpersönliche Entscheidung, die man respektieren muss. Man kann natürlich sagen, das ist so sittenwidrig in unseren Augen, dass wir auch Personen, die das freiwillig machen wollen, entmündigen und sagen: Das dürft ihr nicht tun, aber – mei – wo fängt das an, wo hört das auf?"
"Wir haben am Beispiel der Leihmutterschaft das spannende Phänomen – spannend, weil es in sich so etwas widersprüchlich ist: Einerseits wird das klassische biologische Verständnis herabgestuft zu sagen, Mutter ist eben Mutter, diejenige, die gebärt, und man ersetzt das gleichsam durch die Leihmutterschaft. Und andererseits gibt es aber dann ein starkes Interesse, dass es doch das eigene Kind sein soll. Also es soll dann wenigstens Spermium und Eizelle des Paares sein, oder wenn das eine nicht geht, dann kommen Ei- und Samenspende hinzu. Aber irgendwie so eine biologische Identität, an der wollen viele festhalten. Und das führt uns in dieses spannungsreiche Feld – einerseits gibt es etwas natürlich Biologisches, das auch unter diesen modernen Bedingungen für viele wichtig ist. Und andererseits wird das dann gleichzeitig so getan, als spielt es überhaupt keine Rolle, wenn man eben sagt: Na gut, natürliche Mutter ist es nicht, es gibt eine soziale Mutter und eine, die es halt austrägt."
Klaus Tanner ist Ordinarius für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Heidelberg und Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission der Bundesregierung für Stammzellforschung. Von Hause aus protestantischer Theologe, weist Tanner darauf hin, dass Leihmutterschaft auch zu alttestamentarischen Zeiten schon vorkam.
"Genesis 16, im ersten Buch Mose, wird beschrieben, wie Abraham – nun, seine Frau kann keine Kinder mehr bekommen, und die Frau sagt ihm: Geh zur ägyptischen Magd! Und dann zeugen die ein Kind zusammen. Fortpflanzung, Kinder Bekommen ist also was sehr Wichtiges und wird höher bewertet hier als die Frage, ist es die leibliche Mutter, ja oder nein."
Doch auch Klaus Tanner hat viele ethische Anfragen an das Thema Leihmutterschaft. Er glaubt nicht, dass dem Recht des Kindes, zu wissen, auf welche Weise es entstanden ist und wie es auf die Welt kam, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle genüge getan wird.
"Wir wissen aus den wenigen Studien, die es gibt zu dem Problem, dass manche Eltern sehr zögerlich sind, ihre Kinder darüber aufzuklären, dass zum Beispiel da Samenspender dabei ist oder dass ne Eizellspende, und bei der Leihmutterschaft wird’s dann vergleichbar sein. Also man sieht, es ist ein sensibler Punkt – Identitätsbildung und Wissen um die Herkunft."
Tanner weiß auch, wie schnell ethische Gesichtspunkte bei Paaren in den Hintergrund treten können, wenn der Wunsch nach einem Kind übergroß wird. Leihmutterschaft gesetzlich zu verbieten, hält der Theologe allerdings für den falschen Weg.
"In den ganzen Bereichen, wo es um Fortpflanzung/Sexualethik geht, können Sie mit strafrechtlichen Verboten begrenzt nur etwas bewirken. Strafgesetze sind Signale – das wollen wir als Gesellschaft, das wollen wir nicht, z. B. bei der Abtreibung. Gleichwohl kann es immer Konfliktsituationen geben, wo man sagt: Das ist nicht ethisch gewollt, dass man abtreibt. Aber es kann Konfliktsituationen geben, wo das dann auch ein zu rechtfertigender Weg ist."
Ethische Bedenken hat Klaus Tanner vor allem, wenn er an Leihmütter in besonders armen Ländern denkt. Dann ist der finanzielle Druck enorm und der Körper oft das einzige Kapital der Frauen, um Armut und Not zu entkommen. Von einer selbstbestimmten Entscheidung, sich als Leihmutter zur Verfügung zu stellen, könne in solchen Fällen kaum die Rede sein.
