Eines vorweg: Über die umstrittenen Nebentätigkeiten des Kanzlerkandidaten ist in keiner der drei Steinbrück-Biografen etwas zu erfahren. Selbst der Berliner Büroleiter des "Focus", Daniel Goffart, der im Heyne-Verlag erst wenige Tage vor der Ernennung des Merkel-Herausforderers, das jüngste Porträt mit dem Titel "Steinbrück. Die Biografie" vorlegte, konnte nicht ahnen, wie sehr die Honorare dem Sozialdemokraten den Start ins Rennen um die Kanzlerschaft vermasseln würden.
Auch die "FAZ"-Korrespondenten Eckart Lohse und Markus Wehner, die bei Droemer im Oktober ihre "Steinbrück-Biografie" präsentierten, waren ganz offensichtlich nicht darüber im Bilde, wie eifrig der Abgeordnete Peer Steinbrück nebenbei als Vortragsreisender unterwegs war, ebenso wenig wie Daniel Friedrich Sturm. Der Parlamentskorrespondent der "Welt" und ausgezeichnete Kenner der deutschen Sozialdemokratie kam mit seiner vom Deutschen Taschenbuch Verlag veröffentlichten Biografie "Peer Steinbrück" bereits im Frühsommer auf den Markt.
Sollte man deshalb gleich von der Lektüre absehen? – Mitnichten! Wer verstehen möchte, wie dieser Kanzlerkandidat tickt, wie er mit der Kritik an seiner Person umgehen wird, der erfährt viel Neues über Peer Steinbrück. Hinschmeißen wird er nicht, Spekulationen, er könnte kneifen, bevor er überhaupt richtig angetreten ist, entbehren jeder Grundlage. Keines der drei Bücher lässt einen anderen Schluss zu.
"Und ansonsten können Sie ziemlich sicher sein, dass unbenommen der etwas schwierigeren Wochen in der letzten Zeit, ich eine ausgezeichnete Kondition habe für die nächsten zehn Monate und Sie mich häufiger – nicht überheblich, aber sehr selbstbewusst – diese Positionen der SPD werden vertreten sehen!"
Kleinlaut zu sein, das ist nicht seine Sache. Der 65-jährige Steinbrück war stets ein Stehaufmännchen. Zu diesem Urteil kommt auch Daniel Goffart. Der "Focus"-Journalist schildert in seiner Steinbrück-Biografie eindrucksvoll, wie der SPD-Mann immer wieder persönliche Rückschläge weggesteckt hat.
"Peer Steinbrück hat niemals aufgegeben, sondern im versucht, aus Niederlagen Siege zu machen."
"Einer gegen alle" – das war in seiner politischen Laufbahn immer wieder das Motto des Hanseaten, resümieren die FAZ-Korrespondenten Eckart Lohse und Markus Wehner in ihrem Kandidaten-Porträt. Als Beleg gilt ihnen der Sommer 2003. Steinbrück steht an der Spitze einer rot-grünen Koalition in Düsseldorf. Er liegt mit dem Partner im Clinch, liebäugelt mit den Liberalen. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder allerdings will aus Angst vor bundespolitischen Folgen einen Wechsel nicht akzeptieren. Kann das einen Peer Steinbrück beeindrucken?
O nein, im Gegenteil!" schreiben Lohse und Wehner. "Er teilt sich selbst die Rolle ´Peer gegen den Rest der Welt zu. So gefällt er sich mit dem Raubtierlachen, das signalisiert: Ich habe keine Angst, ich nehme es nicht nur mit meinen verunsicherten Genossen in Nordrhein-Westfalen auf, sondern auch mit Berlin. Das ist gesprochen im Schröderschen Basta-Stil.
Diesem Stil widmet sich auch "Welt"- Korrespondent Daniel Friedrich Sturm, "Krach mit dem Kanzler" nimmt ein Steinbrück gern mal in kauf, schreibt Sturm in seinem Werk – mit 300 etwas zu kleingedruckten Seiten, die umfassendste der drei Biografien. Er stellt uns einen Mann vor, der gerne zündelt, und dabei doch immer mit sich selbst im reinen ist.
"Schröder hat einmal Basta gesagt, Steinbrück würde als Kanzler das vielleicht einmal die Woche sagen. Und manchmal würde er auch ein Basta um des Basta willens sagen!"
