Archiv


Der Gesamtkünstler

Karl Friedrich Schinkel war nicht nur der bedeutendste Architekt seiner Zeit, er arbeitete auch als Bühnenbildner, Designer und war ein außergewöhnlich begabter Maler. Eine Tagung im Schloss Neuhardenberg - übrigens auch ein Schinkel-Bau - versucht eine Revision unseres Schinkel-Bildes. Dies fordert auch der Architekturhistoriker Kurt Forster. Er möchte Berlins großen Architekten aus "seiner preußischen Isolation" herausführen.

Kurt Forster im Gespräch mit Katja Lückert |
    Katja Lückert: An den Architekturhistoriker Kurt Forster, die Frage: Es sollte eine Revision unseres Schinkel-Bildes versucht werden, Ihr Vortrag allerdings beschäftigte sich doch wieder mit Architektur, oder?

    Kurt Forster: Ja, er beschäftigt sich hauptsächlich mit der Publikation seiner eigenen Werke. Und das ist nun wirkliches Neuland. Denn wahlweise wurden auch früher schon von Architekten einzelne Werke publiziert oder man hat sich im Format des Lehrbuchs, im gelehrten Essay anderweitig ausgedrückt. Aber Schinkel erfindet eigentlich das neue moderne Modell der Architekturpublikation, das heißt, wenn er immer er wieder einige Werke verwirklicht hat, publiziert das in Fortsetzung. Für über 20 Jahre läuft diese Sammlung, drum heißt sie auch Sammlung. Das ist ja eigentlich ein Titel für eine periodische Publikation. Und statt nun sich nur grundsätzlich zu dem fachlichen Diskurs zu melden, projiziert er seine eigene Laufbahn in die Form der Publikation hinein. Das ist mein Thema. Aber es gibt natürlich eine ganze Reihe anderer Themen, die sich daran anschließen und die zum Teil eben diese Revision bewirken, und das gehört zu dem Gesamten der letzten Jahre, dass Schinkel aus seiner preußischen Isolation etwas herausgeklopft wird. Immerhin war er ein weitgereister Mann, vom Baltikum bis nach Paris, von Sizilien bis nach Schottland, und war ja auch tätig in noch mehr Ländern, in Polen für den Zaren von Russland und so weiter.

    Lückert: Was können wir denn über Schinkel Neues lernen? Er war Bühnenbildner, er war Maler. Was hat er gemalt? Was waren seine Themen?

    Forster: Seine Themen haben eine gewisse oberflächliche Ähnlichkeit mit den geläufigen Themen wie zum Beispiel diejenigen, die Caspar David Friedrich, teils Runge und andere Maler seiner Zeit behandelt haben. Jedenfalls ist es so, dass er allen diesen vertrauten Themen doch immer wieder eine ganz bestimmte einmalige Richtung verleiht, denn er ist Architekt und Maler. Er ist ja auch Beamter und Lehrer. Er ist Experte und Publizist. Er schaukelt sozusagen durch die verschiedenen, zum Teil ja noch unbewanderten Gebiete der architektonischen Neuzeit und dabei gelingt es ihm, Architektur als etwas darzustellen, was man nicht unbedingt vorher aus der Art und Weise, wie die Architekten ihre Werke dargestellt haben, verstehen konnte. Er macht anschaulich, er findet Methoden bildlich einem nahezubringen, worum es ihm in der Architektur geht. Und dazu muss natürlich Zeichner und Maler sein.

    Lückert: Und warum jetzt diese Tagung. War man sich dieses Universalisten Schinkel nicht so bewusst bisher?

    Forster: Eigentlich nicht. Ich glaube, man hat ihn immer aufgespalten in verschiedene Phasen seines eigenen Lebens, in verschiedene Tätigkeitsbereiche. Aber das Bild dieser lebendigen Figur, die ja irgendwie auch imstande sein musste, mit einem unheimlichen Aufwand an persönlicher Kraft und Energie, mit einem Einfallsreichtum, von dem jeder immer nur wieder ein Stückchen abbekam, das hat man jetzt in jüngster Zeit als das verstanden, was es ist, ein wirkliches Phänomen, das ja in vieler Hinsicht seine Fortsetzung erst in den folgenden Generationen gefunden hat.

    Lückert: Und wie ist er selber mit den verschiedenen Seelen in seiner Brust zurechtgekommen?

    Forster: Ja, mit den natürlich vorhersehbaren Schwierigkeiten. Er litt an noch exzessiv hohem Blutdruck, er wurde durch einen Schlaganfall für die letzten 13 Monate seines Lebens dann niedergestreckt und war ja nur 60 Jahre alt, als er starb, hat sich im Sinne des Wortes überarbeitet. Aber das war nun wiederum nur möglich, weil er einen unglaublichen Enthusiasmus, eine Begeisterung und auch eine außerordentliche ethische Fähigkeit besaß, sich den Dingen vollkommen zu widmen, weil er das eben auch gefühlsmäßig, nicht nur technisch beherrschen wollte. Das ist ein anderer interessanter Punkt, dass für Schinkel die Architektur bei aller Technik nicht ein kalter Gegenstand ist, sondern ein Schlachtfeld von Ideen, ein Feuerofen von Widersprüchen und unterschiedlichen Erwartungen, bei denen am Schluss eben der Effekt, wenn er etwas macht, deswegen war er ja auch so gut im Theater, der Eindruck, den eine Architektur hervorruft, doch ganz im Zentrum stehen.