Für Deutschland ruft Klaus Tanner nach einer Regelung, die für alle Beteiligten mit sehr viel weniger Risiken behaftet sein müsse. Der Leihmutter müsse im Sinne der Autonomie auch das Recht eingeräumt werden, sich noch nach der Geburt dafür zu entscheiden, das Kind, das sie ausgetragen hat, bei sich zu behalten.
Außerdem solle eine Beratungspflicht etabliert werden. Dabei müsse auch zur Sprache kommen, dass Hoffnungen leicht enttäuscht werden können. Die Erfolgsquote bei der In-vitro-Fertilisation, jener Methode, mit der bei der Leihmutterschaft gewöhnlich die Befruchtung herbeigeführt wird, liegt gerade einmal bei 20 Prozent.
"Insofern muss man dann auch noch mal die Diskussion führen: Hängt das Lebensglück tatsächlich daran, dass man Kinder bekommt, oder gibt es auch andere Wege? Deswegen auch die Beratung. Wenn dann eine Frau, ein Paar zu der Entscheidung kommt, dass sie doch den Weg gehen wollen, dann lieber in einem geordneten Bereich als über Schwarzmarktwege."
Doch Klaus Tanner ist noch ein weiterer Aspekt wichtig: Weil nur Paare, die das nötige Kleingeld haben, den Weg über das Ausland gehen können, geht es auch um das Thema Gerechtigkeit:
"Wer kann sich das leisten? Natürlich ist das ein Mittel- und Oberschichtphänomen, und die einfache Frau, die das Geld nicht hat, in die USA zu reisen, kann das nicht, das ist ethisch problematisch."
Leihmutter Helen Robbins war es wichtig, dass der Kontakt zu den Kindern, die sie ausgetragen hat, nicht abreißt. Den Wunsch, die Zwillinge schließlich doch nicht an Lisa Müller abzugeben, sondern sie bei sich zu behalten, habe sie aber zu keinem Zeitpunkt gehabt.
"Das wäre egoistisch, ich wusste doch, sie werden wieder nach Hause fahren und dort ihr Leben leben. Ich wusste, dass sie Familie haben und Freunde, die sie begrüßen und nach Hause bringen werden. Ich habe der Familie also nur gesagt: Schreibt mir einfach Mails, schickt mir Fotos, haltet mich auf dem Laufenden, wie es ihnen geht. Ich will es einfach wissen. Und so haben sie's gemacht, und wir haben ein wunderbares Verhältnis."
Helen Robbins hat nach den Zwillingen für die Müllers noch ein Zwillingspärchen ausgetragen, für ein anderes Kinderwunschpaar. Heute ist Helen 29. Nun habe sie genug, sagt sie.
"Es ist schon hart für den Körper, und ich weiß, wann ich genug habe, und mein Körper hat mir gesagt: Du hast genug. Ich habe ein gutes Gefühl bei diesem Abenteuer, der Leihmutterschaft. Ich denke, wenn du es aus den richtigen Gründen tust, kommst du zu faszinierenden Ergebnissen."
Zur Taufe der Zwillinge von Lisa Müller ist Helen Robbins mit der ganzen Familie nach Deutschland gereist. Es war ein frohes Wiedersehen, den Robbins schlug der Dank von Großeltern, Freunden und Verwandten entgegen, die alle um Helens Rolle bei Schwangerschaft und Geburt der Kinder wissen. Und auch die Zwillinge wissen heute, wer Helen Robbins ist. Durch den Kontakt, den die Müllers mit den Robbins in den USA pflegen, sei das in der Familie seit jeher Thema gewesen, sagt Lisa Müller.
Die beiden Kinder haben auf die Besonderheit in den ersten neun Monaten ihres Daseins unterschiedlich reagiert. Das Mädchen habe es zur Kenntnis genommen, es scheine sie aber nicht sonderlich zu interessieren.
"Der Junge ist da etwas neugieriger und fragt nach, erzählt auch jedem, der es nicht wissen möchte, wo er herkommt. Er sagt dann, dass er noch eine Mama in Amerika hat, er war erst in Mamas Bauch, dann in der anderen Mamas Bauch, und geht damit ganz offen um."