Gegenüber einem Grünen Koalitionspartner allemal. Wer Daniel Friedrich Sturm liest, muss sich fragen, ob eine rot-grüne Koalition unter ihm nicht ähnlich miteinander umgehen würde, wie derzeit die vermeintlichen Wunschpartner Union und FDP. Rot-grün mit Steinbrück – ginge das überhaupt? Diese Frage treibt auch Daniel Goffart vom Focus um. Er nähert sich der Antwort auf besondere Art, beschreibt in einem eigenen Kapitel das sogenannte "Schanghai-Syndrom" der Grünen. Gemeinsam mit Gerhard Schröder und dessen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement war Steinbrück zu Silvester 2002 nach Schanghai gereist, um dort wie beseelt – so Goffart – die Eröffnung des Transrapid zu feiern. Von einem Rausch berichtet der Autor, in den sich Clement und Steinbrück hineinsteigerten, weil sie seit Jahren daheim in Deutschland einen
... zähen und frustrierenden Kleinkrieg um jedes Projekt führen, das der Wirtschaft wichtig ist. Und dann sehen die beiden hier im Reich der Mitte, wie rasend schnell die Dinge sich entwickeln können, wenn man nur will.
Detailgenau schildert Daniel Goffart einen deftig ausgetragenen Streit Steinbrücks mit Grünen-Chefin Claudia Roth und kommt schließlich zur Überzeugung:
Von Anfang an mochte er das Missionarische bei den Grünen nicht, ihre Betroffenheitsethik und den Anspruch, grüne Themen als moralische höherwertig zu beurteilen. Steinbrück, der selbst im Ruhrpott mit Nadelstreifen und Krawatte herumläuft, hasst im Grunde bei seinen langjährigen Partnern auch den alternativen Schlabberlook und ihren Hang zum Gutmenschentum.
Daniel Friedrich Sturm von der "Welt" geht noch weiter. "Im Grunde hält Steinbrück die Grünen für überflüssig", lautet sein Fazit. Steinbrück fehle einfach der Draht zu den Grünen:
Sie sind ihm zu chaotisch, zu wenig hierarchisch, nicht straff genug organisiert.
Vor allem aber stellt sich die Frage, die insbesondere linke Sozialdemokraten bewegt: Kann dieser Mann das Kernthema der Partei bedienen, kann er glaubhaft für soziale Gerechtigkeit eintreten? – Wohl eher aus Mangel an Alternativen folgen ihm die Genossen bisher geschlossen. Immer hat er mit der Partei gefremdelt, ihm fehlt der Stallgeruch, Parteikarrieren sind ihm zuwider, urteilt "FAZ"-Korrespondent Eckart Lohse – diese Ferne macht ihm gerade jetzt das Leben besonders schwer:
"Dass er nicht wohl gelitten ist, liegt ja nicht in erster Linie an seinen Inhalten, das größere Problem ist ja die Verächtlichkeit, mit der Steinbrück sowohl spricht als auch schreibt, vor allen Dingen über den Funktionärskörper seiner Partei, denn da spricht er abfällig über Menschen, die immer nur in Gremien sitzen und denen Parteitagsbeschlüsse viel wichtiger sind als die Wirklichkeit. Das ist sein Hauptproblem."
Welche der drei Biografien überzeugt also am meisten? Wer immer schon ein Fan des Kanzlerkandidaten war, der dürfte sich bei der Lektüre von Daniel Goffart bestätigt sehen. Schon im Vorwort macht er aus seiner Wertschätzung für Steinbrück keinen Hehl:
Er kann Kanzler, kein Zweifel!
Eckart Lohse und Markus Wehner sind offenbar davon überzeugt, dass auch die Deutschen nach Politikern mit Charisma suchen. Peer Steinbrück hat da in ihren Augen was, das verbergen die Autoren nicht, sie zeigen aber auch die vielen Kratzer dieses Bildes. Welt-Korrespondent Daniel Friedrich Sturm schließlich beäugt den Kandidaten am distanziertesten: Ihm geht es spürbar auf die Nerven, wie hart Steinbrück immer wieder mit den eigenen Leuten ins Gericht geht und die SPD schlecht macht.
Steinbrück ist ein untypischer Sozialdemokrat. Soziale Probleme hat er selbst nie erlebt, geschweige denn verinnerlicht!
Heute, da wir wissen, dass er für einen einzigen Vortrag 25.000 Euro bekommen hat, dürften das viele ähnlich sehen. Zu Kreuze kriechen wird Steinbrück deshalb beileibe nie. Dass er seiner Partei etwas schuldet, wenn sie ihm am kommenden Sonntag trotz allem ihr Vertrauen schenkt, dessen immerhin ist er sich bewusst:
"Was ich als Gegenleistung für die SPD bringen kann, ist, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden!"
