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Der Herr der Ente

Berühmt war er wegen seines Gespürs für effektvolle Werbung, gefeiert wurde er für seine technischen Innovationen und die humane Gestaltung der Massenproduktion. Er liebte das Risiko und das Glücksspiel und galt als Charmeur: der Automobilproduzent André Citroen.

Von Mathias Schulenburg |
    Als André-Gustave Citroën am 3. Juli 1935 57-jährig einem Krebsleiden erlag, hatte er den Konkurs seiner Automobilfirma Citroën im Gefolge der damaligen Weltwirtschaftskrise um gerade ein Jahr überlebt.

    André-Gustave Citroën wurde in Paris geboren. Die wohlhabenden jüdischen Eltern waren Levie Citroën, ein angesehener Juwelier aus Amsterdam, und Masza Amalia Kleinmann aus Warschau. Der Name Citroën ist vom niederländischen Wort "citroen", Zitrone, abgeleitet, denn die ersten bekannten Vorfahren der Familie waren Amsterdamer Limonenhändler. In der neuen Wahlheimat Frankreich mutierte Citroen schließlich zu Citroën.

    Die Karriere André Citroëns, des ausgebildeten Ingenieurs, begann mit der Umsetzung eines Patentes über Winkelzahnräder, die später auch die Vorlage für das Emblem der Autofirma Citroën, den Doppelwinkel, abgeben sollten. Die Zahnradproduktion

    Dann kam der Erste Weltkrieg. Der hochtalentierte Organisator Citroën bot dem französischen Staat den Bau einer Granatenfabrik an, die dann bis zum Kriegsende auch 23 Millionen Granaten herstellte.

    Nach dem Krieg begann Citroën, einen Traum zu realisieren: Die Produktion von Autos. Citroëns Konstrukteure entfalteten einen Erfindungsgeist, der die Firma in Europa zeitweilig an die Spitze trug. Unter den zahlreichen Innovationen: der Vorderradantrieb.

    Legendär auch André Citroëns Gespür für zündende Werbung.

    Er ließ den Namen seiner Firma in riesigen Lettern am Pariser Eiffelturm aufleuchten; das Spektakel diente Charles Lindbergh im Mai 1927 als Orientierungshilfe - und natürlich lud Citroën den glücklich gelandeten Atlantiküberflieger sogleich publikumswirksam ein.

    Citroën ließ Hergé, den Erfinder von "Tim und Struppi", für sich zeichnen. Der Künstler revanchierte sich, indem er seine Comics mit Fahrzeugen des Herstellers ausstattete. Im Abenteuer "Der Fall Bienlein" fahren die Detektive Schulze und Schultze eine Ente.

    Nach dem Konkurs seiner Firma konnten Citroëns Spitzenkräfte unter der Führung Michelins weitermachen und bauten – ganz im Geiste des Gründers – unter anderem zwei Kultautos: Das flunderartige Modell DS, lautmalerisch bedeutete das "Göttin", und den 2CV, die Ente. Die Göttin verfügte neben vielen anderen Raffinessen über ein hydropneumatisches Federwerk, das die Bequemlichkeit eines Sofas vermittelte.

    "Göttin" wie "Ente" hatten keine Spur der dumpfen Angriffslust, die heute vielen Automobilen des sogenannten Premium-Segmentes anhaftet – auch das ganz im Sinne des Firmengründers, der als Charmeur galt. Der "Göttin" entstiegen in der Reklame bevorzugt schöne Frauen wie Catherine Deneuve, Gina Lollobrigida und Romy Schneider. André Citroën ließ schon 1928 mit Frauen am Steuer werben, als die Lenkräder anderenorts noch fest in Herrenhand lagen. Auch Kinder, die potenzielle Kundschaft von morgen, wurden früh auf das Haus Citroën geprägt – mit eigens angefertigten hübschen Fahrzeugmodellen und Kinderautos, sogar elektrischen, wie der Citroënette.

    Auch die Ente passte in die Landschaft. Sie war schließlich mit der Vorgabe entwickelt worden, gegebenenfalls zwei Bauern, einen Sack Kartoffeln oder ein Fass Wein, oder eine Ziege, butterweich über holprige Feldwege tragen zu können, was wunderbar gelang. Und war sie auch schwach, das Urlaubsziel erreichte sie allemal – wenn man eine Dose Sprühöl dabei hatte, für die Zündung.