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Der größte Erdbebensimulator der Welt

Japan ist wegen seiner Lage entlang des Pazifischen Feuerrings besonders von Erdbeben bedroht. Erdbebensichere Gebäude und Einrichtungen sind daher überlebenswichtig. Das gilt insbesondere für Krankenhäuser, die im Falle eines Bebens wie 1995 in Kobe Tausende von Verletzten versorgen müssen.

Von Jenny von Sperber |
    Es ist der japanische Countdown zum Kobe-Erdbeben 1995 - aber zum simulierten Kobe-Erdbeben 1995, denn wir befinden uns im größten Erdbebensimulator der Welt: E-Defense, so der Name dieser gigantischen Halle mit einer 15 mal 20 Meter großen Rüttelplatte aus Stahl. E steht für Earth, Erde.

    Gleich soll das fünfstöckige Krankenhaus erbeben, das hier aus Stahlbeton und in Originalgröße aufgebaut ist. 24 hydraulische Kolben neben und unter der Stahlplatte werden das katastrophale Beben von damals simulieren, denn der Ingenieur und Versuchsleiter Eiji Sato möchte wissen: Wie kann ein Krankenhaus im Ernstfall einsatzbereit bleiben? Welche Vorkehrungen muss man im Inneren eines verstärkten Gebäudes treffen, damit es sofort Kranke und Verletzte aufnehmen und versorgen kann?

    "Wir haben ein Sprechzimmer, ein Schwesternzimmer, ein Dialysezimmer, einen Operationssaal, eine Intensivstation und ein Krankenzimmer - lauter Räume, die in normalen Krankenhäusern genutzt werden. In den Räumen haben wir echte medizinische Geräte angebracht. Es sind auch Geräte darunter, die wir während des Versuchs in Betrieb lassen wollen."

    Die Einrichtung dieses Test-Krankenhauses ist besonders gesichert. Sato hat zum Beispiel einige Innenwände mit Stahlpanelen vor dem Aufprall von Gegenständen geschützt. Er hat den Computertomografen auf spezielle Stoßdämpfer gestellt und einige Rollen unter Geräten im OP mit automatischen Bremsen versehen. Andere Geräte hat er mit Gurten an der Wand befestigt.

    Doch trotz aller Vorsicht: Alles lässt sich nicht sichern:

    "Für die medizinischen Abläufe ist es manchmal wichtig, dass Geräte beweglich sind, deshalb werden sie auf Rollen gesetzt. Es ist sehr schwierig, diese Geräte zu befestigen. Das würde die medizinischen Abläufe stören. Ich denke, es wird Schwierigkeiten geben, solche Sicherungsmaßnahmen damit zu vereinbaren, was die Ärzte in einem Krankenhaus täglich brauchen."

    Zurzeit ist es trotzdem das am besten vor Beben gesicherte Krankenhaus der Stadt, denn staatliche Vorschriften gibt es für die Innenausstattung von Krankenhäusern bisher nicht. Zusätzlich sind alle Geräte und einige der lebensgroßen Patienten- und Ärztepuppen mit Sensoren versehen, um später die Kräfte nachvollziehen zu können, die während des Bebens auf sie eingewirkt haben.

    Dann geht es los. Zuerst ist es nur ein Zittern. Dann bebt der Stahlbetonbau: Die Säuglinge schleudern in ihren Bettchen hin- und her. Der Patient auf dem OP-Tisch fliegt auf den Boden, die Geräte rollen und rutschen quer durch den Raum, einige fallen krachend um. Betonbrocken fallen aus der Wand.

    Versuchsleiter Sato schnürt seinen Helm fest und betritt mit den anderen Forschern das jetzt so stille Haus. Zimmer für Zimmer überprüft er seine Vorkehrungen: Vor dem Computertomografen nickt er zufrieden:

    "Bei diesem Versuch haben wir Schwingungsdämpfer für Geräte eingesetzt, die normalerweise für Server etc. benutzt werden. Sie sollen verhindern, dass sich die Schwingungen des Bebens auf das CT übertragen. Diese Dämpfer leiten die Energie des Bebens ab. Dieser Tisch und auch das CT-Gerät haben sich nicht verschoben. Das war also eine sehr effektive Maßnahme."

    Bei Präzisionsgeräten wie CTs könnte nämlich schon eine leichte Verschiebung dazu führen, dass sie nicht mehr richtig funktionieren. Als Sato allerdings den OP betritt, sieht er besorgt aus. Schubladen sind herausgefallen, Gläser zerbrochen, Geräte stehen und liegen quer durch den Raum verstreut.

    "Wir hatten nicht erwartet, dass der Patient vom OP-Tisch fällt. Wir hatten ihn einigermaßen festgeschnallt, damit er nicht herunterfällt. Je nach Operation ist es aber auch gar nicht möglich, den Patienten zu sichern. Wir hatten nicht solche schockierenden Bilder, eine solch schockierende Situation erwartet. Es ist sehr schwierig, hier Abhilfe zu schaffen."

    Das Experiment hat Sato und den anderen Wissenschaftlern die Grenzen des bisher Machbaren gezeigt. Es ist zwar möglich die Inneneinrichtung von Krankenhäusern bis zu einem gewissen Grad zu sichern, aber es wird immer ein Abwägen sein: zwischen der Funktionsfähigkeit im Alltag und der Sicherheit im Falle eines starken Bebens.

    Übersichtsseite zum Japanschwerpunkt in Forschung aktuell
    Ein OP-Saal im Erdbebensimulator vom National Research Institute for Earth Science and Desaster Prevention, Miki, Japan
    Auch ein OP-Saal muss auf mögliche Erdbeben vorbereitet sein. (Jenny von Sperber/dradio)