Eckart Lohse/Markus Wehner: Steinbrück: Biografie
Verlag Droemer
384 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 978-3-426-27593-1
Daniel Goffart: Steinbrück - Die Biografie
Heyne Verlag
336 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 978-3-453-20034-0
Daniel Friedrich Sturm: Peer Steinbrück: Biografie
Deutscher Taschenbuch Verlag
300 Seiten, 14,90 Euro
ISBN: 978-3-423-24924-9
Auch die "FAZ"-Korrespondenten Eckart Lohse und Markus Wehner, die bei Droemer im Oktober ihre "Steinbrück-Biografie" präsentierten, waren ganz offensichtlich nicht darüber im Bilde, wie eifrig der Abgeordnete Peer Steinbrück nebenbei als Vortragsreisender unterwegs war, ebenso wenig wie Daniel Friedrich Sturm. Der Parlamentskorrespondent der "Welt" und ausgezeichnete Kenner der deutschen Sozialdemokratie kam mit seiner vom Deutschen Taschenbuch Verlag veröffentlichten Biografie "Peer Steinbrück" bereits im Frühsommer auf den Markt.
Sollte man deshalb gleich von der Lektüre absehen? – Mitnichten! Wer verstehen möchte, wie dieser Kanzlerkandidat tickt, wie er mit der Kritik an seiner Person umgehen wird, der erfährt viel Neues über Peer Steinbrück. Hinschmeißen wird er nicht, Spekulationen, er könnte kneifen, bevor er überhaupt richtig angetreten ist, entbehren jeder Grundlage. Keines der drei Bücher lässt einen anderen Schluss zu.
"Und ansonsten können Sie ziemlich sicher sein, dass unbenommen der etwas schwierigeren Wochen in der letzten Zeit, ich eine ausgezeichnete Kondition habe für die nächsten zehn Monate und Sie mich häufiger – nicht überheblich, aber sehr selbstbewusst – diese Positionen der SPD werden vertreten sehen!"
Kleinlaut zu sein, das ist nicht seine Sache. Der 65-jährige Steinbrück war stets ein Stehaufmännchen. Zu diesem Urteil kommt auch Daniel Goffart. Der "Focus"-Journalist schildert in seiner Steinbrück-Biografie eindrucksvoll, wie der SPD-Mann immer wieder persönliche Rückschläge weggesteckt hat.
"Peer Steinbrück hat niemals aufgegeben, sondern im versucht, aus Niederlagen Siege zu machen."
"Einer gegen alle" – das war in seiner politischen Laufbahn immer wieder das Motto des Hanseaten, resümieren die FAZ-Korrespondenten Eckart Lohse und Markus Wehner in ihrem Kandidaten-Porträt. Als Beleg gilt ihnen der Sommer 2003. Steinbrück steht an der Spitze einer rot-grünen Koalition in Düsseldorf. Er liegt mit dem Partner im Clinch, liebäugelt mit den Liberalen. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder allerdings will aus Angst vor bundespolitischen Folgen einen Wechsel nicht akzeptieren. Kann das einen Peer Steinbrück beeindrucken?
O nein, im Gegenteil!" schreiben Lohse und Wehner. "Er teilt sich selbst die Rolle ´Peer gegen den Rest der Welt zu. So gefällt er sich mit dem Raubtierlachen, das signalisiert: Ich habe keine Angst, ich nehme es nicht nur mit meinen verunsicherten Genossen in Nordrhein-Westfalen auf, sondern auch mit Berlin. Das ist gesprochen im Schröderschen Basta-Stil.
Diesem Stil widmet sich auch "Welt"- Korrespondent Daniel Friedrich Sturm, "Krach mit dem Kanzler" nimmt ein Steinbrück gern mal in kauf, schreibt Sturm in seinem Werk – mit 300 etwas zu kleingedruckten Seiten, die umfassendste der drei Biografien. Er stellt uns einen Mann vor, der gerne zündelt, und dabei doch immer mit sich selbst im reinen ist.
"Schröder hat einmal Basta gesagt, Steinbrück würde als Kanzler das vielleicht einmal die Woche sagen. Und manchmal würde er auch ein Basta um des Basta willens sagen!"
Gegenüber einem Grünen Koalitionspartner allemal. Wer Daniel Friedrich Sturm liest, muss sich fragen, ob eine rot-grüne Koalition unter ihm nicht ähnlich miteinander umgehen würde, wie derzeit die vermeintlichen Wunschpartner Union und FDP. Rot-grün mit Steinbrück – ginge das überhaupt? Diese Frage treibt auch Daniel Goffart vom Focus um. Er nähert sich der Antwort auf besondere Art, beschreibt in einem eigenen Kapitel das sogenannte "Schanghai-Syndrom" der Grünen. Gemeinsam mit Gerhard Schröder und dessen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement war Steinbrück zu Silvester 2002 nach Schanghai gereist, um dort wie beseelt – so Goffart – die Eröffnung des Transrapid zu feiern. Von einem Rausch berichtet der Autor, in den sich Clement und Steinbrück hineinsteigerten, weil sie seit Jahren daheim in Deutschland einen
... zähen und frustrierenden Kleinkrieg um jedes Projekt führen, das der Wirtschaft wichtig ist. Und dann sehen die beiden hier im Reich der Mitte, wie rasend schnell die Dinge sich entwickeln können, wenn man nur will.
