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Der getilgte Star

Jahrzehnte verschwieg der deutsche Fußball das Schicksal des jüdischen Internationalen Julius Hirsch, der 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Erst 1992 erinnerte der Hamburger Autor Werner Skrentny an Hirsch. Nun hat er eine grandiose Biographie vorgelegt.

Von Erik Eggers |
    Der Brief zählt zu den erschütternsten Dokumenten der deutschen Fußballgeschichte. Julius Hirsch, der ehemalige Internationale vom Karlsruher FV, Deutscher Meister 1910 und 1914, hatte am 10. April 1933 in der Zeitung Sportbericht gelesen, dass jüdische Sportler aus rassistischen Gründen ausgeschlossen werden sollten. Hirsch aber kam diesem Ausschluss durch seinen Rücktritt zuvor. "Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die ‚Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene’ deutsche Juden gibt", hieß es seinem Brief, den er noch am gleichen formulierte. Einer seiner Brüder war im Ersten Weltkrieg gefallen, so Hirsch, die zwei anderen Brüder waren wie er mit Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden.

    Diese Episode ist eines der zentralen Kapitel in der neuen Biographie von Werner Skrentny. Vor 20 Jahren hat der Hamburger Autor die bewegende Lebensgeschichte von Hirsch erstmals skizziert: die großen Erfolge von Hirsch an der Seite des ebenfalls jüdischen Stürmers Gottfried Fuchs, etwa die Olympiateilnahme 1912; die beschriebene tiefe Zäsur 1933; 1943 die Deportation nach Auschwitz, wo sich seine Spur verlor. Nun füllt Skrentny die Lücken, die sich damals noch auftaten. Herausgekommen ist eine grandiose Biographie, die zugleich die komplizierte Erinnerungsgeschichte des deutschen Fußballs und das Gedächtnis des deutschen Sports vorbildlich reflektiert.

    Dazu ist die Figur Hirsch freilich auch prädestiniert: Zählt Hirsch doch im Fußball zu den eindrücklichsten Beispielen der damnatio memoriae, der planmäßigen Auslöschung alles Jüdischen im "Dritten Reich". Als instruktives Beispiel dafür dient Skrentny jenes Erinnerungsalbum des Kicker aus dem Jahre 1939, das alle Internationalen ehren sollte – das aber die beiden jüdischen Fußballer Hirsch und Fuchs aus rassistischen Gründen wegließ. Beschämenderweise wiederholte sich dies, als 1988 ein Reprint des Sammlerobjekts herausgegeben wurde. Ein Mahnmal dafür, dass der Fußball sich seiner Geschichte verpflichtet fühlen sollte.

    Besprochenes Buch:
    Skrentny, Werner: Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet. Werkstatt-Verlag, 351 Seiten, Göttingen 2012, 19,90 Euro.