Die EU, so die Einschätzung etwa von Ulrich Kater, dem Chefvolkswirt der Deka Bank, werde den Briten schon Kompromisse aufdrücken:
"Volle Kontrolle, auch über die eigenen Steuersätze, und dann durch günstige Steuern Firmensitze in Großbritannien anzusiedeln, die dann ohne Zölle in Europa exportieren könne, ich glaube, da hat die Europäische Union lang genug Erfahrung in internationaler Handelspolitik, dass diese Vorstellungen wahrscheinlich nicht so umsetzbar sind."
Die britischen EU-Beiträge werden fehlen
Mit einer Trennung von der EU setzten die Briten viel aufs Spiel. Sie beziehen rund die Hälfte ihrer Importe aus der EU. Und sie liefern auch etwa die Hälfte ihrer Exporte in die EU. Ganz wichtig für Großbritannien sind die Finanzdienstleistungen am Platz London, mit denen die Briten nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft im Jahr 2014 einen Überschuss von gut 19 Milliarden Euro erwirtschaftete.
Aber auch die EU wird sich umsehen. Die Nettobeiträge der Briten zum EU-Haushalt von zwölf Milliarden Euro werden fehlen. Deutschland mit seinem Handelsüberschuss werde wohl einen Teil davon übernehmen müssen, heißt es schon. Und wird auch als Exportnation betroffen sein. Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel, hat das so beschrieben:
"Großbritannien ist einer der bedeutendsten Handelspartner Deutschlands. Es ist mit einem Volumen von 89 Milliarden Euro in 2015 unser drittwichtigster Exportmarkt. In allen wichtigen Warengruppen erzielt Deutschland deutliche Handelsüberschüsse. Jede Einschränkung des Handels trifft daher Deutschland besonders."
Auch die EU hat Druckmittel
Das könnte zum Dauerthema einiger Jahre werden. Denn Theresa May hat heute angedeutet, dass sie ein eigenes Modell für die neuen Beziehungen zur EU sucht, sie wolle – anders als die assoziierten Länder Norwegen und Schweiz - EU-Gesetze nicht übernehmen, sie nicht von EU-Gerichten auslegen lassen und die Freizügigkeit der Arbeitskräfte auch nicht akzeptieren. Es werde also, vermutlich über Jahre, ein eigenes Modell ausgehandelt werden müssen, meint Urs Pötzsch, der Centrum für Europäische Politik als wissenschaftlicher Mitarbeiter die EU-Politik analysiert:
"Die Verträge schreiben vor, dass die Mitgliedschaft eines Landes in der EU zwei Jahre nach dem Zeitpunkt endet, zu dem die Austrittserklärung abgegeben wird. Es sei denn, man einigt sich einstimmig innerhalb der EU auf eine Verlängerung der Frist. Das gibt der EU ein gewisses Druckmittel gegenüber den britischen Verhandlungspartnern, auch eigene Interessen durchzusetzen. Denn die EU kann sich eben eine Verlängerung dieser Frist verweigern. Und dann käme es schlimmstenfalls zu einem ungeordneten Brexit, also dem plötzlichen Austritt aus der EU, dass von heute auf morgen sämtliche Rechte und Pflichten außer Kraft sind."
Das würde die Wirtschaft hüben und drüben treffen. Und wäre sicher in niemandes Interesse.