Detailgenau schildert Daniel Goffart einen deftig ausgetragenen Streit Steinbrücks mit Grünen-Chefin Claudia Roth und kommt schließlich zur Überzeugung:
Von Anfang an mochte er das Missionarische bei den Grünen nicht, ihre Betroffenheitsethik und den Anspruch, grüne Themen als moralische höherwertig zu beurteilen. Steinbrück, der selbst im Ruhrpott mit Nadelstreifen und Krawatte herumläuft, hasst im Grunde bei seinen langjährigen Partnern auch den alternativen Schlabberlook und ihren Hang zum Gutmenschentum.
Daniel Friedrich Sturm von der "Welt" geht noch weiter. "Im Grunde hält Steinbrück die Grünen für überflüssig", lautet sein Fazit. Steinbrück fehle einfach der Draht zu den Grünen:
Sie sind ihm zu chaotisch, zu wenig hierarchisch, nicht straff genug organisiert.
Vor allem aber stellt sich die Frage, die insbesondere linke Sozialdemokraten bewegt: Kann dieser Mann das Kernthema der Partei bedienen, kann er glaubhaft für soziale Gerechtigkeit eintreten? – Wohl eher aus Mangel an Alternativen folgen ihm die Genossen bisher geschlossen. Immer hat er mit der Partei gefremdelt, ihm fehlt der Stallgeruch, Parteikarrieren sind ihm zuwider, urteilt "FAZ"-Korrespondent Eckart Lohse – diese Ferne macht ihm gerade jetzt das Leben besonders schwer:
"Dass er nicht wohl gelitten ist, liegt ja nicht in erster Linie an seinen Inhalten, das größere Problem ist ja die Verächtlichkeit, mit der Steinbrück sowohl spricht als auch schreibt, vor allen Dingen über den Funktionärskörper seiner Partei, denn da spricht er abfällig über Menschen, die immer nur in Gremien sitzen und denen Parteitagsbeschlüsse viel wichtiger sind als die Wirklichkeit. Das ist sein Hauptproblem."
Welche der drei Biografien überzeugt also am meisten? Wer immer schon ein Fan des Kanzlerkandidaten war, der dürfte sich bei der Lektüre von Daniel Goffart bestätigt sehen. Schon im Vorwort macht er aus seiner Wertschätzung für Steinbrück keinen Hehl:
Er kann Kanzler, kein Zweifel!
Eckart Lohse und Markus Wehner sind offenbar davon überzeugt, dass auch die Deutschen nach Politikern mit Charisma suchen. Peer Steinbrück hat da in ihren Augen was, das verbergen die Autoren nicht, sie zeigen aber auch die vielen Kratzer dieses Bildes. Welt-Korrespondent Daniel Friedrich Sturm schließlich beäugt den Kandidaten am distanziertesten: Ihm geht es spürbar auf die Nerven, wie hart Steinbrück immer wieder mit den eigenen Leuten ins Gericht geht und die SPD schlecht macht.
Steinbrück ist ein untypischer Sozialdemokrat. Soziale Probleme hat er selbst nie erlebt, geschweige denn verinnerlicht!
Heute, da wir wissen, dass er für einen einzigen Vortrag 25.000 Euro bekommen hat, dürften das viele ähnlich sehen. Zu Kreuze kriechen wird Steinbrück deshalb beileibe nie. Dass er seiner Partei etwas schuldet, wenn sie ihm am kommenden Sonntag trotz allem ihr Vertrauen schenkt, dessen immerhin ist er sich bewusst:
"Was ich als Gegenleistung für die SPD bringen kann, ist, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden!"
Eckart Lohse/Markus Wehner: Steinbrück: Biografie
Verlag Droemer
384 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 978-3-426-27593-1
Daniel Goffart: Steinbrück - Die Biografie
Heyne Verlag
336 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 978-3-453-20034-0
Daniel Friedrich Sturm: Peer Steinbrück: Biografie
Deutscher Taschenbuch Verlag
300 Seiten, 14,90 Euro
ISBN: 978-3-423-24924-9