Archiv


Der höchste "grüne" Wolkenkratzer

Taiwan stand in der Vergangenheit eher für ein rücksichtsloses Wachstum als für den schonenden Umgang mit Ressourcen. Umso mehr verwundert es, dass dort das ehemals höchste Haus der Welt nun zum höchsten "grünen" Wolkenkratzer der Welt geworden ist.

Von Klaus Bardenhagen | 21.11.2011
    Willkommen im schnellsten Fahrstuhl der Welt. Wer das Taipei 101 besucht, bekommt viele solcher Superlative zu hören. Nach nur 37 Sekunden öffnet die hermetisch versiegelte Kabine sich wieder - im 89. Stock.

    Mit 509 Metern ragt das schlanke, bambusförmige Taipei 101 aus der Stadt empor wie ein Pfeil auf einer Dartscheibe. Wer hier arbeitet, steht unter besonderem Druck, sagt Cathy Yang. Sie ist die Vizepräsidentin der Betreibergesellschaft.

    "Die Leute beobachten uns wie mit einer Lupe. Wir müssen alles perfekt machen. Wir sind stolz auf das Taipei 101, denn es ist das Symbol Taiwans.”"

    Besonders stolz war das ganze Land bei der Eröffnung 2004. Endlich konnte Taiwan, das von den meisten Staaten diplomatisch nicht anerkannt wird, sich mit einem Rekord schmücken: Das höchste Gebäude der Welt. Doch der Ruhm war vergänglich. Seit knapp zwei Jahren steht der Rekordhalter nun in Dubai.

    ""Uns war immer klar, dass wir den Titel eines Tages verlieren würden. Über die fünf Jahre waren wir schon froh. Aber wir wollen noch immer an der Spitze sein. Nicht mehr bei der Höhe, aber in Sachen Nachhaltigkeit. Wir sind jetzt das höchste grüne Gebäude der Welt.”"

    Die Entscheidung fiel 2008. Steigende Energiepreise bereiteten ihr Kopfzerbrechen, als die Managerin von sogenannten LEED-Zertifikaten für besondere Nachhaltigkeit erfuhr. Dafür musste das riesige Taipei 101 unter anderem den Energieverbrauch senken. Da kam deutsches Know-how gerade recht. Gebäude bieten ein besonders großes Einsparpotenzial für Energiekosten und CO2-Ausstoß, sagt Peter Weiss, Präsident von Siemens Taiwan.

    ""Die Antwort ist nicht, man tauscht nur die Glühbirne aus. Sondern man muss einen holistischen Approach für das gesamte Gebäude nehmen, dass man alle Elemente des Hauses sich anschaut, und kann dann wirklich in der Summe 30 Prozent eines existierenden Gebäudes den Energiebedarf reduzieren."

    Ganz so viel ließ sich beim Taipei 101 nicht herausholen. Es ist ja auch erst wenige Jahre alt. Siemens installierte vor allem neue Sensoren und Steuerungssysteme für Beleuchtung, Lüftung und Klimaanlage. Optimierung also statt Komplettsanierung. Das senkte den Strom- und Wasserverbrauch immerhin um etwa zehn Prozent und spart pro Jahr 3000 Tonnen CO2 und 700.000 US-Dollar Energiekosten. Die Investition von zwei Millionen Dollar habe sich schon gerechnet, sagt Cathy Yang.

    "In Zukunft werden LEED oder andere Zertifikate für große Unternehmen bei der Standortwahl eine wichtige Rolle spielen – und die Vermieter müssen sich entscheiden, ob sie ihre Gebäude nachhaltig umrüsten wollen oder nicht.”"

    Ist das Taipei 101 also ein Leuchtturmprojekt, das auf das ganze Land abstrahlt? Zwar hat Taiwans Regierung den Klimaschutz zum Programm erklärt, doch viele Maßnahmen bleiben halbherzig. Obwohl Taiwan einer der größten Produzenten von Solarzellen ist, sieht man vom Taipei 101 aus keine Panele auf den Dächern der Stadt. Und so lange der staatseigene Energiekonzern die Strompreise künstlich niedrig hält, laufen überall die Klimaanlagen weiter auf Hochtouren. Die Welle sei am Laufen, sagt Peter Weiss von Siemens Taiwan. Aber sie habe noch nicht jeden erfasst.

    ""Es ist nicht so, dass wir uns vor Anfragen nicht mehr retten können. Es ist ein Prozess, der kontinuierlich weiterläuft. Es ist vielleicht auch ein Prozess, wo eine andere Generation, die mit dem Thema Umweltschutz auch anders aufgewachsen ist, motivierter ist, etwas zu machen."

    Wachstum um jeden Preis - dieses alte Motto hat für viele junge Taiwaner seinen Reiz verloren. Geht es nach ihnen, könnten in Taiwan bald viele Gebäude stehen, die wie das Taipei 101 auf Effizienz setzen statt auf Verschwendung.

    Zum Themenportal "Zukunft der Energie"